HJ-Marinehelfer

HJ-Marinehelfer
Angetretene HJ-Marinehelfer neben Karl Dönitz und Artur Axmann
HJ-Marinehelfer beim Besuch von U-Bootkämpfern
Alarmsirene bei Luftangriffen und Feuerwehralarmen

Die HJ-Marinehelfer waren minderjährige Hilfskräfte der Kriegsmarine beim aktiven Waffendienst im Zweiten Weltkrieg. Die spezifische Organisationsform entstand aus den zuvor gegründeten Einheiten der HJ-Luftwaffenhelfer, den sogenannten Flakhelfern. Diese Einheiten waren trotz gemeinsamen Ursprungs nicht der Luftwaffe unterstellt. Das betraf nicht nur die Ausbildungs- und Schulungszeiten während des angeordneten Zwangsdienstes an der Waffe, sondern bezog vielmehr auch eine breit gefächerte Aufgabenerfüllung zur Bekämpfung von Seezielen ein. Marinehelfer unterstanden alleiniger Befehlsgewalt der Kriegsmarine. Im Gegensatz zu den Luftwaffenhelfern, die entsprechend den Standorten ihrer jeweiligen Flakbatterien ausschließlich im Reichsgebiet zum Einsatz kamen, umfasste das Operationsgebiet der Marinehelfer nahezu die gesamte Küstenregion des Deutschen Reiches sowie der okkupierten Gebiete, mit insgesamt fast 3000 Kilometer Länge.[1] Zu Kriegsende wurden Marinehelfer auch im Kampfeinsatz gegen alliierte Bodentruppen eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Rechtliche Grundlagen und Entstehungsgeschichte der Marinehelfer

Parallel zu den HJ-Luftwaffenhelfern war die rechtliche Grundlage die Notdienstverordnung des Deutschen Reiches vom 15. Oktober 1938, wobei in dieser die Marinehelfer nicht explizit erwähnt worden waren. Die zunehmende Länge des Krieges und insbesondere die hohen Verluste deutscher Soldaten an der Ostfront, die im Winter 1942 bis dahin die größten Ausfälle mit sich gebracht hatten, zwangen die deutsche Heeresführung ein neues Reservoir an „Menschenmaterial“ zu erschließen. Zwar hatte man mit der Heranziehung und Aufstellung von Soldaten verbündeter Staaten einen gewissen Zuwachs an der Heeresstärke gewonnen, jedoch konnte dies auf Dauer nicht befriedigen. So lenkte sich das Augenmerk der Heeresführung schließlich auf die zehntausenden halbwüchsigen Schüler an deutschen Schulen und Gymnasien. Die Geburtsstunde der „Flakhelfer“ geht dabei auf die Jahresmitte 1942 zurück.[2] Die aufgestellten Flakhelfer wurden aber zunächst ausschließlich nur der Luftwaffe zugeteilt. Diesen Missstand kreidete Erich Raeder aber bald schon massiv an. Hermann Göring weigerte sich jedoch kategorisch, „seine“ Luftwaffenhelfer anderen Wehrmachtsteilen zur Verfügung zu stellen, so dass der Chef des Oberkommando der Wehrmacht Wilhelm Keitel eine eigens angesetzte Konferenz am 14. Dezember 1942 einberief. Im Verlaufe dieser Konferenz ließ Göring durch den Chef der Luftverteidigung verlautbaren, dass er das Problem noch einmal „überdacht“ hätte und nun zu Zugeständnissen hinsichtlich einer Marineflak bereit wäre. Raeder selbst war mit der mündlichen Zusage Görings nicht zufrieden und verlangte den zuvor eigens geschaffenen „Erlass für die Flakhelfer der Luftwaffe“ juristisch in dessen Wortlaut ändern zu lassen. So sollte das Wort „Luftwaffe“ in der Überschrift und im § 1 des Erlasses gestrichen und ergänzt werden durch das Wort: „Wehrmacht“. Ebenso erfuhr der § 5 des Erlasses eine grundlegende Änderung zugunsten der Marine. Der Protest Raeders und die Änderung des Wortlautes brachten jedoch keinen durchschlagenden Erfolg in der Praxis, so dass Raeder nichts anderes übrig blieb, als das Thema auszuweiten und nunmehr auf die Nachwuchsfrage der Marine allgemein zu lenken. Schließlich schritt Hitler ein und gab Raeders Drängen während eines Vortrags im Führerhauptquartier am 22. Dezember 1942 nach. Dies war die Geburtsstunde der Marinehelfer.

Kompromissschließung

Trotz der erzielten Übereinkunft zeigten sich alsbald die Schwierigkeiten, die sich hinsichtlich der Marinehelfer für die Kriegsmarine ergaben. So wollte man auf der einen Seite unbedingt von dem freigemachten „Menschenmaterial“ profitieren, was man ja auch erreicht hatte. Auf der anderen Seite jedoch hatte der Abzug der Jugendlichen zur Marineflak zukünftige weiterreichende Konsequenzen und zwar in der Hinsicht, als das die frühzeitige Rekrutierung von Marinesoldaten für die Flotte drastische Einbrüche erfahren sollte. Gleiches galt für den Offiziersnachwuchs für die U-Boot-Flotte um den Befehlshaber der U-Boote Großadmiral Karl Dönitz. Einerseits war zwar die Zuführung von Helfern erreicht worden, andererseits hatte man jedoch ein noch größeres Problem hinsichtlich des Nachwuchses für die Kriegsmarine geschaffen. So mangelte es der Marine bis zum Kriegsende, entweder am eigenen Nachwuchs oder an genügend Helfern.[3]

Entstehung des Zusatzes „HJ“

Am 20. Oktober 1942 teilte ein Vertreter des Reichsluftfahrtministeriums in einer Dienstbesprechung mit, dass man beabsichtige, die Jahrgänge 1926 und 1927 der Höheren- und Mittleren Schulen zum Hilfseinsatz bei der Luftwaffe heranzuziehen, wobei für diese Zeit der Schulunterricht ruhen solle. Daraufhin protestierte jedoch der Erziehungsminister energisch und forderte eine Art „Dualität“ zu schaffen. So sollten die Schüler neben ihrem Dienst an der Flak auch noch einen modifizierten und abgespeckten Unterricht besuchen können. In dem darauf folgenden Briefgeplänkel fiel dann zum ersten Mal das Wort: Flakhelfer. Erst später einigte man sich schließlich auf den Begriff: Luftwaffen- bzw. Marinehelfer. Doch damit der Streitigkeiten nicht genug. Nun schaltete sich in die Debatte um die korrekte Bezeichnung dieser neuen Einheiten der Reichsjugendführer Artur Axmann ein und verlangte den Zusatz HJ für diese Einheiten, da alle Jungen und Mädchen im Alter vom zehn bis achtzehn Jahren seiner Reichsjugend angehörten. Am 8. September 1943 einigte man sich schließlich, nach erneutem Drängen Axmanns, auf den Zusatz:

  • HJ-Luftwaffenflakhelfer und
  • HJ-Marineflakhelfer.[4]

Es ist erwähnenswert, dass trotz des Erfolges der Kriegsmarine hinsichtlich der Verteilung der Flakhelfer, das Heer ebenfalls als Truppengattung der Wehrmacht keine eigenen „Heeres-Flakhelfer“ bis zum Kriegsende in seinen Reihen hatte. Ebenso gab es neben den abgestellten Flakhelfern der Luftwaffe noch eine dritte „Sonderform“ der Flakverteidigung, die sogenannte Heimatflakartillerie, die aus den Belegschaften besonders wichtiger Rüstungsunternehmen gegründet worden war. Als Beispiele seien hier die Leunawerke, die Bayerischen Motorwerke, die Porsche-Werke und die Thyssen-Krupp-Werke zu nennen.

Tragen der Hakenkreuzarmbinde

Nebeneffekt des von Axmann geforderten und durchgesetzten Zusatzes war, dass alle HJ-Flakhelfer, egal ob Marine oder Luftwaffe, ihre HJ-Armbinde weitertragen mussten, obwohl der Dienst an der Waffe nichts mehr mit der Hitlerjugend zu tun hatte. Zudem nahm der Dienst an der Flak soviel Zeit in Anspruch, dass der HJ-Dienst (Fahnenappelle usw.) nur noch spärlich erfolgen konnte, weil die verantwortlichen HJ-Führer (und die verantwortlichen Dienststellen) zwar sollten, aber nicht mehr wollten und so den HJ-Dienst quasi „boykottierten“. Die zur Flak Eingezogenen empfanden es alsbald auch als Zumutung, noch weiterhin die HJ-Armbinde tragen zu müssen, da sie ja nun als „Soldaten“ behandelt wurden. Ein Großteil der Betroffenen legte diese Binden nicht mehr an, wenn sie das Haus verließen, oder nahm diese bei der nächsten Straßenecke klammheimlich ab. Dies war jedoch unter Strafe verboten. Derartige Verstöße wurden von übereifrigen HJ-Pimpfen des HJ-Streifendienstes, die auch um einige Jahre jünger waren als die Flakhelfer, mit Genugtuung an den nächsten Vorgesetzten gemeldet. Die Reichsjugendführung sah sich aus diesem und anderen Gründen, unter anderem wegen des schlampig ausgeführten oder verweigerten Hitlergrußes veranlasst, wegen dieser Nichtigkeit einzuschreiten. Daher wurde in einer schriftlichen Anweisung festgelegt, dass die HJ-Armbinden für alle Flakhelfer zu tragen seien, wohl aber mit der Ausnahme, dass diese abgelegt werden können, wenn die Armbinden durch mögliche Verschmutzung bei der Flakbedienung „unansehnlich“ werden könnten.

Einteilung, Rekrutierungszahlen und Aufgaben der Marinehelfer

Einteilung

Die damaligen aufgestellten Einheiten der Marinehelfer lassen sich grob in zwei große Gruppen einteilen. Zum einen in die Gruppen der mit der ersten Rekrutierungswelle Betroffenen der Jahrgänge 1926 und 1927. Diese verbrachten quasi ihre gesamte Einsatzzeit von 13 Monaten als Helfer bei der Flak, gingen anschließend regulär zum Reichsarbeitsdienst und stießen danach als Soldaten zur Wehrmacht. Auf der anderen Seite gab es dann Gruppen ab dem Jahrgang 1928, die ihren Dienst als Flakhelfer antreten mussten. Diese verbrachten ihre gesamte Einsatzzeit bis Kriegsende bei der Flak und wurden in den letzten Kriegstagen mancherorts noch zu regulären Artilleriesoldaten (siehe auch Unterpunkt Völkerrechtsbehandlung der Flakhelfer) ernannt.

Rekrutierungszahlen

Für das Jahr 1943 sprach der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Bernhard Rust von rund 90.000 Jugendlichen, die für den Dienst als Flakhelfer in Betracht kommen würden. Wie viele davon tatsächlich als Marinehelfer dienten, ist nicht feststellbar. Das Jahr 1944 brachte dann noch einmal rund 58.000 Jugendliche. Für die Monate Januar bis Mai 1945 lagen keine Zahlen mehr vor, da Ende September 1944 die Aufstellung des Volkssturmes beschlossen wurde und somit alle bis dahin nicht erfassten Jugendlichen von dieser Regelung betroffen waren. Vorsichtige Schätzungen gehen heute davon aus, dass seit ihrem ersten Einsatz im Februar 1943 bis Kriegsende ca. 200.000 Luftwaffen- und Marinehelfer im Einsatz gewesen sind. Das entspricht bei einer durchschnittlichen Flakbedienung von neun Mann ca. 22.000 Flakstellungen.

Aufgaben

Bisher galt die irrige Annahme, die Luftwaffenhelfer, gleich ob bei der Luftwaffe oder Marine, seien ausschließlich an den Flakbatterien eingesetzt worden. Das trifft auch für den Großteil der Helfer zu, jedoch waren im Speziellen die Marinehelfer auch im Kommandostab einiger Einheiten beschäftigt. Daneben wurden sie im Objekt- und Wachschutz von Munitions- oder Lebensmittellagern eingesetzt sowie als Versorgungs- bzw. Meldegänger. Daneben aber auch zum Wachschutz ausländischer Fremdarbeiter, im Fernsprechdienst, Geschäftszimmerdienst oder im Flugmeldedienst. Ihre Aufgabenzuweisung orientierte sich dabei üblicherweise an der körperlichen und geistigen Eignung des Helfers. Ausdrücklich verboten war, die Helfer für niedere Arbeiten, wie zum Beispiel im Küchen-, Kasino- und Reinigungsdienst heranzuziehen.[5]

Ausbildungs- und Einsatzorte der HJ-Marinehelfer

Ausbildungsorte

Die Ausbildungsorte der Marinehelfer waren zum größten Teil mit den Einsatzorten identisch. Allerdings erfolgte so mancher Lehrgang, aber auch ganze Ausbildungseinheiten auf dem Segelschulschiff Gorch Fock.

Einsatzorte

Die Einsatzorte der HJ-Marinehelfer als Flakhelfer erstreckten sich auf das gesamte deutsche Küstengebiet, in dem die Luftwaffe der Kriegsmarine unterstellt war, d. h. in den nahen Küstenbereichen mit einem dazugehörigen schmalen Landstreifen. Dabei kam es aber mitunter zu einem Kompetenzwirrwarr, vor allem in den Hansestädten Hamburg und Bremen. In diesen Städten waren sowohl Luftwaffenhelfer als auch Marinehelfer eingesetzt, so dass manche Flakbatterien die Bekämpfung von Luftzielen vornehmen „mussten“, für dessen Luftbereich sie eigentlich gar nicht verantwortlich waren. Auch gab es bei solchen „Paralleleinsätzen“ immer wieder Streitigkeit bzw. Neid über die Anerkennung von möglichen Abschusszahlen, die sowohl für Marine- als auch Luftwaffenhelfer als Prestigeobjekte galten. Üblicherweise waren jedoch die Marinehelfer für den Schutz von Flugplätzen, Häfen aber auch der Sicherung von Schifffahrtslinien verantwortlich. Den Marinehelfern an der Nordseeküste war von allen eingesetzten Flakhelfern auch das schlimmste aller Lose zugeteilt worden. Während es im Binnenland des Reiches Flakbatterien gab, die während des gesamten Krieges keinen einzigen Schuss von sich gaben, waren die Marinehelfer an den Nordseeküsten einem fast ständig anhaltenden Luftalarm ausgesetzt. Dies war der Tatsache geschuldet, dass die alliierten Bomberverbände auf ihrem Weg zu Zielen in Deutschland zwangsläufig die Flakstellungen der Küstenbatterien kreuzen mussten, diese aber auch gezielt bekämpften. Daher gab es hier die meisten Verluste. Besonders schlimm erging es den Marinehelfern auf Helgoland, wo mehrmals Bombenangriffe stattfanden. Die folgenden Geschehnisse stehen dabei stellvertretend für das Schicksal vieler anderen Flakstellungen:

Angriff auf Helgoland

Ein Bombentrichter einer 5.000 KG Bombe auf Helgoland

Bis Mitte April 1945 hatten die Marineflakbatterien auf Helgoland eine überdurchschnittliche hohe Alarm- und Einsatzbereitschaft. Bis Kriegsende gab es hier pro Nacht durchschnittlich sieben bis neun Luftalarme für die insgesamt 150 stationierten Marinehelfer. Davon kamen fünfzig Mittelschüler aus Schleswig-Holstein und einhundert Oberschüler aus Ostpreußen. Betreut wurden diese von fünf Lehrkräften. Am 18. April 1945 erfolgte dann der längst erwartete Großangriff auf die Insel. Von 12.25 bis 13.50 Uhr erfolgte der Angriff mit etwa 1000 bis 1200 Bombern (Fortress und Liberator), die aus West, Nordwest und Nord auf die Insel zuflogen. Die Lage auf der Insel war aber schon zuvor verworren gewesen. So erinnerten sich damalige Zeitzeugen daran, dass es wohl Bestrebungen gegeben hatte, die zur vorzeitigen Kapitulation führen sollten. Unter anderen war geplant worden, ein weißes Bettlaken am Leuchtturm anzubringen und den Festungskommandanten samt Offizierstab in Gewahrsam zu nehmen. Der Plan wurde jedoch verraten und noch vor dem Angriff gelangten 18 SS-Männer auf Helgoland. Die Verhaftungswelle von 15 Personen, unter ihnen auch Marinehelfer, konnte jedoch nicht mehr ausgeführt werden, da der Großangriff begonnen hatte. In mehreren Anflügen wurde Helgoland fast zwei Stunden lang bombardiert. Neben 95%igen Häuserschaden verloren etwa achtzig Marinehelfer ihr Leben. Davon entfielen vierzig Oberschüler auf die Batterie Schröder, die auch noch weitere vierunddreißig Schwerverletzte zu beklagen hatte. Die weitere Verfolgung der Meuterei auf Helgoland wurde am 20. April 1945 wieder aufgenommen. Eine Verschiffung zur Aburteilung nach Cuxhaven war jedoch nicht möglich, so dass die Betroffenen bis zum 8. Mai 1945 weiterhin auf der Insel ohne Trinkwasserversorgung bleiben mussten. Sie erhielten die Aufgabe, die Geschütze notdürftig zu flicken und bei den Aufräumarbeiten behilflich zu sein. Am 11. Mai wurden die Marinehelfer dann mit einem Konvoi von der Insel geholt und in ein Internierungslager Freiberg an der Elbe gesteckt.[6]

Luftwaffenhelfer in Auschwitz

Luftangriff auf Auschwitz am 13. September 1944

Aus Briefkorrespondenzen ist bekannt, dass aus Hamburg kommende Luftwaffenflakhelfer[7] mit ihrer gesamten Lehrerschaft im Sommer 1944 in die Umgebung von Auschwitz verlegt worden waren, um den dortigen Luftraum zu verteidigen. Die verlegte Flakbatterie bezog ihre Stellung ca. sechs Kilometer von Auschwitz entfernt im Kloster Bobrek (heute Bytomia), da in Auschwitz selbst wegen Überfüllung der dortigen Quartiere durch Angehörige der Waffen-SS und sonstigem Wehrmachtsgefolge keine Unterkunftsmöglichkeit gegeben war. Die dortigen Luftwaffenhelfer sahen sich aber nicht nur Luftangriffen ausgesetzt, sondern auch einer ständigen Partisanengefahr. Genährt wurden diese noch von dem Gerücht eines bevorstehenden „Polenaufstandes“, der jederzeit erwartet wurde. Jedoch kämpfte die Flakbatterie auch mit bisher unbekannten Gefahren. So litt der Großteil der Einheit unter den schlechten hygienischen Bedingungen ihrer Unterkunft. So erscheint es auch wenig verwunderlich, dass die meisten Flakhelfer bereits nach kurzer Zeit an Magen-Darm-Infekten erkrankten. Ein Betreuungslehrer starb infolge von Grippe. Der Batteriechef verbot daraufhin das Trinken von Wasser aus dem nahegelegenen Brunnen. Ironischerweise wurde die Verpflegung der Batterie aufgrund dieser Vorfälle von der I.G. Farben übernommen. Ob die Flakhelfer von der Massenvernichtung gewusst haben oder aus Angst schwiegen, ist abschließend nicht klärbar. Eine grundlegende Recherche und Aufarbeitung zum Thema „Luftwaffenhelfer in Auschwitz“ ist bisher nicht publiziert oder dokumentiert worden. Fakt ist jedoch, dass sich ein Betreuungslehrer der betroffenen Flakbatterie schriftlich beim zuständigen Schuldirektor in Hamburg beschwert hatte, indem er es als „unschön“ ansah, dass jeden Tag Tausende von Sträflingen und Insassen des nahen Konzentrationslagers als Feld- und Straßenarbeiter eingesetzt seien, und diese durch ihre Anwesenheit eine Art „Unbehangen“ bei der Batterie auslösten… Ein Unterricht war aufgrund der dauernden Luftalarme nicht mehr realisierbar. Daher wurde die Batterie wieder Mitte September 1944 nach Breslau beordert.[8] Bisher sind folgende bestätigte Luftangriffe auf Auschwitz dokumentiert, bei denen auch Marine- und/oder Luftwaffenhelfer beteiligt waren:

  • 1. Angriff: 4./5. Mai 1943 (Sowjetischer Bombenangriff, keine nennenswerten Schäden)
  • 2. Angriff: 20. August 1944 (Amerikanischer Bombenangriff mit Ziel I.G. Farbindustrie Auschwitz)
  • 3. Angriff: 13. September 1944 (Amerikanischer Bombenangriff mit Ziel I.G. Farbindustrie Auschwitz)
  • 4. Angriff: 18. Dezember 1944 (Amerikanischer Bombenangriff mit Ziel I.G. Farbindustrie Auschwitz
  • 5. Angriff: 19. Januar 1945 (Amerikanischer Bombenangriff)

Weitere bekannte Marineflakstellungen (Auswahl)

Nordseebatterien Ostseebatterien
  • Flakbatterie-Warleberg (2./211)
  • Flakbatterie Lübeck
  • Flakbatterie Cuxhaven
  • 1. Marine-Flak-Regiment Kiel
  • Marine-Artillerie-Abteilung 631
    • Flakbatterie 1./414
    • Flakbatterie 2./414
  • Alsterbatterie 2./225
  • Flakbatterie Kreuzkamp 2./413
  • Flakbatterie Bremen
  • Flakbatterie Kiel
  • Batterie Mönkeberg
  • Marineflakbatterien Wangerooge
    • Flakbatterie Neudeich
    • Flakbatterie-Saline (4./232) mit 48 Marinehelfer
    • Flakbatterie Jade-Ost (Seezielbatterie bei Wilhelmshaven)
  • Marineflakabteilung 242 Helgoland
    • Stabsbatterie- Stabsbatterie Flakturm Helgoland (1./242)
    • Flakbatterie-Falm (2./242)
    • Flakbatterie-Nordspitze (3./242)
    • Flakbatterie-Westklippe (4./242)
    • Flakbatterie-Schröder
    • Festungsinsel Langlütjen
    • Flakbatterie Holtenau
(neben regulären Flakeinheiten der Luftwaffe)

Waffentechnik und Geräte

Die Ausbildung und der spätere Einsatz der HJ-Marinehelfer erfolgten unter anderem an der wohl bekanntesten Flak des Zweiten Weltkrieges überhaupt, der 8,8-cm-Flugabwehrkanone. Obwohl die „88er“ in den Reihen der Marinehelfer genutzt wurden, erfolgte der mehrheitliche Einsatz dennoch an der 10,5-cm Flak 38. Weitere Übungs- und Einsatzflakgeschütze waren:

Artilleristische Standardwaffen und Geräte

Sonstige Artilleristische Waffen / Artilleristische Beutewaffen

  • 20-mm-Oerlikon-Flak (Schweizer Produktion),
  • 7,5-cm-Flak-Modell 30 und 36 (französisches Beutegeschütz),
  • 2,5-cm-Flak-Hotchkiss 37/39 (französisches Beutegeschütz),
  • 7,6-cm-Flak Modell 38 (sowjetisches Beutegeschütz),
  • Flak-MG 34
  • Luftfaust

Besonders gefürchtet, jedoch nicht von den Alliierten Piloten, sondern vielmehr durch die Marinehelfer selber, war ein 8,5-cm-Flakgeschütz sowjetischer Bauart aus dem Jahr 1939. Die Kalibergröße dieser Kanone wurde nämlich, um sie mit den deutschen Flakgranaten der „88er“ nutzen zu können, nachträglich aufgebohrt. Das so künstlich entstandene Geschützkaliber war jedoch aufgrund dieser Aufbohrung in vielen Fällen unregelmäßig, so dass das Flakgeschütz bei lang anhaltendem Dauerfeuer oder bei einer zu hohen Feuerrate zu gefährlichen „Rohrkrepierern“ tendierte. In mehreren belegbaren Zeitzeugenaussagen ehemalige Marine- aber auch Luftwaffenhelfer ist dokumentiert, dass es bei solchen Zwischenfällen auch zu tödlichen Unfällen in den Reihen der Bedienmannschaft gekommen ist.[9]

Geschützbedienung am Beispiel der 8,8-cm Flakkanone

An der 8,8-cm Flakkanone wurden üblicherweise 9 Flakhelfer als Bedienungsmannschaft für folgende Aufgaben eingesetzt (K = Kanonier):

  • K1: Höhenrichtkanonier
  • K2: Seiterichtkanonier
  • K3: Ladekanonier
  • K4: Munitionskanonier
  • K5: Munitionskanonier
  • K6: Zündtsteller
  • K7: Munitionskanonier
  • K8: Munitionskanonier
  • K9: Flakkommandant

Nahkampfwaffen

Die Standardnahkampfwaffen der Marinehelfer waren:

Allerdings existierten in den Reihen der Marinehelfer auch hoffnungslose veraltete und zum Teil unbrauchbaren Beutewaffen aus französischen, sowjetischen und tschechischen Beständen, die entweder meist als Übungswaffen genutzt wurden oder zu Lehrzwecken dienten. Gegen Kriegsende wurden Marinehelfer in verschiedenen Batterien auch auf Flammenwerfern und Panzerfäuste geschult. Die Waffenausbildung wurde ab diesem Zeitpunkt auch mehr und mehr auf den Artilleristischen Erdkampf fokussiert. Die Flakgeschütze dienten dabei vor allem der gezielten Panzerbekämpfung und, falls mobil, auch zur Infanterieunterstützung.

Scheinwerfergeräte

Die Suchscheinwerfer waren für die Angehörigen der HJ-Marine Helfer, aber auch der Luftwaffen Flakhelfer für die Aufgabenerfüllung unersetzlich. So kamen im Rahmen der Einsätze folgende Scheinwerfertypen zum Einsatz:

  • 60-cm Suchscheinwerfer
  • 150-cm Leitscheinwerfer Typ 34 und 37
  • 200-cm Leitscheinwerfer (mit selbstregulierender Invert-Hochleistungs-Gleichstromlampe mit einer Stromstärke von 450 Ampere bei 110 Volt Spannung)

Die Scheinwerfereinheiten dienten dabei nicht nur zur Aufhellung des Luftraumes, sondern wurden auch gezielt von Luftwaffenhelfern, aufgrund anderer mangelnder Nahkampfwaffen, als Blendscheinwerfer genutzt, um tiefangreifende Piloten zu blenden. Bestätigte Abstürze Alliierter Piloten sind aufgrund dieser „Blendattacken“ überliefert.[9] Zusammengefasst waren diese Einheiten unter dem Begriff: Scheinwerferbatterien.

Sonstige Geräte

  • Kommandogerät 40[10]
  • Kommandohilfsgerät 35[11]
  • Flakumwertegerät Malsi Typ 41 bis 43 (benannt nach Major Malsi, der am Bau der Maschine in Rerik maßgeblich beteiligt war)
  • Mecke-Tisch
    • Der Mecke-Tisch war das Gegenstück zum Malsi-Umwertegerät der Luftwaffenhelfer. Er bestand aus einer kreisrunden Tafel, die sich mittels einer Handkurbel um einen Mittelpunkt drehen lassen konnte. Den Mittelpunkt stellte dabei die Flakbatterie dar. Der Tisch selber war in Planquadrate eingeteilt, dadurch waren die Standorte der angreifenden Maschinen jederzeit darstellbar.
  • Funkmeßgerät (Typ 39T, 40T und 41T)
  • Horchgerät

Einberufungsbescheid und Musterung

„Ich verspreche, als Luftwaffenhelfer allzeit meine Pflicht zu tun, treu und gehorsam, tapfer und einsatzbereit, wie es sich für einen Hitlerjungen geziemt.“

So lautete für die HJ-Luftwaffenhelfer ihre Verpflichtungsformel, wobei das Wort Luftwaffenhelfer für die Marinehelfer natürlich abgeändert wurde. Die Verpflichtung erfolgte bei den Einsatzstellen (Batterien) nach Anordnung des Kommandeurs durch einen Offizier sowie in Anwesenheit eines HJ-Gebietsführers. Die Verpflichtung war dabei in würdiger Form durchzuführen. Mit dem zuvor erhaltenen Einberufungsbescheid bekamen die angehenden Marineflakhelfer analog zu den Luftwaffenhelfern ein Merkblatt beigelegt, aus dem sich alle ergebenden Fragen hinsichtlich Verpflegung und Vergütung entnehmen ließen. Der Inhalt des Merkblattes (auszugsweise):

  • A. Allgemeine Anordnungen
    • 1. Dem Heranziehungsbescheid ist unbedingt Folge zu leisten. Ist der Schüler infolge einer ernsten Erkrankung bettlägerig oder durch sonstige unabwendbare Gründe am persönlichen Erscheinen zu dem angeordneten Zeitpunkt verhindert, so hat der Erziehungsberechtigte (bei Heimschülern der Schulleiter) der Stelle, die den umstehenden Heranziehungsbescheid ausgestellt hat, unter Angabe des Grundes und der voraussichtlichen Dauer der Verhinderung unverzüglich Anzeige zu erstatten. Zur Bestätigung ist bei Krankheit ein Zeugnis des Amtsarztes oder ein mit Sichtvermerk des Amtsarztes versehenes Zeugnis des behandelnden Arztes, in allen anderen Fällen eine ortspolizeiliche Bescheinigung beizufügen. Schüler, die an einer übertragbaren Krankheit leiden oder sie kürzlich überstanden haben, brauchen diesem Bescheide nicht Folge leisten, wenn sie ein mit Sichtvermerk des Gesundheitsamtes versehenes ärztliches Zeugnis nachweisen, dass eine Weiterverbreiterung der Krankheit durch sie zu befürchten ist.
    • 2. Die Luftwaffen-Helfer erhalten Truppenverpflegung. Die Lebensmittelkarten für die zur Zeit des Dienstantritts laufende Zuteilungsperiode verbleiben im Haushalt, zu dem der Schüler gehört, sofern er nicht als Heimschüler auswärts eingesetzt wird.
    • 3. Die Reichskleiderkarten und Zusatzkleiderkarten sind bei der zuständigen Kartenstelle abzugeben. Die Luftwaffenhelfer erhalten die erforderliche Bekleidung aus Beständen der Luftwaffe. (bei Marine-Helfern aus den Beständen der Kriegsmarine) Entsprechendes galt für die Seifenkarten.
    • 4. Für den Dienstantritt notwendigen Fahrten (3. Klasse) mit Verkehrsmitteln des Orts- und Vorortsverkehrs sind von den Schülern zu verauslagen. Die Kosten werden auf Antrag durch den Truppenteil erstattet.
    • Mitzubringen sind:
      • a) Bekleidung und Ausrüstung:
        • 1 HJ-Winteruniform (soweit vorhanden),
        • 1 Paar Schuhe,
        • 2 Hemden (möglichst Braunhemden) und 1 bis 2 Nachthemden,
        • 2 Unterhemden,
        • 2 Unterhosen,
        • 3 Paar Strümpfe,
        • 1 Leibriemen (soweit vorhanden - Hosenträger erwünscht),
        • 1 Paar Handschuhe,
        • 1 Sporthemd (soweit vorhanden),
        • 1 Sporthose (soweit vorhanden)
        • 1 Badehose
        • 1 Brotbeutel (soweit vorhanden)
        • 3 Taschentücher
        • 1 Fahrtenmesser (soweit vorhanden)
      • b) Sonstiges:
        • 1 Essbesteck
        • 1 Kamm
        • 1 Zahnbürste
        • 1 Rasierzeug (nach Bedarf)
        • 1 Brustbeutel,
        • 1 Vorhängeschloss (soweit vorhanden)
        • Schreib- und Nähzeug

Der HJ-Luftwaffen- bzw. HJ-Marinehelfer erhielt bei ihrer Ankunft an der Einsatzstelle eine Postkarte, mit der sie ihre Eltern unterrichten sollten, dass sie wohlbehalten angekommen seien. In der Praxis war diese gutgemeinte Geste, abgesehen von den Heimschülern, nahezu nutzlos, da die meisten Marine- und Luftwaffenhelfern in unmittelbarer Wohnumgebung stationiert worden. Ironischerweise stand die „Benachrichtigungskarte“ bei einem eventuellen und oft praktizierten Stellungswechsel der Batterie nicht zur Verfügung.

  • B. Besondere Anordnungen bei auswärtigem Einsatz von Heimschülern
    • 1. Von der erfolgten Heranziehung sind die polizeilichen Meldebehörden und die Lebensmittelkartenstelle in Kenntnis zu setzen. Die Lebensmittelkarten sind bei der zuständigen Kartenstelle abzugeben. Der Leiter der Heimschule ist dafür verantwortlich. Abgabe der Lebensmittelkarten erfolgt gegen Aushändigung einer Abmeldebescheinigung. Da Mundvorrat für 2 Tage mitzubringen ist, besteht noch Anspruch auf Lebensmittelkarten für den Gestellungstag und den folgenden Tag. Selbige Anordnung betraf auch die Reichskleiderkarten und Seifenkarten.
    • 2. Für Reisen im Fernverkehr erhalten die Schüler Wehrmachtsfahrscheine zur freien Benutzung der Eisenbahn. Diese führt der Transportführer bei sich.
    • 3. Für die Anreise ist vorsorglich Mundvorrat für 2 Tage mitzubringen. Verpflegung durch die Luftwaffe/Kriegsmarine während der Fahrt im Sammeltransport und nach Eintreffen am Dienstort ist sichergestellt. Der Mundvorrat ist also eine zusätzliche Verpflegung für besondere Fälle.
  • Dienstverhältnis
    • Der Dienst als Marinehelfer Luftwaffenhelfer galt wie für die Luftwaffenhelfer als Erfüllung der Jugenddienstpflicht. Die Betreuung oblag dabei der Reichsjugendführung. Der Einsatz der Flakhelfer war zudem entsprechend ihrer Entwicklungsstufe zu planen und durchzuführen. Im übrigen wurden die angehenden Flakhelfer nur „klassenweise“ eingezogen, ihr Einsatz erfolgte in unmittelbarer Umgebung des bisherigen Schulorts.

Ärztliche Voruntersuchung und Klassifizierung

Die betroffenen zukünftigen Marinehelfer wurden vor ihrer Heranziehung erstmalig von den Gesundheitsämtern ihrer Heimatorte durch Jugendärzte auf eventuelle ansteckende Krankheiten und offenkundiger Untauglichkeit überprüft. Untauglich als Marinehelfer galt dabei jeder, der sich auch nicht für leichte Bürotätigkeit eignete. Diese waren dann zurückzustellen. Die zweite Tauglichkeitsprüfung erfolgte für die Jugendlichen unverzüglich am Einsatzort durch die Truppenärzte. Dafür wurden auch die Tauglichkeitsnachweise der HJ herangezogen. Das Untersuchungsergebnis konnte nach Abschluss der Untersuchung lauten:

  • verwendungsfähig (v.)
  • beschränkt verwendungsfähig (b.v.)
  • zeitlich verwendungsunfähig (z. vu.)
  • verwendungsunfähig (vu.)

Angehende Helfer mit dem Vermerk z. vu. und vu. waren zurückzustellen und unverzüglich durch den Disziplinarvorgesetzten entlassen. Mit näher rückenden Kriegsende wurden aber auch diese „Wehruntauglichen“ zum Dienst als Flakhelfer „gepresst“.[12]

Tagesablaufplan sowie Rechte und Pflichten eines Marinehelfers

Flakunterkünfte bei Rellingen
Risszeichnung des Flakturms Wilhelmsburg
Ausbildungsplan für Marine-Helfer
Das Flak-Kampfabzeichen wurde auch an Angehörige der Flakhelfer verliehen
Für die Marinehelfer ein alltägliches Bild; eine Flakbatterie in Feuerstellung

Die vorliegenden Informationen wurden aus dem Merkblatt entnommen, welches die Helfer mit ihrem Einberufungsbefehl zeitgleich ausgehändigt bekamen. Es gilt sowohl für Marine- als auch Luftwaffenhelfer. Gleiches trifft auf das ebenfalls verwendete Interne Dokument über die Verwendung der Luftwaffenhelfer (Aktenzeichen 11 b Nr. 1/43) zu, da die dortigen Anweisungen auch für die Marinehelfer angewandt wurden.

Morgenappell

Der Tag begann für den Marinehelfer (und Luftwaffenhelfer) immer mit dem gleichen Ritual, dem Morgenappell. Dabei mussten sie in Uniform außerhalb ihrer Unterkünfte antreten und marschierten dann geschlossen in der Gruppe zum Appellplatz. Dabei war stets eine Fahne der Hitlerjugend mitzuführen. Während des Marsches wurden dann zusammen mit einem Spielmannszug die üblichen Kampflieder gesungen. Mit dem Lied „Heilig Vaterland“ wurde der Appell dann eröffnet. In der darauf folgenden Verlesung durch den Standortführer wurde dann der neue Tagesbefehl bekannt gegeben und mit weiteren Gesängen beendet. Danach erfolgte der Rückmarsch zum Antreteplatz mit anschließenden Schulbesuch.

Schulbesuch

Die HJ-Marinehelfer waren nicht permanent an ihren Flakstellungen eingesetzt, sondern mussten wie ihre Kameraden der HJ-Luftwaffenhelfer mindestens 18 Stunden wöchentlich die Schule besuchen, welche von ihren alten Lehrern geleitet wurde. Allerdings erst nach einer 4-wöchigen Ausbildungseinheit. Die Schule fand dabei in unmittelbarer Nähe der Flakstellung statt und zwar überwiegend in provisorischen Baracken. In der Praxis war der Schulbetrieb allerdings nur sehr schwer umsetzbar, bisweilen sogar unmöglich. Das lag vor allem an den Flakeinsätzen der letzten Nacht, die mitunter auch bis in den Morgen andauern konnten. Die Stunden danach mussten die Marinehelfer zunächst die Flakwaffen reinigen und für den nächsten Einsatz warten. Doch damit nicht genug. Auch tagsüber gab es mit zunehmender Dauer des Krieges Luftalarm und die wenige Zeit, die neben der Waffenpflege den Marinehelfer blieb, nutzen diese zum Schlafen und Ausruhen aber auch für Gefechtsübungen. Der Unterricht wurde dabei solange durchgeführt, bis der Jugendliche seine Reifeprüfung abgelegt hatte, wobei jedoch andere Bewertungsmaßstäbe (einfachere) galten, als bei einem regulären Schulabschluss. Schüler der 6. Klasse, die ab März 1943 als Flakhelfer eingezogen worden waren, wurden mit Abschlusszeugnis aus den Schuldienst entlassen.

Innendienst und Freizeitgestaltung

Der Innendienst gestaltete sich für die meisten Marinehelfer eher karg, obwohl bis 21.00 Uhr Ausgeherlaubnis herrschte. Neben der Schule, Manöverübungen und der stundenlangen obligatorischen Waffenreinigung, gab es auch immer wieder zahlreiche Fliegeralarme, so dass dem Marinehelfer sehr wenig Zeit blieb, überhaupt einer sinnvollen Freizeitgestaltung nachzugehen. Zwar gab es seitens der Reichsjugendführung Bestrebungen, die Restfreizeit mit sportlicher Ertüchtigungen usw. auszufüllen, doch der alltägliche Dienst an der Waffe, machte diesen wieder zunichte. So sorgte die Reichsjugendführung wenigstens für die Zuführung von Literatur oder stellte, falls nicht vorhanden, Volksempfänger für Radiosendungen und Musik zur Verfügung. Falls die Marinehelfer nicht mit der Wartung ihrer Waffen betraut war, nutzten die meisten Jugendlichen ihre Freizeit zu lockeren Spielabenden mit Karten oder Brettspielen oder schliefen einfach.

Unterkunft

Die bereitgestellten Unterkünfte der Marinehelfer, wie auch für die Luftwaffen-Flakhelfer war karg, wurden jedoch kostenlos von der Kriegsmarine bzw. Luftwaffe zur Verfügung gestellt. So gab es neben den üblichen Schlafräumen auch Tages- oder Bastelräume. Sowohl die Schulungsräume, als auch die Quartiere bestanden zumeist aus einfachen Holzbaracken oder einfachen Ziegelbauten und boten und bei einem Bombenangriff geringen bis gar keinen Schutz. Es sind jedoch auch stärker befestigte Anlagen bekannt, in denen Flakhelfer in unterirdischen Bunkerbauten oder Flaktürmen aus Beton einquartiert waren. Zwar gab es im eher ländlich geprägten Norden des Reiches in der Nähe von Flakstellungen auch befestigte Häuser aus Stein oder von der Organisation Todt provisorisch angelegte Bunkerbauten, doch diese wurden meist von höherrangigen Funktionären, aber auch als Leitstand, Unterkunft des Batteriechef oder ähnliches genutzt. Im übrigen war es den regulären Soldaten der Wehrmacht, falls diese parallel mit Flakhelfern in einer Flakbatterie Dienst taten, ausdrücklich verboten die Räume der Flakhelfer zu betreten und wenn, dann nur im dienstlichen Auftrag. Ob die Anweisung dazu diente, die Flakhelfer von den regulären Soldaten zu trennen um evtl. eine Senkung der Kriegsmoral zu vermeiden oder einfach nur als Respektmaßnahme diente, ist nicht mehr klärbar.

Orden und Ehrenzeichen

Die Marine- und Luftwaffenhelfer konnten mit folgenden Auszeichnungen geehrt werden:

Daneben gab es laut Zeitzeugenberichten auch öffentliche Belobigungen vor versammelter Mannschaft, so erhielt z.B. ein Marinehelfer für den Abschuss eines Jagdflugzeuges eine Tafel Schokolade. Vereinzelt gab es jedoch auch Anerkennungsurkunden durch die Kommandeure.

Ärztliche Versorgung und Versicherungspflicht

Die ärztliche Versorgung der Marine- und Luftwaffenhelfer oblag den Truppenärzten vor Ort, also entweder den Ärzten der Luftwaffe oder der Kriegsmarine. Die Sozialversicherung der Marinehelfer orientierte sich, ebenfalls wie die Luftwaffenhelfer an den für die Notverpflichtenden Vorschriften.

Fürsorge und Versorgung bei Verwundung

Wurde der Marine bzw. Luftwaffenhelfer infolge seines Dienstes oder Einsatzes verwundet oder beschädigt, wurde ihm Fürsorge und Versorgung nach Maßgabe der Personenschädenverordnung vom 10. Oktober 1940 gewährt.

Personalpapiere

Sowohl über Marine- als auch Luftwaffenhelfer waren Personalpapiere durch die zuständigen Stellen zu führen. Das betraf insbesondere die Führung eines Personalbuches, Beurteilungsnotizen oder aber auch das Gesundheitsheft. Die Beurteilungen sollten mindestens einmal jährlich erfolgen oder bei einem Ausscheiden aus den Dienst. Disziplinarstrafen wurden hingegen nicht in der Schlussbeurteilung aufgeführt.

Urlaub

Sowohl Marine- als auch Luftwaffenhelfer erhielten zweimal jährlich einen Erholungsurlaub von 14 Tagen (insgesamt also 28 Tage) zuzüglich eventueller Anreisetage, wenn der Jugendliche eine längere An- und Abreise zu den Eltern hatte. Bei ortsansässigen Helfern wurde wöchentlich ein Besuch von mehreren Stunden bei den Eltern gestattet, um die so genannte „Familiäre Beziehung“ zu stärken. Mit Genehmigung des Einheitsführers durfte man auch ab und zu daheim übernachten. Um unter den Heimschüler keine Missgunst aufkommen zu lassen, gestattete man diesen einen bevorzugten Wochenendurlaub bei den Eltern. So sollte die Harmonie der Helfer untereinander nicht gestört werden.

Verpflegung und Vergütung

Grundsätzlich war die Verpflegung der Flakhelfer frei. Die Lebensmittelzuteilung erfolgte nach den Truppenverpflegungssätzen der Wehrmacht. Allerdings waren keine Beschränkungen hinsichtlich der sog. „Heimpäckchen“ gegeben, so dass die jungen Marinehelfer von ihren Eltern regelmäßige mit „Fresspaketen“ versorgt wurden oder von einem Elterhausbesuch diese gleich mitbrachten. Der Genuss von Alkohol und Tabakportionen war untersagt. Das betraf auch den Ausschank und das Rauchen in der Öffentlichkeit und in den Lagerbaracken. Stattdessen wurde vorgeschlagen, die Jugendlichen mit Vitamindrops oder Süßigkeiten durch das Elternhaus zu versorgen. Daneben erhielten alle Flakhelfer eine tägliche Abfindung von 0,50 Reichsmark, sowie bei Ausscheiden aus dem Flakhelferdienst, für jeden angefangenen Monat der Dienstleistung nach Vollendung des 16. Lebensjahres 15 Reichsmark.[13]

Disziplinarstrafordnung und deren Vollzug

Für alle unter 18-jährigen Marinehelfer galt, wie für die Luftwaffenhelfer, eine Disziplinstrafordnung. In dieser wurde geregelt:

  • § 1 Disziplinarübertretungen sind:
    • 1. Vorsätzliche und fahrlässige Verstöße (Handlungen und Unterlassungen) gegen die Zucht und Ordnung, die unter kein Strafgesetz fallen,
    • 2. Verstöße gegen Strafgesetze, wenn sie gerichtlich nicht bestraft werden.
  • § 2 Disziplinarstrafen sind:
    • 1. Verweis,
    • 2. Strenger Verweis,
    • 3. Dienstverrichtung außer der Reihe für einen oder mehrere, höchstens 3 Tage,
    • 4. Entzug der freien Verfügung über die Barvergütung bis 1 Monat,
    • 5. Ausgangsbeschränkung oder Ausgangsverbot bis zu 4 Wochen,
    • 6. Kasernenarrest (stundenweise oder tageweise) bis zu 10 Tagen.
  • § 3 Es können verhängt werden:
    • 1. Neben Kasernenarrest
      • Entzug der freien Verfügung über die Barvergütung, Ausgangsbeschränkung oder Ausgangsverbot allein oder nebeneinander,
    • 2. neben Ausgangsbeschränkung
      • Entzug der freien Verfügung über die Barvergütung.

Für die Aussprechung von Strafen, war bei den Marinehelfern der Disziplinarvorgesetzte mit entsprechender Disziplinarstrafgewalt mindestens im Range eines Oberleutnants zur See verantwortlich. Bei Luftwaffenangehörigen im Range eines Staffelkapitäns. Er konnte Ausgangsverbote bis zu 5 Tagen, sowie 7 Tagen Kasernenarrest aussprechen. Darüber hinausgehende Strafen (bis zum Höchstmaß) wurden vom Gruppenkommandeur verhängt. Dafür wurden eigens so genannte „Strafbücher“ geführt. Bei der Beurteilung der Schwere der zugrunde liegenden Tat, waren jedoch auch andere Aspekte (die sich strafmildernd niederschlagen konnten) zu beachten. Dies hing hauptsächlich vom Alter des HJ-Angehörigen ab, betraf aber auch den Fall, indem der „Angeklagte“ aus jugendlichem Übermut gehandelt hat. Strenge Verweise wurden öffentlich vor versammelter Einheit ausgesprochen. Ein zu verhängender Arrest galt vom Wecken bis zum Zapfenstreich, wobei der Hitlerjunge für die Zeit in seiner Stube eingeschlossen wurde. Er durfte während dieser Zeit auch nicht mit dienstlichen oder nützlichen (Straf)Arbeiten beschäftigt werden. Disziplinarstrafen wurden jedoch, nach einer Entlassung als Marinehelfer oder Luftwaffenhelfer, dem Reichsarbeitsdienst oder den Wehrmachtsdienststellen nicht mitgeteilt.

Disziplinarverfahren

Dass die erwähnten disziplinarische Maßnahmen auch ausgesprochen wurden, zeigt das Beispiel einer Marineflakabteilung auf Wangerooge. So wurden um die Jahreswende 1943/1944 gleich 16 Marinehelfer, wegen Abhörens von Feindsendern und Wehrkraftzersetzung, angeklagt. Obwohl die meisten der Helfer eher glimpflich davonkamen, erhielten zwei Marineangehörige Haftstrafen bis zu 9 Monate. Bei anderen Verfahren erhielten manche Marinehelfer noch drastischere Bestrafungen, so zum Beispiel der unverzügliche Abtransport zur Front, was vielmals für den Betroffenen mit dem Tod endete.

Uniformierung und Beförderungen

Uniformierung

Alle Marinehelfer trugen während des Einsatzes die Uniform der Marine-HJ, eine dunkelblaue Uniform mit Doppelreihenknopf, wie es bei der Kriegsmarine üblich war und ihre sonstigen HJ-Abzeichen nebst Traditions-Arm-Dreieck ebenfalls mit dunkelblauen Unterstoff. Auf den Schulterklappen war mittig ein stilisierter Anker, das Symbol der Kriegsmarine, in gelben Fäden aufgewebt. Auf diesem ruhte eine kleine zweiseitig beflügelte Flakgranate, ebenfalls in gelb gewebt. Die Kragenspiegel waren hellblau, jedoch leer gehalten. Die Ausgehuniform bestand, im Sinne der Marine, aus dem Blaumannsanzug, wobei als Kopfbedeckung das Schiffchen diente. Am linken Unterarm der Uniform gab es für Marinehelfer ein hellblaues Ärmelband mit der gelb aufgestickten Inschrift: Marinehelfer bzw. Marineoberhelfer. Wie die bereits weiter oben erwähnte HJ-Armbinde wurde sie nach Verlassen des Stützpunktes meist wieder abgenommen. Ergänzend kommt hinzu, dass es für die weiblichen Marinehelfer, die es im geringen Umfang gegeben hat, ein eigenes Ärmelband ausgegeben wurde und zwar mit der aufgewebten Inschrift: Marinehelferin. Für Marinehelfer- und Marine-HJ Angehörige gab es zahlreiche Mützenbänder wie zum Beispiel mit der Aufschrift: Seeberufsfachschule, Reichsseesportschule und Segelschulschiff Horst Wessel. Bekannt sind auch Ärmelbänder mit Tressen.

Beförderungen und deren Kennzeichnung

Die Dienstgrade der HJ-Marinehelfer umfassten, wie bei ihrem Gegenstück, den Luftwaffenhelfern, nur zwei Dienstränge, zum einen den Marinehelfer, zum anderen den Obermarinehelfer. Die Beförderung zum Obermarinehelfer konnte bei guter Führung und Leistung jedoch erst nach 9 Monaten (von 13 Dienstmonaten) erfolgen und wurde in der Regel vom nächsten Disziplinarvorgesetzten ausgesprochen. Einmal ausgesprochene Beförderungen konnten nicht mehr widerrufen werden. Ausdrücklich geregelt war, dass ein „Vorgesetztenverhältnis“ zwischen Oberhelfer und Helfer durch die Beförderung nicht entstanden war, der Oberhelfer erlangte somit keine Befehlsgewalt über seine Untergebenen. Einziges Unterscheidungsmerkmal, die den Betroffenen als Marineoberhelfer auswies, war das gleichzeitig mit der Beförderung ausgehändigte Ärmelband Marineoberhelfer Eine Erweiterung der Schulterklappen oder dergleichen gab es nicht.

Bekannte Marinehelfer

Völkerrechtsbehandlung der Flakhelfer

Ein weiterer wichtiger Streitpunkt war, ob die Marine- und Luftwaffenhelfer im Sinne des Völkerrechts der Haager Konvention als Kombattanten anzusehen waren oder nicht. Das Problem hinsichtlich dieser Sache war zu Gründungszeiten schon der Obersten Heeresleitung bekannt gewesen und führte dazu, dass mehrere juristische Gutachten in Auftrag gegeben wurden, um eine Klärung herbeizuführen. In diesem Gutachten eines Professor Bruns hieß es unter anderen:

Das Völkerrecht macht die Berechtigung zur Teilnahme an den Feindlichkeiten von dem äußeren Auftreten der Kämpfenden abhängig. Nach Artikel 1 der Landeskriegsordnung, dessen Bestimmungen ohne Rücksicht auf die Allbeteiligungsklausel (Art. 2 des IV. Haager Abkommens vom 18. Oktober 1907) als Grundsätze des Gemeinen Völkerrechts im gegenwärtigen Krieg anwendbar sind, kommt die Eigenschaft rechtmäßiger Kämpfer den Heeren der Kriegsführenden sowie den Milizen und Freiwilligen Korps unter der Voraussetzung zu, dass

* 1) jemand an ihrer Spitze steht, der für seine Untergebenen zuständig ist,

  • 2) sie ein bestimmtes aus der Ferne erkennbares Abzeichen tragen,
  • 3) sie die Waffen offen führen und
  • 4) sie bei ihren Unternehmungen die Gesetze und Gebräuche des Krieges beobachten.

Wobei das Landesrecht (des Landes, welches im Krieg steht) festlegt, wer Soldat ist oder wer nicht. Das Völkerrecht hat diese „Landesinterne“ Regelung dann anzuerkennen und diejenigen Gruppen als rechtmäßige Kämpfer anzusehen. Damit wurde geregelt, dass Wehrmachtsangehörige, die in Zivil an den Kampfhandlungen teilnehmen, nicht unter den Schutz des Haagener Abkommens fallen. Auf die Marine- und Luftwaffenhelfer angewandt bedeutete dies:

  • 1) die Luftwaffen- und Marinehelfer waren in kleinen Gruppen bei Einheiten der Deutschen Wehrmacht eingesetzt, an ihrer Spitze stand stets ein Befehlshaber,
  • 2) die Luftwaffen- und Marinehelfer nahmen an Kampfhandlungen der Deutschen Wehrmacht teil,
  • 3) für den Feind, der diese Einheit bekämpfte, waren sie als Angehörige der Wehrmacht erkennbar.

Obwohl die Behandlung der Flakhelfer im deutschen Wehrrecht eine Sonderstellung einnahm, änderte sich an ihrer völkerrechtlichen Stellung zunächst nichts. Explizit wurde in diesem Gutachten jedoch festgestellt, dass die Flakhelfer nicht in den üblichen Uniformen der Wehrmacht kämpften, sondern in den HJ-Fliegeruniformen oder HJ-Marineuniformen. Und diese Uniformen waren, unter dem Gesichtspunkt des Völkerrechts, eindeutig eine Zivilkleidung, womit die Haagener Konvention nicht für die Angehörigen der Flakhelfer Anwendung finden konnte. Das Gutachten half aber auch hier weiter, indem es aufführte, dass eine Unterscheidung von Kämpfern und Zivilisten nach allgemeiner Auffassung auf Sehweite des bloßen Auges zu beschränken sei. Zwar trugen die Flakhelfer ihre Hakenkreuzbinden und entsprechende Kennzeichen, aber ob diese auf Augenentfernung eindeutig identifiziert werden konnten, blieb dahin gestellt. Das Gutachten führte deswegen einen weiteren Augenscheinlichen Beweis auf, den Stahlhelm der deutschen Wehrmacht. Durch diesen, meinte das Gutachten, wäre der Deutsche Soldat als solcher eindeutig erkennbar. Aber auch hier wurden vom Reichsinnenminister Wilhelm Frick Zweifel angebracht, da die Stahlhelme auch von Zivilbehörden, z.B. der Reichsfeuerwehr und vom Luftschutz genutzt wurden… Er schlug stattdessen vor, die Betroffenen Flakhelfer mit einer gelben Armbinde als Kombattanten eindeutig zu kennzeichnen. Hitler lehnte dies jedoch am 20. Juli 1943 ab. So blieb der Status der Luftwaffenhelfer bis Kriegsende ungeklärt. Die Luftwaffe und die Kriegsmarine lösten das Problem jedoch zum Kriegsende auf ihre Art. So wurden die meisten Flakhelfer vor der Kapitulation oder Aufgabe der Stellung, zum regulären Flaksoldaten ernannt und erhielten ihr Soldbuch (statt des Luftwaffen- oder Marine-Ausweises). Die Kriegsmarine ernannte zwar auch im größeren Umfang noch Marinehelfer zu Marineartilleristen, hatte aber auch eigens einen Stempel entwerfen lassen, der die Aufschrift trug: Der Inhaber dieses Ausweises gehört als Marinehelfer zu einem Hilfskorps der deutschen Kriegsmarine im Sinne des Artikel 1 der Haager Landkriegsordnung von 1907. Der Stempel wurde auf die Rückseite des bei Einzug der Marinehelfer ausgehändigten Marine-Ausweises aufgedrückt. Nicht immer war die nachträgliche „Legalisierung“ auch von Erfolg gekrönt. So wurden Marinehelfer an der Ostfront nach Zeitzeugenberichten standrechtlich von der Roten Armee als Freischärler erschossen.[15]

Kriegsende

Zum Kriegsende hin wurde vielerorts bei den Marinehelfern der Flakbeschuss von Bombern und Jagdfliegern stark eingeschränkt, ja sogar dienstlich verboten, um die immer knapper werdenden Munitionsvorräte zu schonen. Die verbliebenen Granaten wurden stattdessen bei der Bekämpfung von Landzielen genutzt. So gab der Küstenbefehlshaber Mitte Konteradmiral Joachim Plath in einem Bericht für den Zeitraum vom 7. bis 13. Oktober 1944 an, dass bisher „nur“ 13 Flugzeuge, unter anderem vom Typ Iljuschin Il-2 von der Marineflak abgeschossen wurden, aber im gleichen Zeitraum 53 Panzer der Roten Armee, dazu noch mehrere Pak-Geschütze und Sturmgeschütze erfolgreich bekämpft worden sind. Im günstigsten Fall verlief das eigentliche Kriegsende, bei einem entsprechenden „milden“ Vorgesetzten, für die Jugendlichen unproblematisch. So wurden die meisten Marinehelfer in den letzten April/Mai Tagen des Jahres 1945 offiziell aus dem Flakdienst entlassen und kehrten als Zivilisten nach Hause zurück. Wieder andere entfernten sich, aufgrund fehlender Kommandogewalt, einfach unerlaubt vom Einsatzort, wobei sie sich ihrer Uniformen entledigten. Wieder andere Marinehelfer hatten gar nichts mehr zu tun und erhielten auf das Kriegsende wartend (und darüber hinaus), noch Auszeichnungen durch ihre vorgesetzten Offiziere. So zum Beispiel geschehen am 18. Mai 1945. An diesem Tag wurden acht Angehörige der Marinehelfer auf Wangerooge, die sich in der Flakstellung Saline befanden, von ihrem Küstenbefehlshaber mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse und dem Flak-Kampfabzeichen ausgezeichnet. Während also an der Westfront mehr oder weniger eine geordnete Waffen- und Kampfniederlegung durch die Marineangehörigen in den Küstenstreifen Deutschlands erfolgte, befanden sich die Marinehelfer an der Ostfront noch im direkten harten Fronteinsatz. In den dortigen Flakbatterien ging es schon seit Februar/März 1945 nur noch ums Überleben. Durch hohe Verluste und aufgrund mangelnder Nahkampfwaffen wurden die meisten Flakstellungen, die noch von Marinehelfern an einzelnen Küstenstreifen (Kurland, Ostpreußen) gehalten wurden, einfach von der Roten Armee überrannt und/oder vollständig aufgerieben. Mit viel Glück konnten noch eine wenige Marinehelfer (auch verwundete Helfer) auf dem Seeweg von Königsberg und Danzig aus evakuiert werden und so der Vernichtung entgehen. Zurückgebliebene Marinehelfer wurden von der Roten Armee in den meisten Fällen nicht als Freischärler behandelt, sondern wie reguläre Wehrmachtssoldaten. Dies schützte sie, obwohl minderjährig, jedoch nicht vor einer mehrjährigen sowjetischen Kriegsgefangenschaft. Diejenigen, welche sich noch auf dem Landweg zu den deutschen Linien durchschlagen konnten, verblieben bis Kriegsende vielerorts noch in den Reihen des Deutschen Volkssturmes.

Sonstiges

Beschwerden eines Batteriechefs

Der oft nahe Einsatz der Jugendlichen Helfer zum Wohnort brachte aber auch ungeahnte Schwierigkeiten mit sich. So gab es beispielsweise bei der (Luftwaffen) Flak Batterie L51 704 in Helmstedt (Harz), zahlreiche Anträge von Eltern, die ihre Söhne über das Wochenende nach Hause holen wollten, oder Freie Tage wegen „dringender familiärer“ Probleme beantragten. Dem zuständigen Batteriechef platzte daraufhin irgendwann der Kragen, dass er hier nicht eine Schule führe, sondern im Krieg stehe… So verfasste er ein kurioses Rundschreiben an die betroffenen Eltern, indem er diesen untersagte, von fernmündlichen Urlaubsanträgen abzusehen, weil z.B. Tante Emmi oder Onkel Gustav gerade zufällig zu Besuch seien. Ebenso kreidete er diesem Brief an, dass die Hälfte aller Eltern ihren minderjährigen Söhnen Zigaretten schickten (Ein Zeichen dafür, dass die Privatpost von den amtlichen Stellen geöffnet wurde). Für Flakhelfer, die mit einer Zigarette im Mund erwischt wurden oder wie vorgekommen, mit halbgerauchter Zigarette verspätet zum Flakeinsatz auftauchten, hagelte es empfindliche Disziplinarstrafen. Der letzte Anklagepunkt des Briefes des Batteriechefs betraf den Punkt bezüglich der Krankmeldungen. Als Beispiel führte er an, dass ein Flakhelfer an einem 3. Februar von einem Militärarzt als gesund und dienstfähig entlassen wurde, jedoch schon am nächsten Tag, den 4. Februar, von einem anderen Arzt erneut krank geschrieben war. Wie aus diesen Beispielen zu ersehen ist, waren den Flakhelfern, aber auch den Eltern, jedes Mittel recht ihre Sprösslinge vom Dienst an der Flak zu „befreien“. Ein Zustand, der bis Kriegsende nicht oder nur ungenügend abgestellt werden konnte.

Wortphrasen der Marinehelfer und Befehlsmeldungen

Neben der bei den Vorgesetzten nicht gern gehörten sogenannten Landsersprache, gab es bei den Marinehelfern auch eine eigene interne Sprache, die sich aus dem Allgemeinen Sprachjargon der damaligen Zeit ableitete oder sich einfach nur aus der Kurzfassung eines zu langen Wortes ergab. So wurden alliierte Bomberangriffe Thommyangriffe genannt, wobei die korrekte Schreibweise schon damals nicht eindeutig geklärt werden konnte. Sowjetische Luft- und später Bodenoffensiven wurden, parallel zum Wehrmachtsbegriff, mit Iwan betitelt. Daneben gab es eine Reihe von Kurzbefehlen bei der Geschützbedienung, die hier auszugsweise wiedergegeben werden sollen. So zum Beispiel:

  • Rohr frei! - Aussage des Ladekanoniers nach Prüfung des Flakrohres auf womögliche steckengebliebene und verkantete Flakgranaten („Rohrkrepierer“)
  • Feuer frei! - Aussage des Flakkommandanten für Feuereröffnung durch die Flakbatterie
  • Salventakt! - Aussage des Flakkommandanten für eine schnellere Schussfolge durch die Flak (siehe auch Salve)
  • Geschütz Dauerfeuer! - Aussage des Flakkomandanten für ununterbrochene Schussfolge
  • Sperrfeuer! - Aussage des Flakkomandanten angreifende Flugzeuge/Panzer zum Abdrehen zu bewegen um ein bestimmtes Ziel zu schützen

Geschichtliche Wertung

Grafische Darstellung des Operationsgebietes der Marinehelfer an den Küstenregionen des Reiches

Obwohl annähernd 200.000 Marine- und Luftwaffenhelfer ab 1943 bis Kriegsende ihren Dienst an der Seite der Wehrmacht verrichteten, kann ihr Einsatzerfolg, gemessen am Nutzen, nur als „gering“ angesehen werden. Zwar erzielten die Marinehelfer auch achtbare Einzelerfolge, doch blieben diese, aufgrund der Materialüberlegenheit der Alliierten eher der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. So blieb den Flakhelfer insgesamt nur eine kleine wie passive Rolle bei der Reichsluftverteidigung. Sie konnten auch nicht, wie von ihrer Staatsführung erhofft, die ihnen übertragenen übermenschlich aufgebürdeten Aufgaben zufriedendstellend lösen bzw. gerecht werden. Mit dem so aufgestellten „Flak-Verteidigungsriegel“ von nahezu 3000 km Küstenlinie wird die hoffnungslose Überlastung der Flakbatterien deutlich. So war die „Küstenfront“ über weite Zeiträume sogar länger als die der Ostfront mit Anfangs ca. 1600 km. Bedenkt man diese Ausdehnung wird klar, dass die Marinehelfer mit ihren wenigen Batterien von Anfang an auf verlorenen Posten gestanden haben, um einen flächendeckende Küstenschutz (und damit den Reichsschutz) zu gewährleisten. Der zuvor von der Parteiführung der NSDAP gelobte „Wellenbrecher“ der Bomberströme an Deutschlands Küsten war geschichtlich gewertet, reine Propaganda gewesen. Im sich zuspitzenden Endkampf im Frühjahr 1945, spielten die Marinehelfer dann ihre letzte große Rolle. So wurden die noch verbliebenen Batterien als eine Art „Frontfeuerwehr“ neben regulären Wehrmachtseinheiten an die zusammenbrechenden Fronten geworfen. Materiell und personell unterlegen, erfolgte ihr Schwanengesang nur noch punktuell ohne entscheidende oder hinhaltende Einflussnahme auf den Kriegsverlauf. Wie viele Flakhelfer getötet oder durch Verwundungen bleibende Schäden erlitten haben, ist unbekannt. Ebenso die Zahl derer, die aufgrund der traumatischen Erlebnisse, ernste physiologische Schäden für den Rest ihres Lebens davongetragen haben. Als Kindersoldaten missbraucht, sahen viele Marinehelfer sich ihrer Jugend beraubt. Zwar gab es im Nachkriegsdeutschland Bestrebungen, die erlittenen schul- bzw. beruflichen Defizite schnellstmöglich durch entsprechende Abendschulen (z.B. Einführung eines Schnellabiturs, Versetzungswohlwollens usw.) auszugleichen, aber der Großteil der ehemaligen Marinehelfer war zumindest in seiner weiteren beruflichen Entwicklung gestört bzw. gehemmt worden. Umso erfreulicher ist es, dass trotz dieser Nachteile, einige Marinehelfer hohe Positionen im ihren späteren Berufsleben erreichen konnten. Vergessen werden sollten an dieser Stelle auch nicht die Betreuungslehrer der Marinehelfer vor Ort. Sie waren zwar nicht in den militärischen Ablauf ihrer „Schüler“ involviert, durchlebten aber mit diesen ihren Alltag und teilten auch oft deren tödliches Schicksal. Am 10. Oktober 1945 wurde die Hitlerjugend zusammen mit allen übrigen der NSDAP angeschlossenen Organisationen, dies betraf auch die HJ-Marinehelfer, durch das Kontrollratsgesetz Nr. 2 verboten und aufgelöst. In der folgenden Nachkriegszeit formierten sich auch einige wenige Traditionsvereine aus ehemaligen Marinehelfern, so z.B. die ehemaligen Marinehelfer von Wangerooge. In der 1955 gegründeten Bundeswehr gibt es keine Marinehelfer mehr.

siehe auch

Weblinks

Literatur

Einzelnachweise

  1. Küstenlänge BRD: 2389 km, Küstenlänge Polen: 491 km, Küstenlänge Litauen: 99 km
  2. Die Flakhelfer - Luftwaffen- und Marinehelfer im Zweiten Weltkrieg von Hans-Dietrich Nicolaisen, Seite 149
  3. Die Flakhelfer - Luftwaffen- und Marinehelfer im Zweiten Weltkrieg von Hans-Dietrich Nicolaisen, Seite 151
  4. Die Flakhelfer - Luftwaffen- und Marinehelfer im Zweiten Weltkrieg von Hans-Dietrich Nicolaisen, Seite 10
  5. Die Flakhelfer - Luftwaffen- und Marinehelfer im Zweiten Weltkrieg von Hans-Dietrich Nicolaisen, Seite 238
  6. Die Flakhelfer - Luftwaffen- und Marinehelfer im Zweiten Weltkrieg von Hans-Dietrich Nicolaisen, Seiten 87 bis 97
  7. http://books.google.de/books?id=4hfWCFcCfGUC&printsec=frontcover&dq=luftwaffenhelfer+in+auschwitz&source=bl&ots=9H2JYuYUl3&sig=C9SuCQhGQnvfGr4PNEg8IDd-7n0&hl=de&ei=UonNS-aeH5-kOJ6qrLUP&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=1&ved=0CAkQ6AEwAA#v=onepage&q&f=false
  8. Die Flakhelfer - Luftwaffen- und Marinehelfer im Zweiten Weltkrieg von Hans-Dietrich Nicolaisen, Seite 141 bis 147
  9. a b Die Flakhelfer - Luftwaffen- und Marinehelfer im Zweiten Weltkrieg von Hans-Dietrich Nicolaisen, Seite 69
  10. Abbildung des Komandogeräts 40
  11. Abbildung des Kommandohilfsgerät 35
  12. Die Flakhelfer - Luftwaffen- und Marinehelfer im Zweiten Weltkrieg von Hans-Dietrich Nicolaisen, Seite 236
  13. Merkblatt für Einzuberufende Flakhelfer Punkt 4
  14. http://www.verlag-wh.de/buecher/NATO/NATO_SchrammAnhangWeb.pdf
  15. Die Flakhelfer - Luftwaffen- und Marinehelfer im Zweiten Weltkrieg von Hans-Dietrich Nicolaisen, Seite 183 bis 187

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