Bürckel-Wagner-Aktion

Bürckel-Wagner-Aktion

Die Wagner-Bürckel-Aktion war die Deportation von über 6.000 Juden aus Baden und der Saarpfalz in das Internierungslager Gurs am 21. und 22. Oktober 1940.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Die Gauleiter Robert Wagner (Gau Baden) und Josef Bürckel (Gau Saarpfalz) hatten nach der Eroberung Frankreichs am 2. August 1940 die Gebiete Elsass und Lothringen als „Chefs der Zivilverwaltung“ (CdZ) unterstellt bekommen, wobei das Elsass an Wagner zur Bildung eines neuen Gaus „Oberrhein“ und Lothringen an Bürckel zur Bildung eines neuen Gaus „Westmark“ ging. Im Rahmen der Waffenstillstandsvereinbarung mit Frankreich am 22. Juni 1940 wurde vereinbart, dass alle Juden aus den deutschen Besatzungsgebieten in das Landesinnere von Frankreich deportiert werden sollten. Bis Mitte September 1940 wurden so über 23.000 Juden und missliebige Franzosen aus den besetzten Gebieten deportiert. Anlässlich einer Besprechung der beiden Gauleiter in der Reichskanzlei am 25. September 1940 forderte Adolf Hitler sie auf, dafür zu sorgen, dass ihre Gebiete „judenfrei“ gemacht werden. Wagner und Bürckel beschlossen, in einer koordinierten Aktion die Deportationen auch auf die im Reichsgebiet lebenden Juden auszudehnen.

Die Deportation

In der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober 1940, am Abschluss des jüdischen Laubhüttenfests Sukkot, wurde die jüdische Bevölkerung aufgefordert, sich innerhalb kurzer Zeit (30 Minuten bis 2 Stunden) reisefertig zu machen, mit dem Befehl zur Deportation aus ihren Wohnungen getrieben, gesammelt und abtransportiert. Der Befehl betraf alle „transportfähigen Volljuden“ vom Kind bis zum Greis, schließlich waren es 6.538 Deutsche jüdischen Glaubens. Gestattet war lediglich die Mitnahme von 50 kg Gepäck und eine Barschaft von 100 Reichsmark. Sieben Eisenbahnzüge aus Baden und zwei Züge aus der Pfalz fuhren mit den Deportierten ins Landesinnere Frankreichs.[1] (In der Folge suchte das RSHA nach anderen Wegen zur "Endlösung".) Die Fahrt über Avignon, Toulouse dauerte drei Tage und vier Nächte, bis die Gefangenen schließlich am Fuße der Pyrenäen in Oloron-Saint-Marie auf LKWs verladen und die meisten in das Internierungslager Gurs verbracht wurden. Bereits auf der Reise waren einige ältere Menschen aufgrund der Strapazen gestorben. Am 23. Oktober meldete Wagner nach Berlin, sein Gau sei als erster Gau des Reiches „judenrein“.

Die badischen Herkunftsgemeinden

Aufgrund einer Initiative Jugendlicher in Baden (siehe unter Weblinks bei ökumenisches mahnmal-projekt) liegen recht genaue Angaben für diesen Teilbereich der Deportationen Deutscher vor.

Deportiert wurden an diesem Tag aus der/dem ....

  • Stadt Baden-Baden 116 Personen
  • Landkreis Bruchsal 123 Personen aus 9 Orten (Bruchsal, Gondelsheim, Heidelsheim, Langenbrücken, Mingolsheim, Odenheim, Östringen, Philippsburg, Untergrombach)
  • Landkreis Buchen 115 Personen aus 22 Orten (Buchen, Adelsheim, Bödigheim, Eberstadt, Großeicholzheim, Hainstadt, Hardheim, Kleineicholzheim, Merchingen, Sennfeld, Sindolsheim, Walldürn)
  • Landkreis Donaueschingen 2 Personen aus 2 Orten (Geisingen, Riedöschingen)
  • Landkreis Emmendingen 68 Personen aus 2 Orten (Emmendingen, Kenzingen)
  • Landkreis Freiburg u. Stadt Freiburg im Breisgau 403 Personen aus 4 Orten (Freiburg, Breisach, Eichstetten, Ihringen)
  • Landkreis u. Stadt Heidelberg 364 Personen aus 10 Orten (Heidelberg, Baiertal, Eberbach, Leimen, Malsch, Meckesheim, Nußloch, Sandhausen, Walldorf, Wiesloch)
  • Stadt Karlsruhe 893 Personen
  • Landkreis Karlsruhe 101 Personen aus 8 Orten (Bretten, Ettlingen, Flehingen, Graben, Grötzingen, Jöhlingen, Malsch, Weingarten)
  • Landkreis Kehl 68 Personen aus 5 Orten (Kehl, Appenweier, Bodersweier, Lichtenau, Rheinbischofsheim,
  • Landkreis Konstanz 314 Personen aus 11 Orten (Überlingen, Waldshut, Konstanz, Bohlingen, Gailingen, Hilzingen, Radolfzell, Randegg, Tiengen, Waldshut, Wangen)
  • Landkreis Lahr 116 Personen aus 8 Orten (Lahr, Altdorf, Ettenheim, Friesenheim, Kippenheim, Nonnenweier, Rust, Schmieheim)
  • Landkreis Lörrach und Säckingen 62 Personen aus 4 Orten (Lörrach, Kirchen bei Lörrach, Schopfheim, Zell i. W.)
  • Stadt Mannheim 1.983 Personen
  • Landkreis Mannheim 116 Personen aus 8 Orten (Hemsbach, Hockenheim, Ilvesheim, Ladenburg, Lützelsachsen, Reilingen, Schwetzingen, Weinheim)
  • Landkreis Mosbach 57 Personen aus 8 Orten (Mosbach, Binau, Billigheim, Heinsheim, Neckarzimmern, Stein, Strümpfelbrunn, Zwingenberg)
  • Landkreis Müllheim 30 Personen aus 2 Orten (Badenweiler, Sulzburg)
  • Landkreis Offenburg 115 Personen aus 4 Orten (Offenburg, Diersburg, Durbach, Gengenbach)
  • Landkreis u. Stadt Pforzheim 192 Personen aus 2 Orten (Pforzheim, Königsbach)
  • Landkreis Rastatt und Bühl 89 Personen aus 7 Orten (Rastatt, Achern, Bühl, Gernsbach, Hörden, Kuppenheim, Muggensturm)
  • Landkreis Sinsheim 127 Personen aus 16 Orten (Sinsheim, Berwangen, Eppingen, Gemmingen, Grombach, Hoffenheim, Ittlingen, Neckarbischofsheim, Neidenstein, Obergimpern, Rohrbach b. S., Bad Rappenau, Schluchtern, Stebbach, Waibstadt, Wollenberg)
  • Landkreis Tauberbischofsheim 94 Personen aus 10 Orten (Tauberbischofsheim, Dertingen, Freudenberg, Grünsfeld, Impfingen, Königheim, Külsheim, Messelhausen, Wenkheim, Wertheim)
  • Landkreis Villingen 14 Personen aus 2 Orten (Villingen, Triberg)
  • Landkreis Wolfach 4 Personenaus 2 Orten (Haslach, Nordrach)


Da bei folgenden Städten. bzw. Landkreisen bei der Erstellung der zugrundeliegenden Liste keine Namenslisten vorlagen, ergeben sich Abweichungen von der Gesamtzahl der 5.603 gemeldeten Deportierten: Städte Mannheim und Karlsruhe; Landkreise Freiburg, Emmendingen, Mosbach und Müllheim.

Im Internierungs- bzw. Konzentrationslager Gurs

Das Internierungslager war auf die neu ankommenden etwa 6.000 Deportierten völlig unvorbereitet. Durch die schlechte Versorgungssituation, die katastrophalen hygienischen Zustände, Regen und Kälte starben viele Gefangene bald nach ihrer Ankunft in Gurs. Zum Teil erfolgte eine Verteilung auf benachbarte frz. Lager (KZ Noé, Le Vernet, Les Milles, Rivesaltes, Récébédou-Haute-Garonne).[2]

Einigen wenigen gelang ab 1941 über internationale Hilfsorganisationen und persönliche Kontakte die Emigration in sichere Drittländer.

Ab August 1942 wurden die 3.907 „Badener“, die dann noch lebten, auf Anforderung von Dannecker (Eichmanns Beauftragtem) über das Sammellager Drancy bei Paris in die deutschen Vernichtungslager, die meisten in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, verschleppt und dort ermordet. Damit war den Nationalsozialisten in einem Reichsland innerhalb von zwei Jahren faktisch die „Endlösung der Judenfrage“ gelungen.

Mahnmal für deportierte Juden aus Baden, Neckarzimmern

In Neckarzimmern entsteht dank einer Initiative auch ein Mahnmal für deportierte Juden aus Baden: Am 24. Oktober 2005 wurde im ehemaligen Arbeitslager, jetzt eine evang. Jugendfreizeitstätte, die Fundamentplatte und erste Gedenksteine eingeweiht. Es handelt sich um einen großen, im Boden verlegten Davidstern, auf den einzelne Mahnsteine jeweils für die Opfer aus einem Ort aufgesetzt sind. Die Bodenskulptur des Davidsternes ist für 137 badische Deportationsorte angelegt, 60 Steine sind bisher fertiggestellt, sie kommen u. a. aus: Adelsheim, Breisach, Eichstetten, Ihringen, Haslach im Kinzigtal, Karlsruhe-Grötzingen, Lörrach-Kirchen, Kleineicholzheim, Kuppenheim, Messelhausen, Neckarzimmern, Oberderdingen-Flehingen, Offenburg und Schriesheim (Stand: Okt. 2007).

An diesem Ort fanden inzwischen auch mehrfach Begegnungen der Angehörigen von Opfern und der Initiative statt.

Siehe auch

  • Deportationszüge aus Frankreich
  • Shoa-Gedenkstätte, Mémorial de la Shoah, Paris
  • In Mannheim erinnert ein Wegweiser auf dem Bahnhofsvorplatz und das Mahnmal „Glaskubus“ mit allen Namen an die Deportation und folgende Ermordung dieser Einwohner der Stadt durch die Nationalsozialisten
  • In Freiburg erinnert eine Gedenktafel auf dem Annaplatz an die Deportation [3].

Einzelnachweise

  1. Nach Gottwaldt war dazu extra Eichmann nach Chalon-sur-Saône angereist, um den frz. Behörden gegenüber falsche Angaben zu machen. In den Folgetagen kam es deshalb zu einem für diese Deportierten wirkungslosen Protest bei der Waffenstillstandskommission. Gottwaldt, Schulle: Die Judendeportationen..., S. 42 u. 43.
  2. Gottwaldt, Schulle: Die Judendeportationen..., S. 43.
  3. freiburg-schwarzwald.de: Gedenktafel am Annaplatz

Literatur

  • Anonym: Die Stadt ohne Männer. Im Sammellager von 18.000 Frauen; in: Basler Nachrichten, 22. Juli 1940.
  • Archivdirektion Stuttgart (Hrsg.): Die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Baden-Württemberg 1933-1945, Stuttgart 1968
  • Archivdirektion Stuttgart (Hrsg.): Dokumente über die Verfolgung der jüdischen Bürger in Baden-Württemberg durch das nationalsozialistische Regime 1933-1945, Stuttgart 1966, 2 Bände
  • Alfred Gottwaldt, Diana Schulle: Die "Judendeportationen" aus dem Deutschen Reich, 1941-1945: eine kommentierte Chronologie. Wiesbaden, 2005. ISBN 3-86539-059-5
  • Gabriele Mittag: Es gibt Verdammte nur in Gurs. Literatur, Kultur und Alltag in einem südfranzösischen Internierungslager. 1940-1942. Tübingen: Attempto Verlag 1996. ISBN 3-89308-233-6.
  • Claude Laharie: Le camp de Gurs, 1939-1945, un aspect méconnu de l´histoire de Vichy. Biarritz: 1993. Societé Atlantique d´Ímpression. ISBN 2-84-127000-9
  • Max Lingner: Gurs. Bericht und Aufruf. Zeichnungen aus einem französischen Internierungslager. Berlin, Dietz Verlag 1982 ISBN 3-87-682757-4
  • Hanna Schramm: Menschen in Gurs. Erinnerungen an ein franz. Internierungslager (1940-41) Mit einem dok. Beitrag zur frz. Emigrantenpolitik von Barbara Vormeier. Georg Heintz, Worms, 1977. ISBN 392133313x (Im Buch schildert die Augenzeugin Schramm, in welchem Zustand die Deportierten ankamen und wie sich die Verhältnisse durch die Überfüllung änderten) Namensverzeichnis S. 151 ff. - Anders als der Untertitel angibt, handeln weitere kurze Berichte auch von Deportationen aus Gurs nach Drancy und nach Auschwitz zur Vernichtung, bis zum November 1942)
  • Gerhard J. Teschner: Die Deportation der badischen und saarpfälzischen Juden am 22. Oktober 1940. Vorgeschichte und Durchführung der Deportation und das weitere Schicksal der Deportierten bis zum Kriegsende im Kontext der deutschen und französischen Judenpolitik. Peter Lang, Frankfurt 2002, 364 S., Rezension von Kurt Schilde, F. bauer-Institut, dazu.
  • Toury, Jacob: Die Entstehungsgeschichte des Austreibungsbefehls gegen die Juden der Saarpfalz und Badens (22./23. Oktober 1940 - Camps de Gurs), in: Walter Grab (Hg.): Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte, Band 15, Tel-Aviv, Universität Tel-Aviv 1986, S. 431-464.
  • Richard Zahlten: Dr. Johanna Geissmar: Von Mannheim nach Heidelberg und über den Schwarzwald durch Gurs nach Auschwitz-Birkenau. 1877-1942. Einer jüdischen Ärztin 60 Jahre danach zum Gedenken. Hartung-Gorre Verlag 2001. 68 S. ISBN 3896496611
| Literaturangaben sortiert nach Orten der Vertreibung| (ausführliche Liste bei mahnmal-projekt.de)

Weblinks


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