Fuit in provincia Boemorum

Fuit in provincia Boemorum

Fuit in provincia Boemorum (auch kurz Fuit genannt), im Tschechischen auch Utrpení Ludmily mučednice ("Die Leiden der Märtyrin Ludmilla "), ist eine mittelalterliche Legende über die Heilige Ludmilla.

Die Legende ist nach ihrem Anfangssatz (Fuit in provincia Boemorum = Es war einmal im Land der Böhmen) benannt. Sie schildert in einem knappen und einfachen Latein in zehn kurzen Kapiteln Ludmillas vita et passio (Leben und Tod): die Heirat der slawischen Fürstentochter mit dem böhmischen Herzog Bořivoj, den Übertritt beider zum christlichen Glauben, die Herrschaft von Bořivoj und seinen Söhnen Spytihněv und Vratislav und den Konflikt Ludmillas mit ihrer Schwiegertochter Drahomíra. Dieser endete mit Ludmillas Flucht in die Burg Tetín und ihrer Ermordung durch Drahomíras Gefolgsleute Tunna und Gommon. Eine Fortsetzung erzählt in weiteren vier Kapiteln die translatio (Übertragung), nämlich wie Ludmillas Enkel Wenzel die Gebeine seiner Großmutter übertragen ließ und welche Wunder sich an ihrem Grab ereigneten.

Der Text wurde unter Verwendung der Vita Emmerams geschrieben, die wohl von Mönchen des Regensburger Emmeram-Klosters nach Prag mitgebracht worden war. Er ist in dreißig Handschriften überliefert, deren älteste aus dem 12. Jahrhundert stammen, jedoch hat keiner der Schreiber die komplette Fassung aufgezeichnet. Die Rekonstruktion eines 14 Kapitel umfassenden „Urtextes“ nahm in den 1930er Jahren der Historiker Václav Chaloupecký vor. Dessen Edition ist heute noch maßgeblich, nicht aber die Zusammenstellung. Die vier Kapitel der Übertragungslegende werden unter der Bezeichnung Recordatus auch als separater Text behandelt. Sie sollen wesentlich später als der Textanfang entstanden sein. Die Datierung beider Teile schwankt von der Mitte des 10. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts und hängt wesentlich von der Beziehung der Legende Fuit zur sogenannten Christianslegende und zu einem altkirchenslawischen Synaxar-Text ab, der wohl im Kloster Sázava entstand. Nach Ansicht des Historikers Dušan Třeštík entstand die lateinische „Ludmilla-Urlegende“ vermutlich bereits um 975 am Kloster St. Georg in Prag, um den Kult der Hausheiligen zu fördern. Dieser verlorene Text sei die Quelle für die Legende Fuit, für Christian und auch für die Übersetzung ins Altkirchenslawische. Es gibt jedoch auch andere Hypothesen für den Zusammenhang der drei Texte.

Inhaltlich hat die Legende Fuit einige Details, die in der übrigen Überlieferung fehlen. Sie bestätigt und ergänzt die Angaben zur Taufe des ersten christlichen böhmischen Fürsten Bořivoj und die politischen Konflikte, die den Glaubenswechsel und den Aufstieg der Přemysliden-Dynastie in Böhmen zu Beginn des 10. Jahrhunderts begleiteten. Daher wird ihr ein hoher Wert als historische Quelle beigemessen.

Literatur

  • Dušan Třeštík: Počátky Přemyslovců. Nakladatelství lidové noviny, 1998, ISBN 80-7106-138-7.
  • Václav Chaloupecký: Prameny 10. století Legendy Kristiánovy o sv. Václavu a sv. Ludmile. Prag 1939.

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