Märtyrerkrone

Märtyrerkrone
Zug der Hl. Märtyrerinnen mit Kränzen und Palmen im Hintergrund[1]

Die Märtyrerkrone (lateinisch martyrii corona, auch corona fidei „Krone des Glaubens“) ist ein Attribut christlicher Märtyrer.

Inhaltsverzeichnis

Heidnische Herkunft

Hauptartikel: Corona (Antike)

In der Antike war die Corona, der aus Blüten und Blättern geflochtene Kranz bzw. dessen Nachbildung aus Metall im kultischen, öffentlichen und privaten Leben fast allgegenwärtig. Man bekränzte sich bei Opferhandlungen, sportlichen Veranstaltungen, Feiern, Gelagen, Hochzeiten und Begräbnissen. Der Herstellung von Kränzen widmeten sich spezialisierte Berufe und Industrien, und auch im römischen Heer spielte die Corona in unterschiedlichen Formen als Auszeichnung und bei bestimmten Gelegenheiten, beispielsweise beim Empfang eines Geldgeschenks durch den Kaiser, eine bedeutende Rolle.[2]

Vor allem die stets präsente Verbindung des Kranzes mit den antiken Göttern und ihren Kulten erregte Anstoß bei Christen. Der Kirchenvater Tertullian verfasste eine Schrift, in der er sich zunächst gegen die Bekränzung im Militärwesen wandte,[3] dann das Tragen von Kränzen allgemein erörterte und zu dem Schluss kam, dass Christen keine Kränze tragen dürften, und zwar aus den folgenden Gründen:

  1. Das Tragen von Blumenkränzen sei gegen die Natur, Blumen seien nämlich dazu da, angeschaut und berochen zu werden, bei auf dem Kopf getragenen Blumen sei beides nicht möglich.
  2. Das Bekränzen sei eine spezifisch heidnische Sitte, die Kränze seien den Göttern (z. B. dem Dionysos) heilig, daher sei das Kranztragen Götzendienst.
  3. In der Heiligen Schrift sei zwar kein Verbot des Kranztragens zu finden, aber schließlich sei ja alles verboten, was nicht ausdrücklich erlaubt ist.[4]

Abschließend meint Tertullian noch: „Wenn du dich mit Dornen nicht kannst krönen lassen, so solltest du dich wenigstens nicht mit Blumen bekränzen, weil das nicht angeht.“[5] Damit nimmt er auf die Dornenkrone Christi Bezug. So steht bei Joh 19,2 EU (und ähnlich bei Mt 27,29 EU und Mk 15,17 EU), dass die Soldaten des Pilatus Jesus einen Kranz aus Dornen (στέφανον ἐξ ἀκανθῶν stephanon ex akanthon) aufs Haupt gesetzt hätten. Das Wort stephanon ist übrigens die genaue griechische Entsprechung von corona.

Corona fidei

Aber bald änderte sich die Haltung der Orthodoxie und auch das Christentum fand seine Kronen und Kränze. Der Christ strebte jetzt nach der corona fidei, der Krone des Glaubens, die zwar nicht substantiell, sondern eher metaphysich oder metaphorisch war, dennoch aber die Erfüllung des christlichen Lebens, der Siegespreis in der Nachfolge Christi.

Bereits in den ältesten Schriften des Neuen Testaments wird der Siegerkranz metaphorisch gebraucht. Im 1. Brief an die Korinther schreibt Paulus:

Wisst ihr nicht, dass die, welche in der Rennbahn laufen, zwar alle laufen, aber einer den Preis empfängt? Lauft so, dass ihr ihn erlangt! Jeder aber, der kämpft, ist enthaltsam in allem; jene freilich, damit sie einen vergänglichen Siegeskranz [coronam] empfangen, wir aber einen unvergänglichen. Ich laufe nun so, nicht wie ins Ungewisse; ich kämpfe so, nicht wie einer, der in die Luft schlägt; sondern ich zerschlage meinen Leib und knechte ihn, damit ich nicht, nachdem ich anderen gepredigt, selbst verwerflich werde.[6]

In dem vermutlich aus dem 2. Jahrhundert stammenden 2. Brief des Clemens von Rom wird die Metapher aufgegriffen, ausgebaut und ins Drohende gewendet:

Wenn wir auch nicht alle gekrönt werden können, so wollen wir doch der Krone möglichst nahe kommen. Wir müssen nämlich wissen, daß, wer beim vergänglichen Wettkampf sich beteiligt und dabei auf einem Betrug ertappt wird, daß dieser gegeißelt, ausgeschieden und zum Kampfplatz hinausgeworfen wird. Was meint ihr, daß dem widerfährt, der beim unvergänglichen Kampfe betrügt?[7]

Corona martyrii

Die Märtyrerkrone des St. Sebastian wird von einem Engel überbracht.[8]

Im dritten Jahrhundert, unter dem Eindruck der großen Christenverfolgungen unter Decius und seinen Nachfolgern, gewann die Metapher eine neue Ausrichtung. War zuvor die Krone der Preis, der dem winkte, der in der Nachfolge Christi sein Ziel erreichte, war es nun ein ganz konkreter Sieg, nämlich die Überwindung der Christenverfolger. Wer bis zum Ende im Glauben fest blieb und auch angesichts von Folter und Tod nicht abschwor, der hatte die Welt besiegt und ihm winkte die Märtyerkrone, die Corona martyrii.

In seinem Brief An die Märtyrer und Bekenner schreibt Cyprian von Karthago:

Sie [die Kirche] trug Weiß bei den Werken der Brüder, nun ist ihr Kleid purpurn vom Blut der Märtyrer: es fehlt weder die Lilie noch fehlt die Rose unter ihren Blumen. Nun lasst einen jeden um den höchsten Preis ringen. Weiße Siegeskränze als Preis für die Arbeit, und purpurne Kränze als Preis für die Leiden. Im himmlischen Lager trägt sowohl Friede als Streit seine eigenen Blüten, aus denen man Christi' Soldaten Kränze wird winden.[9]

Die Voraussetzungen für das Erringen der Märtyrerkrone waren allerdings nicht jederzeit gegeben. So wurden die Verfolgten teilweise regelrecht beneidet, bzw. bestanden darauf, dass niemand ihnen den schon in Reichweite befindlichen Märtyrerkranz etwa durch eine unerwünschte Fluchthilfe entwinde. Ein frühes Beispiel dieser Haltung ist in dem Brief des Ignatius von Antiochien an die Römer überliefert:

Denn weder werde ich nochmals eine solche Gelegenheit, zu Gott zu kommen, finden, noch werdet ihr, wenn ihr schweiget, auf bessere Werke euren Namen setzen können. Denn wenn ihr von mir schweiget, bin ich Gottes Wort; wenn ihr aber mein (Leben im) Fleisch liebet, werde ich wieder bloß ein (leerer) Schall sein. Erweiset mir damit den größten Gefallen, daß ich Gott geopfert werde, solange der Altar noch bereit steht.[10]

Und weiter unten nochmals:

Betet für mich, daß ich ans Ziel gelange. Nicht dem Fleische nach habe ich euch geschrieben, sondern dem Willen Gottes entsprechend. Wenn ich leide, habt ihr es gut mit mir gemeint; wenn ich verworfen werde, habt ihr mich gehaßt.[11]

Bei Prudentius im 4. Jahrhundert schließlich ist die christliche Kranzmetaphorik voll ausgebildet. Sein Liber Peristephanon[12] ist eine Sammlung von 14 Gedichten, die bis auf das achte stadtrömischen bzw. spanischen Märtyrern gewidmet sind. Das Werk wurde stark rezipiert, beeinflusste die Gestaltung der (meist legendarischen) Märtyrerviten und wurde bis ins Mittelalter vielfach gelesen.

Ikonografie

St. Agnes mit Märtyrerkrone (aus der Schedelschen Weltchronik)
St. Lucia mit Märtyrerkrone (aus der Schedelschen Weltchronik)

Ursprünglich entspricht die Darstellung der Corona martyrii der antiken Corona, wie man sie etwa aus Darstellung der Kaiserzeit kennt. Ein Beispiel sind die spätantiken Mosaiken aus Sant’Apollinare Nuovo in Ravenna. Die von den Märtyrerinnen getragenen Kränze sind kaum zu unterscheiden von einer Corona civica, wie sie beispielsweise von einigen Büsten des Augustus bekannt ist.

Im Mittelalter, nachdem die antike Corona sich zur Krone des Herrschers umgeformt hatte, folgt die Ikonografie diesem Wandel. Die Märtyrer werden jetzt mit Kronen dargestellt, so beispielsweise in den Abbildungen der Schedelschen Weltchronik. Aber auch der Kranz erscheint noch gelegentlich, allerdings dann nicht auf dem Haupt des Märtyrers, sondern ein Engel kommt vom Himmel herabgeschwebt im Augenblick, in dem sich das Martyrium vollendet.

Vielleicht, weil in späteren Zeiten, als die Krone nur noch ein Herrschaftssymbol war, die Abbildung eines Heiligen mit Krone zur irrtümlichen Vermutung veranlasste, dass ein heiliger König dargestellt sei, vielleicht auch wegen Kollisionen mit anderen Kopfbedeckungen, etwa bei Märtyrern, die auch Bischof waren und als solche mit einer Mitra dargestellt werden, wurde in der neueren Ikonographie die Märtyrerkrone als Attribut immer mehr verdrängt von der Märtyrerpalme.

Einzelnachweise

  1. Mosaik des 6. Jahrhunderts in der Kirche Sant’Apollinare Nuovo in Ravenna.
  2. Tertullian De corona militis 1
  3. Tertullian De corona militis „Vom Kranze des Soldaten“ lateinischer Text BKV
  4. Tertullian De corona 2: „Sed quod non prohibetur ultro permissum est.“ − Immo prohibetur quod non ultro est permissum.
  5. Tertullian De corona 14: aut nec floribus coroneris si spinis non potes, quia floribus non potes.
  6. 1 Kor 9,24-27 ELB
  7. 2. Clem. 7
  8. Gemälde von Francesco di Giovanni Botticini; etwa 1505; Metropolitan Museum of Art, New York
  9. Cyprian epistolae VII: Erat ante in operibus fratrum candida, nunc facta est in martyrum cruore purpurea: floribus ejus nec lilia nec rosae desunt. Certent nunc singuli ad utriusque honoris amplissimam dignitatem. Accipiant coronas vel de opere candidas, vel de passione purpureas. In coelestibus castris et pax et acies habent flores suos, quibus miles Christi ob gloriam coronetur.
  10. Ignatius von Antiochen epistula ad romanos 2
  11. Ignatius von Antiochen epistula ad romanos 8
  12. Von griechisch περὶ στεφάνων Über den (Märtyrer)Kranz. Das Werk ist aber in lateinischer Sprache verfasst.

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