Charlotte Grace Roche

Charlotte Grace Roche
Charlotte Roche während einer Lesung in Berlin 2007

Charlotte Elisabeth Grace Roche [rəʊʃ] (* 18. März 1978 in High Wycombe, England) ist eine deutsche Moderatorin, Produzentin, Sängerin, Schauspielerin, Sprecherin und Autorin britischer Herkunft.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Karriere

Die zweisprachig aufgewachsene Roche kam als Tochter eines Ingenieurs und einer politisch aktiven und künstlerisch tätigen Mutter[1] von London über die Niederlande im Alter von acht Jahren nach Deutschland. 1983, als Charlotte fünf Jahre alt war, ließen sich ihre Eltern scheiden. Diese Erfahrung arbeitet sie später in ihr Buch "Feuchtgebiete" ein. Sie wuchs hier überwiegend in einer eher kreativ-alternativen Szene am Niederrhein in einem liberal eingestellten Elternhaus auf. Die Grundschule besuchte sie in Niederkrüchten, 1989 wechselte sie auf das St. Wolfhelm Gymnasium im benachbarten Schwalmtal. Nach der achten Klasse zog sie nach Mönchengladbach und besuchte dort das Hugo-Junkers-Gymnasium im Stadtteil Rheydt, von welchem sie nach der elften Klasse abging. Erste Bühnenerfahrungen sammelte Roche in Theater-AGs während ihrer Gymnasialzeit. Im Jahr 1993 zog Roche von zu Hause aus und gründete mit drei Freundinnen die Garagenrock-Band „The Dubinskis“. Die Bandmitglieder schworen sich, niemals zu proben und auch nicht öffentlich aufzutreten. Es schloss sich eine Zeit an, in der Roche alles unternahm, um anzuecken – so brachte sie sich selbst Wunden bei, um Bilder mit ihrem Blut malen zu können, probierte verschiedenste Drogen aus oder rasierte sich eine Glatze.[2][3] Auf dem Weg zu Charlottes Hochzeit verstarben 2001 ihre drei Brüder zu diesem Zeitpunkt 21, 9 und 6 Jahre alt, bei einem Autounfall, ihre Mutter überlebte schwer verletzt.

Roche ist Mutter einer 2002 geborenen Tochter. Vater ist Eric Pfeil, der als Produzent und Autor von Roches ehemaliger Sendung Fast Forward fungierte.[4][5] Seit 2007 ist Roche mit dem Brainpool-Mitbegründer Martin Keß in zweiter Ehe verheiratet.[6][7]

Von der Zeitschrift FHM wurde Charlotte Roche 2009 zur „Unsexiest Woman in the World 2009“ auserkoren. Diesen wenig schmeichelhaften Titel erhielt sie durch eine Leserabstimmung. [8]

Moderation

Einem breiteren Publikum wurde Roche nach einem erfolgreichen Casting im Frühjahr 1998[9] durch ihre Moderatorentätigkeit auf VIVA Zwei in der Musiksendung Fast Forward, die sich auf die so genannte alternative Szene konzentrierte, bekannt. 2000 war Roche erstmals als Sprecherin in einem Hörbuch („Die Speed Queen“ von Stewart O’Nan) zu hören, zudem erhielt sie mit Trendspotting eine zweite Sendung. 2001 wurde Roche, mittlerweile Aushängeschild des Senders VIVA Zwei, erstmals für „ihren kompetenten und doch eigenen Moderationsstil“ für den Adolf-Grimme-Preis nominiert; ihre unkonventionelle Art der Interviewführung brachte der exzentrischen „Queen of German Pop Television“, wie sie von Harald Schmidt bezeichnet wurde[10], weitreichendes Lob ein.[11]

Nach Einstellung des Sendebetriebs von VIVA Zwei am 7. Januar 2002 wurde Fast Forward auf VIVA fortgeführt, gegen Ende 2004 jedoch ganz abgesetzt. Roche trat daraufhin in einen Fernsehstreik und verweigerte auch die Moderation der letzten noch geplanten Folgen.[12][13] Im Jahr 2002 hatte sie für ihre Leistungen im Rahmen von Fast Forward den Bayerischen Fernsehpreis erhalten, zwei Jahre später den Adolf-Grimme-Preis. Im gleichen Jahr wurde das Buch „Die Bärte der Proleten“ angekündigt, erschien aber nicht.

Auf ProSieben moderierte Roche ab 2003 zwischenzeitlich ihre eigene Interview-Sendung Charlotte Roche trifft..., die aber nach 13 Folgen wieder eingestellt wurde. Des Weiteren moderierte Roche 2006 bei ARTE vier vom ZDF produzierte Folgen des Musikmagazins Tracks.

2007 führte sie durch die Eröffnung der Internationalen Filmfestspiele von Berlin. Außerdem zählte sie für kurze Zeit zur Besetzung der Rateshow Pssst…, welche für die ARD mit Harald Schmidt als Moderator neu aufgelegt worden war.

Mit dem von Roche und Brainpool gestarteten Medienunternehmen „Punani Enterprises“[14] produzierte Roche eine Pilotfolge einer Fernsehversion des Gesellschaftsspiels „Wahrheit oder Pflicht“ mit verschiedenen Prominenten und Roche selbst als Gastgeberin. Das Format fand aber keinen interessierten TV-Sender und wurde dementsprechend nie ausgestrahlt. Über YouTube fanden jedoch im April 2007 vier jeweils sieben Minuten lange Teile der aufgenommenen Sendung Verbreitung und führten in Folge zu einer Reihe von Reaktionen in verschiedenen Medien.[15]

Im Jahr 2008 bekam sie bei 3sat eine eigene Sendung mit dem Titel „Charlotte Roche unter…“, in der sie Vertreter verschiedener Berufsgruppen bei ihrer Arbeit begleitet. [16]

Film und Literatur

Darüber hinaus gab es eine Vielzahl an Aktivitäten und Beteiligungen von Roche. So hatte sie 2002 einen Auftritt im Musikvideo zu „Club der schönen Mütter“ von Fehlfarben. 2003 übernahm sie eine Sprecherrolle für das Hörbuch zu Nick McDonells „Zwölf“. Im Jahr 2004 sang sie auf dem Album „Here Comes Love“ von Superpitcher den Titel „Träume“ und drehte auch ihren ersten Kinofilm Eden, der im Herbst 2006 ins Kino kam. Bis heute schreibt Roche in unregelmäßigen Abständen Artikel für die Zeitschrift Spex.

2005 ging Roche zusammen mit Christoph Maria Herbst und bei einigen Terminen mit Heinz Strunk quer durch Deutschland auf eine Lesereise, bei der sie Auszüge einer Dissertation von Theimuras Michael Alschibaja aus dem Jahre 1978 mit dem Thema Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern vortrug.[10] Auf dem Hörbuch „Henry Silber geht zu Ende“ ist sie als Sprecherin zu hören. Ebenfalls 2005 tritt Roche als Gastmusikerin auf der Rocko Schamoni-Single „Mauern“ im „Walls Remix“ auf.

Ein Jahr später produzierte Roche mit Bela B. ein Duett („1. 2. 3. ...“), welches auf dem Album „Bingo“ erschien und auch als Single ausgekoppelt wurde.[17] Roche erscheint auch im dazugehörigen Musikvideo.[18]

Im Februar 2008 erschien Roches Roman Feuchtgebiete, in dem Themen wie Analverkehr, Intimhygiene, Masturbationstechniken, Intimrasur und Prostitution provokant behandelt werden, der jedoch eigentlich die Auseinandersetzung der Ich-Erzählerin mit der Scheidung ihrer Eltern beschreibt. Das nach eigenen Angaben zu 70 % autobiografische Buch plädiert für eine weniger rigide Körperhygiene.[19][20][21]
Das Buch wurde zum Bestseller und war der erste deutschsprachige Titel, der den ersten Platz der internationalen Bestsellerliste des Online-Versandes Amazon erreichte.[22] Laut dem Marktforschungsunternehmen Media Control wurde die Geschichte mehr als eine Million Mal verkauft; das Buch stand mehr als sieben Wochen an der Spitze der Literatur-Charts.[23]

Auseinandersetzung mit Bild

Einen Tag vor ihrer für den 30. Juni 2001 in London geplanten Hochzeit verunglückte das Fahrzeug von Roches Mutter in Belgien auf dem Weg zur Feier. Roches drei Brüder starben dabei, ihre Mutter wurde schwer verletzt. Daraufhin soll ein Journalist, der sich Roche gegenüber als Bild-Mitarbeiter vorstellte, versucht haben, ein Interview mit ihr zu erzwingen, indem er damit drohte, anderenfalls einen negativen Bericht über Roche zu veröffentlichen. Trotz der Weigerung von Roche, ein Interview zu geben, gab es zumindest direkt im Folgenden keine negative Berichterstattung, vielmehr bestritt Bild, dass sie mit den Vorkommnissen etwas zu tun habe.[24][25]

Roche sieht sich als Opfer der Bild und geht gegen diese vor. So trug Roche am 8. Februar 2006 als Gast bei Harald Schmidt ein Kleid mit einer Aufschrift der URL des kritischen Watchblogs Bildblog[26]. Im Oktober 2007 beteiligte sie sich an einer Bild-kritischen Lesung.[27]

Die Bild brachte ferner im Zusammenhang mit der Veröffentlichung ihres Buches „Feuchtgebiete“ Schlagzeilen zum Thema wie „Was treibt Sie zu Schamlos-Charlotte?“[28] oder „Reich dank Sex-Buch - So ekelt Charlotte Roche ihr Konto voll“[29]. Dabei wurde von Bild unter anderem eine Literaturkritik verfälscht wiedergegeben, wodurch aus einer positiven Meinung von Roger Willemsen eine negative Aussage wurde.[30]

Nachdem 2001 bereits gegen ihren Willen über ihre Familie berichtet wurde, erfolgte im Juni 2008 eine weitere von Bild verursachte Persönlichkeitsrechtsverletzung gegenüber Roche. Unter Missachtung eines Verbots der (bereits 2003 geplanten) Veröffentlichung wurde ein Foto von ihr und ihrem Ehepartner in einem Artikel abgedruckt.[31]

Feminismus

Charlotte Roche wurde nicht nur durch ihren innovativen Moderationsstil bekannt. Sie gilt seit einigen Jahren auch als Vertreterin einer neuen feministischen Generation. Im Mai 2001 war sie auf dem Cover der Zeitschrift Emma zu sehen;[32] einige Standpunkte des klassischen 1970er-Jahre-Feminismus – wie etwa die vollständige Ablehnung von Pornografie – hält Roche für überholt und vertritt eher einen Sex-positive feminism.

„Junge Feministinnen müssen Alice Schwarzer für viel dankbar sein, zum Beispiel dafür, dass Frauen ihre Männer nicht mehr fragen müssen, ob sie arbeiten gehen dürfen. Bei vielen ihrer neuen Kampagnen, wie bei der Verteufelung von Pornos, können wir aber nicht mehr mitgehen. Frau Schwarzer möchte Sadomaso-Sex verbieten. Frauen sind aber total masochistisch, das wird auch sie nicht mehr ändern können. Ich habe keine Lust, Frau Schwarzer um Erlaubnis zu fragen, bevor ich im Bett richtig loslege.“

Roche im Spiegel-Interview[33]

Werke

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vanity Fair: Vanity Faces - Charlotte Roche
  2. Stern: „Die Neue in der Klasse“, 22. November 2003
  3. Das Lexikon der TV-Moderatoren: Charlotte Roche
  4. leshow.de: Der Kindergeburtstag ist vorbei! (im Original auf welt.de)
  5. vanityfair.de: Roche in VANITY FACES
  6. 20min.ch: Roche träumt von Frauenpuffs und Swingerclubs, April 2008
  7. kurier.at: Zur Person: Rebellin, Königin und Mutter
  8. FHM, Ausgabe 101, März 2009, Seite 51
  9. JFC Medienzentrum Köln: „Was guckst Du? – Wie multikulturell ist unser Fernsehalltag“, S. 12
  10. a b NEON Magazin: „Quickie mit dem Staubsauger“, 2. Mai 2005
  11. falter.at: „Ich mache Opa-Interviews“, 15. Oktober 2003
  12. FAZ:„ Charlotte Roche – Schneller Rücklauf“, 20. November 2004
  13. Süddeutsche Zeitung: „Charlotte Roche "wahnsinnig frustriert"“, 4. Dezember 2004
  14. netzeitung.de: „Charlotte Roche geht mit Willemsen pinkeln“, 29. April 2007
  15. Harald Staun: „Die hohe Kunst des Kindergeburtstags“. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 29. April 2007, S. 33
  16. Quotenmeter.de: 3sat: Verjüngung durch Roche und Bauerfeind
  17. Stern: „Die Neue in der Klasse“, 22. November 2003
  18. Charlotte Roche und Bela B. nackt im Swingerclub
  19. http://www.taz.de/1/leben/buch/artikel/1/schleimporno-gegen-hygienezwang/?src=MC&cHash=a70ab54d4e
  20. http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,537317,00.html
  21. http://www.umagazine.de/artikel.php?ID=32573
  22. http://www.economist.co.uk/books/PrinterFriendly.cfm?story_id=10952281
  23. Leute aus der Kultur. In: Schwäbische Zeitung vom 30. Dezember 2008
  24. tagesspiegel.de: Gegendarstellung zum Bericht über Recherchegewohnheiten der BILD-Zeitung, 15. November 2004
  25. bildblog.de: „"Bild" schockiert über "Bild"-Methoden“, 24. Oktober 2006
  26. Video auf youtube.com: Charlotte Roche bei Harald Schmidt, 8. Februar 2006
  27. taz: „Lesung mit Charlotte Roche: Bild ruiniert Menschen“, 27. Oktober 2007
  28. „Was treibt Sie zu Schamlos-Charlotte?“ von bild.de
  29. „Reich dank Sex-Buch - So ekelt Charlotte Roche ihr Konto voll“ von bild.de
  30. Runterputzfimmel von bildblog.de
  31. Griff ins Persönlichkeitsrechtsverletzungsarchiv von bildblog.de
  32. Emma, Mai/Juni 2001
  33. Interview 9/2008

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