Champagnerfabrik Niederlößnitz

Champagnerfabrik Niederlößnitz
Sektkellerei Bussard, Lithografie-Postkarte von vor 1900, links die Moritzburger Straße

Die ehemalige Sektkellerei „Bussard“ wurde 1836 in der Lößnitz als Actienverein zur Fabrikation moussierender Weine gegründet, sie war damit die erste sächsische und lange Zeit zweitälteste Sektkellerei Deutschlands (nach Kessler). Die Gebäude in Radebeul stehen heute unter Denkmalschutz.[1][2] Die Tradition der Marke „Bussard“ wird vom Sächsischen Staatsweingut auf Schloss Wackerbarth fortgeführt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Moussierende Weine und Champagnerfabrik

1832 gründeten 75 Weinbauern, die sich auf der Flur Kötzschenbroda nördlich der Meißner Straße verstreut niedergelassen hatten, jedoch von der Gemeinde Kötzschenbroda nicht als ihre Einwohner angesehen wurden, den Niederlößnitzer Weinbergverein.

1836 gründeten die Weinbergbesitzer Ludwig Pilgrim (vom Mohrenhaus), Georg Schwarz (von Altfriedstein) und Carl Friedrich Sickmann (von Neufriedstein) auf dem Nierenberg auf der Ostseite der Moritzburger Straße (Nr. 44) den Actienverein zur Fabrikation moussierender Weine[3]. Das Gebäude ist ein zweigeschossiger Dreiflügelbau über einem 115 m langen Weinkeller, dessen Bau erst beim zweiten Mal gelang. Zur Bergseite hin befindet sich, über ein Nebengebäude verbunden, ein mit konvex ausgebildetem Walmdach versehenes Wohnhaus.

Aufgrund der Änderungen der Sächsischen Landgemeindeordnung von 1838 bildete sich 1839 durch förmliche Abtrennung von Kötzschenbroda im Süden und Kötzschenbroda Oberort im Norden die Gemeinde Nieder-Lössnitz mit damals 400 Einwohnern, auf deren Gebiet die Sektkellerei damit lag.

Erster Kellermeister dieser Fabrik für moussierende Weine war bis 1848 der aus Reims stammende Johann Joseph Mouzon, der die Produktion mit Flaschengärung nach Champagnerart aufbaute. Nach anfänglich 37.700 Flaschen wurde im Jahr 1846 eine Höchstleistung von 150.000 Flaschen erreicht. Mit der Umbenennung in Champagnerfabrik Niederlößnitz erlangte die Sektkellerei unter diesem Namen in den folgenden Jahrzehnten einen guten Ruf.

Während in den ersten Jahrzehnten die verfügbare Menge an aus dem Elbtal stammenden Weinen ausreichte, sorgte ab 1860 die Konkurrenz von drei weiteren Champagnerfabriken in der Lößnitz sowie nach 1880 die Reblauskatastrophe dafür, dass zunehmend auch Grundweine vom Rhein und von der Mosel verwendet werden mussten.

1886 erwarb die Firma Uhlitzsch, Richter & Co. die Champagnerfabrik Niederlößnitz, richtete Anfang der 1890er Jahre erstmals Gasträume ein und setzte den sich auf dem Mittelflügel befindlichen barockisierenden Dachreiter auf das Dach.

Sektkellerei „Bussard“

1897 erwarb die vorher in Meißen ansässige Sectkellerei Bussard Actien-Gesellschaft das Unternehmen. 1899 erwarb die Firma H. Schönrock’s Nachfolger Weingroßhandlung die Sektkellerei Bussard, löste die Aktiengesellschaft auf und führte das Unternehmen als GmbH weiter. Modernisierung der Baulichkeiten, Ausbau der Bewirtungskapazitäten sowie intensive Bewerbung der Marke „Bussard“ verhalfen der Sektkellerei sowie ihrem Restaurant Weinhaus und der Probierstube zu solcher Beliebtheit, dass neben Feinschmeckern auch regelmäßig Mitglieder des sächsischen Königshauses zu Gast waren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Produktion erst wieder 1955 als Sektkellerei Bussard Voigt & Co. KG aufgenommen, ab 1958 wurde der staatliche VEB Rotkäppchen Sektkellerei Freyburg beteiligt. 1972 erfolgte die Totalenteignung und Integration in das Radebeuler Volksweingut VEG(Z) Weinbau Radebeul. 1978/1979 wurde die Flaschengärung vor Ort eingestellt und die Sektproduktion nur noch auf dem Gelände von Schloss Wackerbarth betrieben, da das dort verwendete Tankgärverfahren produktiver als die Flaschengärung war.

Bereits zu DDR-Zeiten wurden die Gebäude zum technischen Denkmal erklärt, eine museale Nutzung scheiterte jedoch. Teile wurden als Lager, andere Teile als Jugendklubhaus „X. Weltfestspiele“ und als Diskothek „Sekte“ genutzt. Auch waren dort eine Kindertagesstätte und später ein Hort eingerichtet. Von 1990 bis 1997 wurde das Restaurant unter dem Namen „Weinstein“ betrieben. Nach Leerstand begann 2003 eine Sanierung zur Wohnanlage, die jedoch mittendrin scheiterte. Seit März 2007 wird der Gebäudekomplex unter Wahrung denkmalpflegerischer Belange in eine Wohnanlage mit 26 Wohnungen umgestaltet. Der Abschluss der Bauarbeiten ist für den Winter 2008 vorgesehen.

Fortführung der Tradition „Bussard“

In Fortführung der Tradition, die mit der 1836 als Fabrik für moussierende Weine gegründeten Sektkellerei Bussard begann, erwarb Schloss Wackerbarth die Rechte an der Marke „Bussard“. Der Sekt kommt heute, wie bereits seit 1979, aus Schloss Wackerbarth, wenige Kilometer entfernt ebenfalls in Niederlößnitz und zur Großlage Lößnitz gehörig. Der Nierenberg heißt heute Bussardberg, und er ist einer der Steillagen-Weinberge der Einzellage Radebeuler Steinrücken.

Bemerkenswertes

Der Politiker Hermann Müller (1876–1931) war der Sohn des 1892 gestorbenen Leiters der Sektkellerei Bussard. Müller war 1920 und von 1928 bis 1930 Reichskanzler der Weimarer Republik.

Der Maler und Radierer Moritz Retzsch, selbst auch Winzer in der Oberlößnitz, stellte 1836 eine detailgetreue Darstellung der Schaumweinherstellung in Niederlößnitz her.

Lößnitzer Schaumweine

Bereits vor der Fabrik für moussierende Weine stellte ab 1827 der Oberforstmeister Heinrich Henning August von Bredow, damaliger Besitzer des ebenfalls in der Lage Radebeuler Steinrücken liegenden, später Minckwitzscher Weinberg genannten Weinbergsbesitzes aus Lößnitztrauben erfolgreich Schaumweine her.

Literatur

  • Frank Andert (Redaktion); Große Kreisstadt Radebeul (Hrsg.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz. 2., leicht geänderte Auflage. Stadtarchiv, Radebeul 2006, ISBN 978-3-938460-05-4. 
  • Volker Helas (Bearb.); Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Stadt Radebeul (Hrsg.): Stadt Radebeul. [Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmale in Sachsen].. SAX-Verlag, Beucha 2007, ISBN 978-3-86729-004-3. 

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Verzeichnis der Kulturdenkmale der Stadt Radebeul. Große Kreisstadt Radebeul, 17. April 2008, S. 20. Abgerufen am 6. März 2009. (PDF)
  2. Verzeichnis der Kulturdenkmale der Stadt Radebeul. Große Kreisstadt Radebeul, 17. April 2008, S. 19. Abgerufen am 6. März 2009. (PDF)
  3. Sektkellerei Bussard Voigt & Co. KG, Radebeul im Hauptstaatsarchiv Dresden

51.11486388888913.6324138888897Koordinaten: 51° 6′ 54″ N, 13° 37′ 57″ O


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