Carolyne Fürstin zu Sayn-Wittgenstein

Carolyne Fürstin zu Sayn-Wittgenstein
Carolyne zu Sayn-Wittgenstein. Daguerreotypie um 1847

Carolyne (auch Caroline) Elisabeth Fürstin zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg-Ludwigsburg, geb. von Iwanowska (* 7. Februar 1819 in Monasterzyska bei Kiew; † 10. März 1887 in Rom) war die Lebensgefährtin Franz Liszts.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herkunft

Carolyne zu Sayn-Wittgenstein mit ihrer Tochter Marie. Um 1840

Carolyne von Iwanowska wurde als Tochter von Peter von Iwanoski und der Pauline, geb. von Podoska in eine wohlhabende alte polnische Adelsfamilie hineingeboren. Noch während ihrer Kindheit trennten sich die Eltern. Carolyne selber, die fest im katholischen Glauben aufwuchs, war ein phantasievolles und eigensinniges Kind, das viel las und früh feste Standpunkte vertrat; zwölf Gouvernanten versuchten sich nacheinander vergeblich an ihrer Erziehung.

Auf Wunsch ihres Vaters heiratete sie 1836 Prinz Nikolaus zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg-Ludwigsburg (1812-1864), Sohn des in russischen Diensten stehenden Generalfeldmarschalls Ludwig Adolf Peter zu Sayn-Wittgenstein (1769-1843), der als Adjutant des kaiserlich-russischen Gouverneurs in Kiew diente. Ein Jahr darauf kam er auf ihr Bitten um seinen Abschied ein, und sie zogen ins ländliche Woronice in der südlichen Ukraine, wo Caroylne Güter aus ihrer Mitgift besaß. Hier widmete sie sich fast ausschließlich ihren intellektuellen und spirituellen Interessen, studierte Literatur und Philosophie, kümmerte sich aber ebenso um die Bewirtschaftung ihrer Besitzungen.

Die Ehe zwischen ihr und Prinz, nachmals Fürst Wittgenstein war nicht glücklich; sowohl aus emotionalen Gründen, als auch, weil Carolynes stark entwickelte Intellektualität und ihre musischen Neigungen ihren Gatten wenig ansprachen. Zudem konnte die ländliche Abgeschiedenheit ihren gesellschaftlichen Anspruch nicht dauerhaft befriedigen.

An der Seite Liszts

Franz Liszt im Jahr 1858. Fotografie von Franz Hanfstaengl
Fürstin Carolyne im Alter. 1876

1847 lernt Fürstin Carolyne bei einem Benefizkonzert in Kiew Franz Liszt kennen. Indem sie Liszt, für dessen Musik sie sich sofort begeistert, ihre gesellschaftliche und materielle Unterstützung für sein Projekt, die Göttliche Komödie als Musiktheater zu inszenieren, zusagt, kommen beide einander näher. Nachdem Liszt zweimal auf Gut Woronice zu Besuch gewesen ist, verlässt Carolyne, die sich vorher durch einen Grundstücksverkauf eine Million Rubel beschafft hatte, im April 1848 mit ihrer kleinen Tochter fluchtartig Russland und trifft bald darauf, auf dem Landsitz des Fürsten Felix Lichnowsky, wieder mit Liszt zusammen, den sie mittlerweile glühend liebt.

Liszt, dessen Beziehung zu George Sand eben zurückliegt, erwidert ihre Gefühle, und beide ziehen ins großherzogliche Weimar, wo Liszt soeben zum Kapellmeister berufen worden war. Dreizehn Jahre lang leben sie zurückgezogen in der Weimarer Altenburg - eine Zeit, in der Carolyne Liszt in jeder Hinsicht zur Seite steht und unterstützt. Historiker streiten sich über die Reichweite ihres Einflusses; unter anderem wurde spekuliert, dass Liszts Chopin-Biographie in Wahrheit von der Fürstin stammt. Fest steht, dass sie Liszt zu zahlreichen Kompositionen inspirierte und auch seiner Lebensführung eine neue Richtung gab. Liszt, vormals jahrelang auf Tourneen, in zahlreiche Liebesabenteuer verstrickt und mehr magierhafter Virtuose als fleißiger Komponist, wandelt sich unter ihrem Einfluss zum gewissenhaften Arbeiter mit klaren geistigen und emotionalen Zielen. Sonntägliche Matineen mit befreundeten Künstlern werden ebenfalls von Carolyne initiiert: hier musizieren sie gemeinsam mit Richard Wagner und Hector Berlioz, den eine besondere Freundschaft mit Carolyne verbindet; unter anderem widmet er der Fürstin seine Oper Les Troyens.

Doch obwohl protegiert von der kunstsinnigen und europaweit einflussreichen Großherzogin-Witwe Maria Pawlowna, haben Liszt und Carolyne wegen ihrer "wilden Ehe", die zudem unstandesgemäß ist, gesellschaftlich einen schweren Stand; so drängen beide auf eine baldige Heirat. Einer Scheidung verweigert Fürst Nikolaus, in Russland zurückgeblieben, aus finanziellen Bedenken vorerst seine Zustimmung; doch 1855 kommt es zu einer gütlichen Einigung, in deren Folge die beiden sowohl nach protestantischem als auch nach russisch-orthodoxem Recht geschieden wurden. Fürst Nikolaus verheiratet sich bereits 1857 neu, während die gemeinsame, bei der Mutter aufgewachsene Tochter Marie 1859 selber den Prinzen Konstantin Hohenlohe, nachmals Erster Obersthofmeister am österreichischen Kaiserhof in Wien, in Weimar heiratet.

Doch um endlich heiraten zu können, bedurften Liszt und Carolyne, beide gläubige Katholiken, zusätzlich noch der Annullierung ihrer ersten Ehe durch den Papst. So begibt sich Carolyne im Mai 1860 selber nach Rom, wo sie am 24. September des gleichen Jahres die Annullierung auch erreicht. Sofort plant sie den nächsten Schritt und organisiert die Trauung mit Liszt, die für dessen fünfzigsten Geburtstag, am 22. Oktober 1861, in der Kirche San Carlo al Corso angesetzt wird. Doch im letzten Augenblick - Liszt war erst im Herbst 1861 aus Weimar nach Rom angereist - erwirken missgünstige Verwandte der Fürstin bei Papst Pius IX. eine Revision seines Entscheids; das Heiratsprojekt ist gescheitert.

Dieses Scheitern wirkte sich rasch auch auf die Beziehung der beiden aus. Während Carolyne sich immer mehr mit spirituellen Fragen zu beschäftigen beginnt, reift in Liszt der Entschluss heran, der ihn 1865 dazu führt, die niederen Weihen zu empfangen. Obwohl seine Ordination kein Keuschheitsgelübde einschließt, haben sich die beiden auseinandergelebt. Carolyne verbringt den Rest ihres Lebens mit theologischen Untersuchungen und geistlichen Übungen in ihrem Domizil in der Via Babuino in Rom, wo auch die meisten ihrer nachgelassenen Schriften entstehen. Dort stirbt sie 1887, nachdem sie mit Liszt bis zu dessen Tod 1886 in brieflichem Kontakt gestanden hatte.

Werke

Carolyne zu Sayn-Wittgenstein betätigte sich auch schriftstellerisch, ließ ihre Werke aber, obgleich privat gedruckt, nicht veröffentlichen. Als ihr Hauptwerk gilt:

  • Des causes intérieures de la faiblesse extérieure de l'Église, 24 Bde.

Das Buch wurde nach Bekanntwerden auf den Index Librorum Prohibitorum gesetzt.[1]

Nur ein Buch bestimmte sie zur Veröffentlichung:

  • La vie chretienne au milieu du monde et en notre siecle. Entretiens pratiques recueillis et publies par Henri Lasserre, Paris 1895 (frz.).

Familie

Carolyne von Iwanowska heiratete 1836 Prinz Nikolaus zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg-Ludwigsburg. Die Ehe wurde 1855 geschieden. Sie hatten eine Tochter:

Quellen

  • Francesco Barberio, Liszt e la Principessa de Sayn-Wittgenstein, Rom: Unione Editrice 1912.
  • Hector Berlioz, Lettres à la princesse, Paris: L'Herne 2001 (Korrespondenz mit der Fürstin Sayn-Wittgenstein, frz.).
    • Briefe von Hector Berlioz an die Fürstin Caroline Sayn-Wittgenstein (hrsg. v. La Mara), Leipzig: Breitkopf & Härtel 1903.
    • Ideale Freundschaft und romantische Liebe. Briefe an die Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein und Frau Estelle Fornier (hrsg. v. La Mara; = Literarische Werke, Bd. 5), a.d. Frz. v. Gertrud Savić, Leipzig: Breitkopf & Härtel 1903.
  • Marcel Herwegh, Au Soir des dieux ; Des derniers reflets Wagneriens à la mort de Liszt , Paris: Peyronnet 1933.
  • La Mara (i.e. Marie Lipsius, Hrsg.), Franz Liszt's Briefe an die Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein, Leipzig:Breitkopf & Härtel 1899 (frz.).
  • dies., Aus der Glanzzeit der Weimarer Altenburg. Bilder und Briefe aus dem Leben dem Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein, Leipzig: Breitkopf & Härtel 1906.
  • dies., An der Schwelle des Jenseits. Letzte Erinnerungen an die Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein, die Freundin Liszts, Leipzig: Breitkopf & Härtel 1925.
  • Émile Ollivier, Correspondance. Emile Ollivier et Carolyne de Sayn-Wittgenstein, Paris: Presse univérsitaire 1984.
  • Sammlung von Handzeichnungen aus dem Besitze der Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein (1819-1889), München: Emil Hirsch, Antiquariat, 1922.
  • Adelheid von Schorn (Hrsg.), Zwei Menschenalter. Erinnerungen und Briefe, Berlin: S. Fischer 1901.

Literatur

  • Adelheid von Schorn, Franz Liszt et la Pcesse de Sayn-Wittgenstein, Paris: Dujarrin 1905 (Neuausgabe Boston: Adamant Media 2003; frz.).
  • La Mara (i.e. Marie Lipsius), Carolyne Fürstin Sayn-Wittgenstein, in: Liszt und die Frauen, Leipzig 1911, S. 180-198.
  • Lina Ramann, Franz Liszt als Künstler und Mensch, 3 Bände in 5 Büchern, Leipzig 1880-94.
  • Astrid Stempnik, Franz Liszt oder Carolyne von Sayn-Wittgenstein. Zur umsrittenen Autorschaft der Chopin-Biographie, Berlin 1978 (zugl. Mag.-Arbeit, FU Berlin 1979).
  • Alan Walker, Franz Liszt, London: Faber & Faber 1971 (Neuausgabe Ithaca: Cornell University Press 1987).
  • ders., Gabriele Erasmi, Liszt, Carolyne, and the Vatican. The Story of a Thwarted Marriage, Stuyvesant/New York: Pendragon 1991.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Index librorum prohibitorum von 1948.

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