C.H. Becker

C.H. Becker
Carl Heinrich Becker, 1925
Berliner Gedenktafel am Haus Arno-Holz-Straße 6, in Berlin-Steglitz

Carl Heinrich Becker, (* 12. April 1876 in Amsterdam; † 10. Februar 1933 in Berlin) war ein deutscher Orientalist und Politiker, sowie 1921 und 1925-1930 preußischer Kultusminister (parteilos). Er gilt als Mitbegründer der modernen, gegenwartsbezogenen Orientalistik und zugleich als bedeutender Hochschulreformer der Weimarer Republik.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Becker entstammte einer alten hessischen Kaufmanns- und Akademikerfamilie und studierte ab 1895 in Lausanne, Heidelberg und Berlin Arabistik und Religionswissenschaft (Promotion 1899). Nach Forschungsreisen in den Nahen Osten und seiner 1902 fertiggestellten Habilitationsschrift Beiträge zur Geschichte Ägyptens unter dem Islam wurde er 1908 auf den neugeschaffenen Lehrstuhl für Geschichte und Kultur des Vorderen Orients am Hamburger Kolonialinstitut (einer Vorgängerinstitution der Universität Hamburg) berufen. Dort profilierte er sich in den folgenden Jahren – unter anderem durch die Gründung der Zeitschrift Der Islam – als Wegbereiter einer modernen Orientkunde, die sprach- und religionswissenschaftliche, historische und soziologische Aspekte miteinander verband. Zugleich beteiligte er sich an den Universitätsgründungsplänen des Hamburger Kultursenators Werner von Melle und plädierte schon damals für die Schaffung einer zeitgemäßen Organisation der Studentenschaft, die das überkommene Verbindungswesen überwinden sollte.

Beckers Ruf als Orientalist und engagierter Hochschulreformer trugen maßgeblich dazu bei, dass er auf Betreiben des Ministerialdirektors im preußischen Kultusministerium, Friedrich Schmidt-Ott, 1913 erst nach Bonn und 1916 schließlich an die Berliner Universität berufen wurde. Im gleichen Jahr wurde er Referent im preußischen Kultusministerium, für das er zunächst eine Denkschrift über den künftigen Ausbau der Auslandsstudien an den preußischen Universitäten verfasste. Darin setzte er sich – mitten im Ersten Weltkrieg – für eine bessere Kenntnis der Kultur anderer Länder zur Vermeidung künftiger Konflikte ein.

Nach der Novemberrevolution wurde Becker vom neuen Kultusminister Konrad Haenisch (SPD) im April 1919 zum Unterstaatssekretär ernannt und prägte in der Folgezeit die preußische Hochschulpolitik entscheidend mit. 1921 bereits für einige Monate Minister im Kabinett Adam Stegerwalds, blieb Becker auch danach als Staatssekretär unter dem Minister Otto Boelitz (DVP) tätig, bevor er schließlich 1925 unter Ministerpräsident Otto Braun (SPD) erneut zum Kultusminister ernannt wurde und dieses Amt dann ohne Unterbrechung bis 1930 bekleidete. Als parteiloser Minister geriet Becker dabei zunehmend ins Schussfeld der verschiedenen Landtagsfraktionen und trat schließlich enttäuscht zurück. Sein Nachfolger Adolf Grimme setzte Beckers Reformpolitik aber im Wesentlichen bis zum Machtantritt der Nationalsozialisten fort.

Hochschulreformerisches Wirken

„Kernpunkt aller akademischen Reform“ war nach Beckers Ansicht eine umfassende Demokratisierung der Hochschulverfassung, insbesondere durch die weitgehende Gleichstellung der Extraordinarien und Privatdozenten mit den bisher allein bestimmenden Ordinarien sowie durch eine maßvolle Beteiligung der Studenten an der Hochschulselbstverwaltung. Letzteres sah er auch als wichtigen Schritt zur Heranbildung verantwortungsbewusster Staatsbürger an und schuf daher zusammen mit Otto Benecke, dem ersten Vorsitzenden der 1919 gegründeten Deutschen Studentenschaft, die rechtlichen Grundlagen der heutigen studentischen Selbstverwaltung (Verordnung über die Bildung von Studentenschaften vom 18. September 1920).

Neben der organisatorischen bemühte sich Becker auch um eine pädagogische Reform der Universitäten, die sich seiner Ansicht nach nicht nur als „Forscher-“ und „Berufsschulen“, sondern auch als „Staatsbürgerschulen“ begreifen sollten. Insbesondere suchte er die schon damals beklagte disziplinäre Spezialisierung durch eine Stärkung der „Synthesewissenschaften“ Soziologie, Zeitgeschichte, Politikwissenschaft einschließlich der von ihm geförderten Auslandsstudien zu kompensieren und zeigte sich auch Ideen zu einem „humanistischen“ Grundstudium für alle Studierenden gegenüber aufgeschlossen. Dem gleichen Ziel eines einheitlichen Bildungssystems entsprang auch die unter seiner Leitung realisierte Akademisierung der Volksschullehrerausbildung durch die ab 1925 gegründeten Pädagogischen Akademien.

Großen Anteil hatte Becker ferner an der Gründung der Deutschen Hochschule für Politik 1920 und der Deutschen Dichterakademie 1926.

Werke (Auswahl)

  • Gedanken zur Hochschulreform, Leipzig 1919
  • Kulturpolitische Aufgaben des Reiches, Leipzig 1919
  • Vom Wesen der deutschen Universität, Leipzig 1924
  • Die Pädagogische Akademie im Aufbau unseres nationalen Bildungswesens, Leipzig 1926
  • Islamstudien. Vom Werden und Wesen der islamischen Welt, 2 Bde. Leipzig 1924 und 1932
  • Internationale Wissenschaft und nationale Bildung. Ausgewählte Schriften, hrsg. von Guido Müller, Köln 1997, ISBN 3-412-18296-6.

Literatur (Auswahl)

  • Guido Müller: Weltpolitische Bildung und akademische Reform. C. H. Beckers Wissenschafts- und Hochschulpolitik 1908-1930, Köln 1991, ISBN 3-412-02691-3.
  • Kurt Düwell: Carl Heinrich Becker, in: K. Jeserich / H. Neuhaus (Hrsg.): Persönlichkeiten der Verwaltung, Stuttgart 1991, S. 350-354.
  • Kurt Düwell: Staat und Wissenschaft in der Weimarer Epoche. Zur Kulturpolitik des Ministers C. H. Becker, in: HZ Beiheft NF 1 (1971), S. 31-74.
  • Alexander Haridi: Das Paradigma der „islamischen Zivilisation“ - oder die Begründung der deutschen Islamwissenschaft durch Carl Heinrich Becker (1876 - 1933). Eine wissenschaftsgeschichtliche Untersuchung, Würzburg 2005, ISBN 3-89913-445-1.
  • G. Morrone, Incontro di civiltà. L'Islamwissenschaft di Carl Heinrich Becker, Napoli 2006, ISBN 978-88-207-3999-7

Weblinks


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