Chalutz

Chalutz

 Dan Chalutz?/i (hebräisch ‏דן חלוץ‎, auch Dan Halutz; geboren 7. August 1948 in Tel Aviv) ist ein israelischer General. Chalutz war von 2000 bis 2004 Kommandeur der israelischen Luftstreitkräfte (IAF) und vom 1. Juni 2005 bis zum 17. Januar 2007 der 18. Generalstabschef der israelischen Streitkräfte (Tzahal). Am 17. Januar 2007 bat er Ministerpräsident Ehud Olmert um seine Entlassung und übernahm die Verantwortung für die Fehler, die im Libanonkrieg 2006 gemacht wurden.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Chalutz' Eltern wanderten aus dem Iran nach Israel ein. Er wuchs im Moschaw Chagor im Scharontal auf und ging in Petach Tikwa und Cholon zur Schule, studierte an der Universität Tel Aviv und schloss sein Studium mit einem Bachelorgrad in Wirtschaftswissenschaften ab. Chalutz ist verheiratet und hat drei Kinder (zwei Jungen und ein Mädchen).

Militärische Laufbahn

Chalutz trat 1966 in die IAF ein und schloss die Fliegerkampfschule 1968 ab. 1969 schloss er sich dem ersten F-4 Phantom-Geschwader der IAF an. Während des ägyptisch-israelischen Abnutzungskrieges flog Chalutz 40 Einsätze.

Nach dem Krieg verließ er die Armee, um zu studieren, kehrte aber, als der Jom-Kippur-Krieg 1973 anfing, wieder zurück zur Tzahal. Während dieses Krieges flog er 43 Einsätze, während deren er drei feindliche Flugzeuge im Nahkampf abschoss.

1978 verließ er die Tzahal und diente für vier Jahre als Reservist, kehrte aber 1982 wiederum zurück und wurde auf der neuen F-16 geschult. 1986 kommandierte er das Phantom-Geschwader und noch im selben Jahr wurde er zum Leiter des IAI Lavi, einem Projekt zur Entwicklung israelischer Jets. Nachdem dieses Projekt wegen Finanzierungsproblemen aufgegeben wurde, wurde er 1991 zum Kommandanten des Hatzor-Stützpunktes der Luftstreitkräfte ernannt.

1993 wurde er zum Brigadegeneral befördert und zum Leiter der Lufteinheit ernannt. 1995 folgte die Ernennung zum Leiter des Luftstreitkräftehauptquartiers. Seine Karriere führte sich in der Ernennung zum Generalmajor 1998 und 1999 zum Leiter der operativen Teils des Generalstabs der Tzahal fort.

2000 folgte die Ernennung zum Kommandanten der Israelischen Luftstreitkräfte. Er befehligte die IAF während der al-Aqsa-Intifada. Sein Hauptverdienst sind die verstärkte Kooperation zwischen Luftstreitkräften, den Bodentruppen und des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, dem massiven Einsatz von Drohnen, der verstärkte Einsatz von Präzisionswaffen und eine starke Verringerung der Unfälle bei den Luftstreitkräften. Unter seiner Leitung nahm die IAF an mehreren gezielten Tötungen von palästinensischen Führern teil. Während der Amtszeit von Chalutz traten nur wenige Unfälle auf, von denen keiner tödlich war. Auf der anderen Seite gab es vermehrt zivile Verluste unter der palästinensischen Bevölkerung.

2004 wurde er zum Vize-Generalstabschef ernannt, und am 23. Februar 2005 gab der israelische Verteidigungsminister Schaul Mofaz bekannt, dass Chalutz der neue Generalstabschef werde. Am 1. Juni 2005 wurde er schließlich offiziell zum achtzehnten Generalstabschef der Tzahal ernannt und zum Generalleutnant befördert. Er ist damit der seit den siebziger Jahren erste Generalstabschef, der nicht von den Fallschirmjäger kommt.

Chalutz ist überzeugt davon, dass sich der palästinensische Terrorismus militärisch besiegen lasse. Auch die nukleare Bedrohung durch den Iran, im Falle eines Scheiterns der europäischen Initiative, militärisch zu lösen, will er nicht ausschließen. Chalutz ist im Gegensatz zu Mofaz ein Befürworter des Scharon-Plans. Chalutz ist der erste Generalstabschef, der von den Luftstreitkräften kommt, der dritte aus einer sephardischen Familie (nach David Elazar und Schaul Mofaz) und zugleich der bisher älteste.

Im Januar 2007 übernahm er die Verantwortung für die im Libanonkrieg 2006 gemachten Fehler und bat Ministerpräsident Ehud Olmert um seine Entlassung.[2] Am Morgen nachdem Chalutz Olmert informiert hatte, sprach er mit den Mitgliedern des Generalstabs und gelobte eine reibungslose Kommandoübergabe an seinen Nachfolger. Bis dieser feststeht, übernimmt der stellvertretende Generalstabschef Mosche Kaplinski die Amtsgeschäfte.[1]

Chalutz während der al-Aqsa Intifada

Unter Leitung Chalutzs der israelischen Luftstreitkräfte wurden F-15E- und F-16 gekauft, fähig strategische Bombardierungen bei allen Wetterverhältnissen durchzuführen. Auch fanden nun unbemannte Drohnen zur Aufklärung vermehrte Verwendung.

Unter seiner Führung fanden vermehrt völkerrechtlich umstrittene, gezielte Tötungen von des Terrorismus bezichtigten palästinensischen Führern statt. Er geriet in die Kritik, da bei diesen Missionen auch immer wieder unbeteiligte Zivilisten ums Leben kamen.

Im August 2002 wurde von der IAF eine Ein-Tonnen-Bombe auf ein Gebäude abgeworfen, in dem sich der Führer der Qassam-Brigaden Salah Shehade befand. Shehade wurde dabei getötet, mit ihm 14 weitere Personen. Zwar entschuldigte sich Israel, doch wurde der Angriff mit der Notwendigkeit gerechtfertigt, die „tickende Bombe“ zu stoppen. Darauf folgend wurde der Pilot von israelischen linksgerichteten Aktivisten und mehreren Journalisten des Kriegsverbrechens beschuldigt. Die Friedensinitiative Gusch Schalom drohte damit, den Piloten dem Internationalen Gerichtshof auszuliefern. Chalutz, der seine Untergebenen zu schützen suchte, gab daraufhin am 21. August 2002 ein Interview mit der israelischen Tageszeitung Haaretz. Darin sagte er zu seinen Piloten:

[Zu Piloten] „Jungs, (...) ihr könnt des Nachts gut schlafen. Ich schlafe übrigens auch gut. Ihr seid nicht die, welche die Ziele aussuchen, und ihr habt sie auch in diesem Fall nicht ausgesucht. Ihr seid nicht verantwortlich für den Inhalt der Mission. Eure Missionsausführung war perfekt. Ausgezeichnet. Und ich wiederhole es nochmals: Es gibt kein Problem euch betreffend. Ihr habt exakt getan, was euch aufgetragen wurde. Ihr seid davon keinen Millimeter nach rechts oder links abgewichen. Und jeder, der damit ein Problem hat, ist zu mir eingeladen.“

Auf die Frage, ob die Mission ein moralischer Fehler wegen der hohen zivilen Verluste gewesen sei, antwortete Chalutz, dass die Planung moralische Überlegungen beinhaltete, sich der Charakter der Mission aber durch Fehler oder Unfälle nicht ändere. Weiterhin wurde er gefragt, ob sich bezüglich der toten Zivilisten bei der Planung zukünftiger Missionen etwas ändern werde. Seine Antwort darauf lautete:

„Definitiv nein. Nichts wird sich ändern, und es gibt keinen Grund, irgendetwas zu ändern.“

Auf die Frage über die Gefühle der ausführenden Piloten oder seine eigenen, wenn er eine Bombe abwirft, sagte er:

„Nein, das ist keine berechtigte Frage und wird nicht gestellt. Wenn Sie aber dennoch wissen wollen, was ich fühle, wenn ich eine Bombe abwerfe, werde ich es Ihnen sagen: Ich fühle einen leichten Stoß im Flugzeug als Ergebnis des Abwurfs der Bombe. Eine Sekunde später ist es vorbei, und das ist alles. Das ist, was ich fühle.“

Im gleichen Interview verurteilte Chalutz die linken Gruppen, welche die Piloten beschuldigten, und forderte, sie wegen Verrats anzuklagen:

„Sind das die Leute, für die die israelischen Luftstreitkräfte tagtäglich kämpfen? All diese tief traurigen Menschen, welche die Frechheit besitzen, Mafiamethoden anzuwenden und die Piloten zu erpressen - ich kann mich nicht erinnern, dass sie jemals gedroht hätten, einen von den Terroristen, die Terroristen ,welche viele israelische Zivilisten töteten, nach Den Haag auszuliefern. Was ich über diese Leute sagen muss, ist: Das hier ist eine Demokratie, in welcher jeder sagen kann, was seine Meinung ist. Aber [es gestattet] nicht, ein Verräter zu sein.“
[Interviewer fragt] „Wollen sie damit andeuten, dass die Mitglieder der Gusch Schalom, welche diese Kommentare machten, wegen Verrats angeklagt werden sollten?“
[Chalutz antwortet] „Wir müssen die richtige Klausel im Gesetz finden, um sie in Israel anzuklagen. Ja. Sie wollten mit mir über Moral sprechen, und ich sage, dass ein Staat, welcher sich nicht selbst schützt, unmoralisch handelt. Ein Staat, welcher seinen Kämpfern nicht beisteht, wird nicht überleben. Glücklicherweise steht der Staat Israel seinen Kämpfern bei. Diese lautstarke, aber vernachlässigbare Minderheit erinnert an dunkle Zeiten in der Geschichte des jüdischen Volkes, als eine Minderheit unter uns unser Volk ausgeliefert hat. Wer hätte gedacht, dass Piloten der Luftstreitkräfte ihre Autos wegen einer ausgeführten Mission mit primitivem Graffiti besprüht vorfinden würden?“

(Das Interview: Haaretz, August 21, 2002)

Die barschen Äußerungen von Chalutz entfachten einen öffentlichen Streit ausgehend von der israelischen Linken. Die politische Rechte sowie das Zentrum unterstützten Chalutz mit der Behauptung, er sei verpflichtet, unschuldigen Zivilisten keinen Schaden zuzufügen, allerdings nicht auf Kosten der Leben von unschuldigen Israelis. Andere Kritiker bezweifelten, dass die Ansichten, die er in diesem Interview ausdrückte, dem Gebot der Reinheit der Waffen der Tzahal entsprächen.

Der Ernennung Chalutzs zum Vize-Generalstabschef der Tzahal hin folgend, reichten israelische Friedensaktivisten (Israeli Peace camp) zusammen mit der Gruppe der Kriegsdienstverweigerer Yesh Gvul ein Gesuch beim Obersten Gerichtshof Israels (BAGATZ) ein, um die Ernennung zu verhindern. Dem Gesuch wurden Auszüge des Interviews beigelegt.[3]

Die Richter verfügten, dass Chalutz in einer Erklärung seine Standpunkte bezüglich des Interviews darlegen muss. Chalutz entsprach dem und antwortete wie folgt:

„Die Tatsache, dass unbeteiligte Zivilisten und unschuldige Kinder getötet wurden, macht mich traurig. Ich bedaure das. (...) [Ein Grundsatz der Luftstreitkräfte] ist, die minimal nötige Menge an Kraft anzuwenden, um die Mission zu erfüllen. (...) Falls jemand derer, die an der Operation beteiligt sind, wüsste, dass es solch tragische Folgen gäbe - die Operation würde gestrichen [oder verschoben]. Ein Beweis dafür ist, dass die Operation schon einige Male aufgrund von Informationen über mögliche Unschuldige im Umkreis des Terroristen Salah Shehade verschoben wurde. Ich räume der Frage der Verteilung von Verantwortung zwischen dem Kommandanten und seinen Unterstehenden, zwischen Piloten und denen, welche sie zur Mission schicken, großen Wert ein, und daher habe ich (ihnen) gesagt, in der Nacht gut zu schlafen.“

Im Jahre 2005 akzeptierte BAGATZ die Antwort von Chalutz und lehnte das Gesuch ab.

Auf die Ankündigung von Schaul Mofaz, Chalutz zum Generalstabschef der Tzahal zu machen, verurteilten die Partei Meretz-Jachad sowie die arabischen Mitglieder der Knesset (israelisches Parlament) diese Entscheidung. Mitglieder des rechten und zentralen Flügels begrüßten seine Ernennung und verurteilten den linken Flügel für seine Einwände gegen Chalutz. Knesset-Mitglied Gideon Sa'ar (Likud) sagte, die Ernennung von Chalutz sei ein Erfolg für die extreme Linke.

Libanonkrieg 2006

Vorwurf von Insidergeschäften

Am 15. August 2006 wurde bekannt, dass Chalutz drei Stunden, nachdem zwei Israelis von der Hisbollah entführt worden waren, was als Auslöser für den Libanonkrieg 2006 gilt, seinen Kapitalanlagebestand im Wert von etwa 21.500 € verkauft hatte. Während diese Handlung seitens des Generalstabschefs legal ist und solche Transaktionen lediglich Ministern untersagt sind, hatte der Ombudsmann Micha Lindenstrauss gefordert, diese Regelung auf den Generalstabschef und weitere führende Mitglieder der Regierung auszudehnen, da diese ebenso Insiderkentnisse von kommenden Ereignissen haben können und diese auch mit Insidergeschäften ausnutzen können.

Mehrere Knessetmitglieder hatten Chalutz' Rücktritt gefordert, und einige Mitglieder des israelischen Generalstabs hatten den Rücktritt als unausweichlich bezeichnet.[4] Am 17. August lehnte es Chalutz offiziell ab, wegen der Affäre zurückzutreten und bezeichnete die Motive hinter der Veröffentlichung der Geschäfte als „boshaft und hinterhältig. Ich weiß nicht, wer dahinter steckt. Ich habe nicht vor, auf solch ein Niveau gezogen zu werden, [in einer solchen Form] meine Integrität zu hinterfragen.“ Der Sprecher der Armeepressestelle gab an: „Der Generalstabschef regelt tagtäglich die finanziellen Angelegenheiten seiner Familie, wie jeder andere Israeli auch. Routine-Bankgeschäfte gehören zu eben diesen Angelegenheiten...“. Chalutz bestätigte den Verkauf in Umfang und Zeitpunkt, gab jedoch an, dass der Verkauf unabhängig von der Entführung der beiden israelischen Soldaten vollzogen wurde und kritisierte die Offenbarung persönlicher, finanzieller Informationen über ihn.

Ergebnisse und Rücktritt von Chalutz

Die Hauptziele der 34-tägigen israelischen Offensive unter Chalutz, die beiden entführten israelischen Soldaten zu befreien und die Hisbollah-Miliz zu zerschlagen, wurden nicht erreicht. Stattdessen ging die Hisbollah zumindest politisch gestärkt aus dem Konflikt hervor. Es gelang der Militz mehr als 4000 Raketen in den Norden Israels zu schießen, wobei 39 Israelis ums Leben kamen. Insgesamt gab es auf beiden Seiten mehr als 1300 Tote. Chalutz reichte daraufhin ein halbes Jahr nach Kriegsende am 17. Januar 2007 seinen Rücktritt ein und gestand Fehler gemacht zu haben.[5] Der Untersuchungsbericht zum Libanonkrieg 2006 war zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht, es war allerdings bereits bekannt geworden, dass er schwere Kritik an Chalutz üben werde. Bei der Veröffentlichung einer vorläufigen Version am 30. April 2007 wurde Chaltuz vorgeworfen, der Bedeutung der von der Hisbollah auf israelisches Gebiet abgeschossenen Katjuscha-Raketen nicht ausreichend Beachtung geschenkt zu haben. Er hätte das Kabinett gezwungen seine Entscheidungen zu akzeptieren ohne ausreichende Alternativen zu seinen vorgelegten Plänen zu präsentieren. Darüber hinaus habe er kritische Stimmen aus der Armee daran gehindert alternative Meinungen bezüglich der militärischen Pläne zu veröffentlichen.[6]

Weblinks

Quellen

  1. a b Haaretz: IDF Chief of Staff Dan Halutz announces his resignation 17. Januar 2007; englisch
  2. Haaretz: In letter of resignation, Halutz says IDF 'unappreciated' by public 17. Januar 2007; englisch
  3. Yeshgvul: www.yeshgvul.org.il
  4. taz: Stuhl von Halutz kippelt 16. August 2006
  5. Süddeutsche Zeitung: Israelischer Generalstabschef zurückgetreten 17. Januar 2007
  6. Haaretz: Winograd committee: We won't call for resignations, let the public decide 30. April 2007

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