Charles-Henri Sanson

Charles-Henri Sanson
Charles-Henri Sanson, Zeichnung von Eustache Lorsay (1822-1871)

Charles Henri Sanson, eigentlich Chevalier Charles-Henri Sanson de Longval (* 15. Februar 1739 in Paris; † 4. Juli 1806 ebenda) war seit 1778 offizieller Henker von Paris und wurde als "der" Scharfrichter der Französischen Revolution bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sanson wurde als ältester Sohn von Charles-Jean-Baptiste Sanson (1719-1778) sowie dessen erster Ehefrau Madeleine Tronson geboren. Er entstammt einer Henkersfamilie, die ursprünglich aus der Picardie stammte und seit 1688 das Scharfrichteramt in Paris und Versailles ausübte: Charles-Louis Sanson (1635-1707) heiratete 1675 Marguerite Jouënne († 1681), Tochter des Henker von Rouen, Pierre Jouënne, und ging als Witwer 1687 nach Paris. Am 24. September 1688 trat er das Erbe des Henkersamtes von seinem Vorgänger Nicolas Levasseur in Paris an und ehelichte 1699 Jeanne-Renée Dubut. Sohn Charles Sanson (*1681, † 25. September 1726) aus erster Ehe übernahm das Amt von 1707 bis 1726 und heiratete 1707 Anne-Marthe Dubut. Sein Nachfolger war Sohn Charles Jean-Baptiste Sanson. Wegen dessen Minderjährigkeit (7 Jahre) vertrat ihn seine Mutter und deren zweiter Ehemann, François Prudhomme, als "Regent" (frz. régent), offizieller Titel eines Interimshenkers) bis 1739.

Charles-Henri Sanson wurde zunächst in der Klosterschule von Rouen erzogen, bis er als Vierzehnjähriger 1753 durch die Indiskretion des Vaters eines anderen Schülers, der den Henker, seinen Vater, bei einem Besuch erkannte, die Schule zum Bedauern des Leiters verlassen musste, um ihren guten Ruf nicht zu gefährden. Charles Henri erhielt fortan Privatunterricht und ging an die Universität Leiden, um Arzt zu werden. Er hegte eine besondere Abneigung gegen das erbliche Gewerbe seiner Familie.

Henker als Beruf

Grab Charles-Henri Sansons, dessen Sohnes Henri Sanson mit Ehefrau Marie-Louise Damidot und Enkel Henri-Clément Sanson mit dessen Gemahlin Virginie-Emilie Lefébure

Einer schweren Lähmung seines Vaters und dem Durchsetzungsvermögen von Anne Marthe Sanson (Ehefrau von Charles Sanson), der Großmutter väterlicherseits, ist es zuzuschreiben, dass Charles-Henri sein Medizinstudium abbrach und den verhassten Beruf des Henkers zur Existenzsicherung seiner Familie 1754 antrat. Er wurde als „Monsieur de Paris“ - „Herr von Paris“ (= Henker (bourreau) von Paris) bekannt. Am 10. Januar 1765 heiratete Sanson die sechs Jahre ältere Marie-Anne Jugier, die seine zweite Ehefrau wurde. Sie hatten zusammen zwei Söhne, Henri (1767-1830), der sein Nachfolger wurde, und Gabriel (1769-1792), der bei den Hinrichtungen aushalf, allerdings bei dem Versuch, der Menge den abgeschnittenen Kopf eines Verurteilten zu zeigen, vom Gerüst fiel und verstarb.

1757 assistierte Charles-Henri Sanson seinem Onkel Nicolas-Charles-Gabriel Sanson (1721-1795, Henker von Reims) bei der extrem grausamen Hinrichtung und Verstümmelung des Königsattentäters Robert François Damiens. Durch sein gekonntes Eingreifen verkürzte er die Vierteilung des Delinquenten und damit seine Qual. Sein Onkel quittierte danach den Dienst als Henker. 1778 bekam er schließlich offiziell den blutroten Mantel, das Zeichen des Henkermeisters, von seinem Vater Charles Jean-Baptiste und war 38 Jahre in diesem Amt, bis er 1795, von Krankheit gezeichnet, von seinem Sohn Henri endgültig abgelöst wurde. Die überwiegende Mehrzahl der Hinrichtungen wurden von seinen bis zu sechs Henkersknechten ausgeführt. Charles-Henri Sanson ließ exakt 2.918 Köpfe rollen, darunter die von Ludwig XVI., obgleich er selbst ein Anhänger der Monarchie war und sich anfangs dagegen gesträubt hatte, den König zu exekutieren. Die Königin Marie Antoinette wurde von seinem Sohn Henri enthauptet, der de facto seit 1793 seinen Vater vertrat, doch war er selbst zugegen. Später folgten auf der Guillotine eine Reihe prominenter Revolutionäre wie Georges Danton, Camille Desmoulins, Maximilian de Robespierre oder Antoine de Saint-Just, deren Verurteilung Charles-Henri Sanson mit Genugtuung zur Kenntnis nahm. Er hat sie zeitlebens für den Tod seiner geliebten Frau verantwortlich gemacht, die beim Erstürmen seines Hauses, das er bereits verlassen hatte, wegen seiner Weigerung, "seinen" König zu exekutieren, erschossen wurde.

Befürworter der Guillotine

Charles-Henri Sanson war ein eifriger Befürworter des Vorschlags des Arztes Joseph-Ignace Guillotin, der einen simplen Mechanismus zum Köpfen für eine humanere Art der Hinrichtung hielt. Er argumentierte damit, dass der Henker nach mehreren abgeschlagenen Köpfen rasch ermüde, das Richtschwert sich abnütze und Anschaffungs- und Erhaltungskosten enorm seien.

Zu Sansons Hobbys zählten die anschließende Sezierung seiner Opfer und die Herstellung von Medikamenten mittels Heilkräutern, die in seinem Garten wuchsen. In seiner freien Zeit spielte er gern Violine sowie Cello, hörte Christoph Willibald Gluck und traf an den Musizierabenden öfters mit dem Cembalo-Hersteller und Musikfreund Tobias Schmidt, einem Deutschen, zusammen, der als tüchtiger Handwerker später die Tötungsmaschine bzw. Guillotine nach dem Konzept von Antoine Louis, dem Leibarzt des Königs, und Vorschlägen des Königs selbst erstellen sollte. Am 25. April 1792 wurde sie erstmalig auf dem Place de Grève (heute der Rathausplatz) durch Charles-Henri Sanson am Banditen Pelletier vollzogen.

Eine Anekdote berichtet, dass Charles-Henri Sanson nach seinem Rücktritt Napoléon auf der Straße begegnete. Napoléon fragte den ehemaligen Henker, ob er noch ruhig schlafen könne, nachdem er dreitausend Menschen hingerichtet habe. Sanson antwortete darauf lakonisch: „Wenn die Kaiser, Könige und Diktatoren ruhig schlafen können, warum soll's nicht auch der Henker können?“

Nachfolger

Im April 1793 übergab er sein Amt "de facto" an Sohn Henri Sanson (1767-1840), der es bis zu seinem Tode 1840 47 Jahre innehatte. Er war Revolutionssoldat (Sergent, dann Kapitän der Nationalgarde von Paris, später der Artillerie und Polizei der Tribunale) und Henker, guillotinierte u. a. Marie Antoinette und den Chefankläger Antoine Quentin Fouquier-Tinville (1795). Sein jüngerer Bruder Gabriel (1769-1792), seit 1790 Assistent seines Vaters Charles-Henri und Bruders Henri, war beim Zeigen eines abgeschlagenen Hauptes durch Sturz vom Gerüst zu Tode gekommen. Charles-Henri Sanson selbst starb am 4. Juli 1806 und liegt auf dem Montmartre Friedhof begraben. Im Familiengrab liegen auch sein Sohn Henri Sanson, dessen Frau Marie-Louise Damidot, der Enkel Henri-Clément Sanson und dessen Frau Virginie-Emilie Lefébure.

Henri-Clément (Henry-Clément) war der sechste und letzte in der Familie, der das Henkeramt seit 1830 als Assistent und offiziell von 1840 bis 1847 ausübte. Er vollzog 18 Hinrichtungen (darunter die von Pierre-François Lacenaire und Victor Avril 1836) und musste 1847 wegen seiner krankhaften Spielsucht seine Guillotine verpfänden. Als es bekannt wurde, kam er in Haft und musste den Behörden alles darlegen. Der französische Justizminister sah sich gezwungen, die Schulden seines Henkers zu bezahlen. Am 18. März 1847 wurde Henri-Clément Sanson, ein gebildeter und tüchtiger Mann, wegen seiner leidenschaftlichen Spielsucht seiner Amtspflichten entbunden. Damit endete die 159 Jahre lange "Amtszeit" der Familie Sanson als Henker von Paris. Eine letzte Hinrichtung auf der ausgelösten Guillotine hatte er noch auszuführen, bis Charles-André Férey als sein Nachfolger im Amt des Henkers bestallt wurde, der nach zwei Jahren von Jean-François Heidenreich abgelöst wurde. Henri-Clément Sanson schrieb in den folgenden Jahren seine Memoiren und die seiner Familie.

Literatur

  • Robert Christophe: Les Sanson, bourreaux de père en fils, pendant deux siècles. Arthème Fayard, Paris 1960.
  • Guy Lenôtre: Die Guillotine und die Scharfrichter zur Zeit der französischen Revolution. Kadmos, Berlin 1996. ISBN 3-931659-03-8
  • Hans-Eberhard Lex: Der Henker von Paris. Charles-Henri Sanson, die Guillotine, die Opfer. Rasch u. Röhring, Hamburg 1989. ISBN 3-89136-242-0
  • Chris E. Paschold, Albert Gier (Hrsg.): Der Scharfrichter - Das Tagebuch des Charles Henri Sanson (Aus der Zeit des Schreckens 1793-1794). Insel-Verlag, Frankfurt/M. 1989; ISBN 3-458-16048-5
  • Henri Sanson: Tagebücher der Henker von Paris. 1685-1847. Erster und zweiter Band in einer Ausgabe, hrsg. v. Eberhard Wesemann u. Knut-Hannes Wettig. Nikol, Hamburg 2004. ISBN 3-933203-93-7

Weblinks


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