- Jonval-Turbine
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Die Jonval-Turbine, auch Henschel-Jonval-Turbine, ist eine im Jahre 1843 in Frankreich vom Ingenieur Nicolas J. Jonval patentierte Wasserturbine.
Inhaltsverzeichnis
Wirkungsprinzip
Die Jonval-Turbine ist eine Überdruckturbine. Das Wasser durchströmt die Turbine von oben nach unten, wobei die fest über dem Laufrad angeordneten gekrümmten Leitschaufeln das Wasser seitlich umlenken, so dass es auf die gegenläufig gekrümmten Schaufeln des Laufrades trifft. Die wichtigste Neuerung war das unterhalb der Turbine angeordnete Saugrohr, das als Diffusor wirkt. Durch diese Anordnung ließ sich erstmals die gesamte Fallhöhe nutzen, auch wenn die Turbine über dem Unterwasserspiegel angeordnet war. Die Regelung der Turbine erfolgt über das Abdecken der Leitschaufeln, so dass das Laufrad nur teilweise beaufschlagt wird.
Geschichte
Die beschriebenen Turbine wurde 1837 von Carl Anton Henschel erfunden, wobei ihm in Hessen ein Patent auf der Konstruktion verweigert wurde. Eine erste Anlage wurde 1841 in einer Steinschleiferei in Holzminden eingesetzt.[2] Eine weitere gleiche Turbine baute Henschel 1841 für einen Steinbearbeitungsbetrieb in Braunschweig. Die dort installierte Anlage wurde vom Franzosen Nicolas J. Jonval nachgebaut und in Frankreich patentiert. Die Turbine wird deshalb meist nach dem Franzosen als Jonval-Turbine bezeichnet, in Deutschland ist aber auch die Bezeichnung Henschel-Jonval-Turbine verbreitet, welcher den tatsächlichen Erfinder der Bauart nennt.
Jonval-Turbinen spielten eine wichtige Rolle in der Industrialisierung an Orten, wo sich die Wasserkraft nutzen ließ. Sie stellten gegenüber Wasserrädern eine deutlich größere Leistung zur Verfügung, wobei die mechanische Energie mit Transmissionen und ähnlichem zum direkten Antrieb der Maschinen genutzt wurde.
Anwendungen
Beispiele von Anwendungen der Jonval-Turbine:
Usine des Forces Motrices de la Coulouvrenière, Genf
Das 1886 in Genf fertiggestellte «Kraftwerk» produzierte keinen Strom, sondern speiste Wasser in ein Leitungssystem mit 13,7 bar Betriebsdruck. Dieses Druckwassernetz lieferte die mechanische Energie an die Industrie- und Handwerksbetriebe, welche mittels Wassermotoren und Faesch-Piccard-Turbinen die Energie dem Druckwassernetz wieder entnehmen konnten und sie zum Antrieb von Transmissionen und Generatoren nutzen. Jede der 18 installierten Jonval-Turbinen trieb zwei Kolbenpumpen an. Die Anlage mit 6000 PS installierter Leistung war damals eine der größten in Europa. Die im System nicht benötigte Energie wurde über den Jet d’eau abgelassen.[3]
Fairmount Water Works, Philadelphia
Das Wasserwerk in Philadelphia nutzte drei Jonval-Turbinen zum Antrieb der sechs Kolbenpumpen, welche das Reservoir einer der ältesten städtischen Wasserversorgungen Nordamerikas mit Wasser aus dem Schuylkill River füllten.
Kraftwerk Mühlenplatz, Luzern
1889 wurden drei Jonval-Turbinen in Luzern in Betrieb genommen, welche die Transmissionen eines Gewerbehauses am Mühlenplatz antrieben. 1926 wurden die Transmissionen stillgelegt und die Turbinen für den Antrieb eines Generators genutzt. Die Anlage stand bis 1977 in Betrieb.[4]
Wasserwerk am Hochablaß, Augsburg
Von 1878 bis 1910 wurden drei Jonval-Turbinen zum Antrieb von drei Kolbenpumpen zur Trinkwasserversorgung im Augsburger Stadtgebiet verwendet. Erbaut wurde die Anlage am Hochablaß, ab 1910 mit Francis- und Kaplan-Turbinen modernisiert. Nach weiteren Modernisierungen war es bis 2007 als Wasserwerk in Betrieb und dient seitdem als Wasserkraftwerk. Jonval-Turbinen waren auch mit dem Beginn der Industrialisierung in vielen Augsburger Industriebetrieben im Einsatz. Später wurden diese durch andere Energieerzeugungen ersetzt und verdrängt.
Einzelnachweise
- ↑ Erklärungstafel an der Jonval-Turbine beim Schiffbau im Escher Wyss Quartier, Giessereistrasse 5, 8005 Zürich, Schweiz
- ↑ Martin Gschwandtner:Gold aus den Gewässern: Viktor Kaplans Weg zur schnellsten Wasserturbine. GRIN Verlag, Norderstedt 2007, ISBN 978-3638715744
- ↑ Serge Paquier (Hrsg.):L'eau à Genève et dans la région Rhône-Alpes: XIXe-XXe siècles. L'Harmattan, Paris 2007, ISBN 9782296044821, S. 92 ([1]
- ↑ Markus Jud: Luzern: Mühlenplatz. Abgerufen am 14. September 2009.
Weblinks
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