- Chlüsten
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Chlysten (auch: Khlisti und Gottesmenschen; russisch: 'xly-;: Geißler) sind eine im 17. Jahrhundert aus der Russisch-Orthodoxen Kirche hervorgegangene Sekte, die enthusiastisch ekstatische Merkmale vorweist. Sie wurden von der Russisch-Orthodoxen Kirche bekämpft.
Die überwiegend in Russland lebenden Chlysten haben versucht, durch Selbstkasteiung Christus in sich zu finden und selber zu Christus zu werden. Sie lehnen ehelichen Sex ab, sind aber bereit, sich größter Sünde hinzugeben, um somit, gemäß ihrer Vorstellung, durch die Sünde aus der Sünde herauszukommen. Rasputin wird nachgesagt, ein Mitglied der religiösen Gruppe der Chlysten zu sein.
Die russische Sekte der Chlysten glaubte, dass jeder Mann Christus und jede Frau Gottesmutter werden kann, wenn erst die Sünde aus dem Fleisch herausgepeitscht ist. Nachdem sie sich im Gottesdienst halb tot auspeitschten, fielen sie in wilder Promiskuität über einander her.
Die Chlysten glauben an die Inkarnation Gottes und Christi in zwei gewissen Bauern.
Inhaltsverzeichnis
Ursprung
Grass bespricht vier verschiedene Möglichkeiten bzw. Gruppierungen, von denen sich die Sekte herleiten könnte:
- Die Ableitung von abendländischer Sektiererei
- vom slawisch-finnischen Heidentum
- vom russischen Christentum
- von den Bogomilen
Er kommt zu dem Schluss, dass die Chlystowschtschina den letzten vorhandenen ekstatisch-asketischen Ausläufer des altkirchlichen Gnostizismus repräsentierte. (Grass. S. 648)
Legende
Laut den Überlieferungen der Chlysten über ihre Sekte, niedergelegt in Form von Dichtungen, Erzählungen und Liedern, habe einst im 14. Jahrhundert ihr erster Christus Awerjan gelebt, der auf dem Kulikowschen Feld von Mamaischen Tataren erschlagen worden sei. (Grass S. 3-4). Ferner ist die Rede von einem Christus Iwan Jemeljanow aus dem 16. Jahrhundert, der in der Zeit des Zaren Iwan der Schreckliche (1533-84) gelebt habe und sogar mit diesem zusammengetroffen sei. (Ibd. S. 4-7). Als Gründer der Sekte gilt aber erst Danila Philipow, ein dem Kriegsdienst entlaufener Soldat, Bespopowze und Schüler Kapitons, auch als „Umgetaufter“ bezeichnet. Dieser sei nicht Christus, sondern der fleischgewordene, vom Himmel herabgestiegene Gott Zebaoth (Ibd. S. 7), was im Jahre 1645 (Lichtfreund S. 53) auf dem Berg Gorodina, am Fluss Wjasma, geschehen sei (Grass S. 9). In feurigen Wolken und in einem feurigen Wagen, umgeben von Engeln, Erzengeln, Cherubim und Seraphim sei er herabgekommen, und während die himmlischen Kräfte sich wieder erhoben, sei nur der „wahre Gott Zebaoth“, Philipow, sichtbar geblieben (Ibd. S. 9-10).
Philipow begab sich erst in das Dorf Staraja, Gouv. Kostroma, später in die Stadt Kostroma selbst und begann den „wahren Glauben“ zu verkünden, und das Haus, wo er lebte, nannte man „Gotteshaus“. Zur Errettung der Seele sei lediglich nötig 1) Das goldene Buch, 2) Das Lebensbuch, 3) Das Taubenbuch und der Herrscher selbst, der Heilige Geist. Um die Unnötigkeit aller anderen Bücher zu zeigen, versenkte er alle seinen eigenen in der Wolga. (Ibd. S. 12-13).
Ein Bekanntwerden des „Gottes“ konnte auch dem Patriarchen Nikon nicht verborgen bleiben, der ihn 30 Jahre lang verfolgen ließ und schließlich bei Makari von Nischni-Nowgorod einfangen konnte. Im dunklen Kerker eines Klosters ließ man Philipow einkerkern, und während seiner Klosterhaft habe ein Nebel über der ganzen Erde gehangen (Ibd. S. 13). Man musste ihn jedoch wieder freilassen, und er ging zurück nach Kostroma, wo er seine 12 Gebote erließ. Sie ähneln den christlichen zehn Geboten, nur dass die ersten beiden besagen, dass er, Danila, selbst der einzige Gott sei und dass es keine andere Lehre außer der seinen gäbe.
Fünfzehn Jahre nach dem Ereignis auf dem Berg Gorodina bekehrte Philipow den Iwan Timofejewitsch Suslow zu seiner Lehre, oder wie es heißt, Suslow wurde auf geistige Weise von ihm gezeugt, wobei ihnen als „Gottesmutter“ Suslows leibliche Mutter, Irina Nesterowna, gilt. Diese hatte bis zu ihrem hundertsten(!) Lebensjahr keine Kinder gehabt, doch war ihr die Geburt eines Sohnes geweissagt worden. Als sie dann tatsächlich mit über Hundert Iwan gebar, verweigerte der bestürzte Pope die Taufe, und auch ein Pate fand sich erst nach sechs Wochen. Die Chlysten deuten das Ereignis als die Erfüllung einer Prophezeiung aus 4. (3.) Esra 7,26-28. (Ibd. S. 16-18).
Suslow galt fortan als Christus und predigte als solcher in den Gebieten seiner Heimat. In Zusammenarbeit mit Philipow fanden sich bald weitere Helfer, doch als Suslow etwa 33 Jahre alt war, erfuhr der Zar Alexej Michailowitsch davon und ließ ihn zusammen mit etwa 40 Helfern im Dorf Pogostj festnehmen, verhören und foltern, allerdings ohne Erfolg. Auch Patriarch Nikon und diverse Bojaren waren erfolglos und erfuhren nichts von seiner Lehre. Die Legende der Chlysten besagt, dass selbst das Feuer des Scheiterhaufens ihn nicht berührt habe. Und nachdem er endlich seine Seele ausgehaucht habe, sei er kurze Zeit später seinen Leuten erschienen und habe weitergelehrt. (Es ist wohl anzunehmen, dass er scheintot war und irgendwie von seinen Leuten aus dem Grab geholt wurde). Wieder erfuhr der Zar von seinem neuerlichen Wirken und ließ ihn erneut foltern. Nachdem man ihm die Haut hatte abziehen lassen, kam eine seiner Anhängerinnen, eine Jungfrau, und wickelte den Geschundenen in ein reines Laken. Da sei das Wunder geschehen, dass das Laken an ihm anwuchs und zu menschlicher Haut wurde. Ob Legende oder Wunder, all dies trug zur Vermehrung seiner Anhängerschaft bei. (Ibd. S. 19-20). Von diesen Dingen zeugen mehrere Lieder der Chlysten.
Auf ungeklärte Weise kam Suslow frei und soll noch über 30 Jahre lang in Moskau gelehrt haben. (Ibd. S. 25). Am 1. Januar 1700 soll dann in Anwesenheit aller versammelten Chlysten Danila Philipow mitsamt seinem Leib gen Himmel gefahren sein, und Suslow wanderte 15 Jahre lang umher, sich bei seinen Anhängern aufhaltend. Nach seinem Tod ließ Suslow seinen Leib zurück, um als Fleisch gewordener Gottessohn ein Beispiel frommer Demut und Duldung zu geben… (Ibd. S. 27)
Der Nachfolger von Suslow als leiblicher Sohn von Danila Philipow wurde der Nischni-Nowgoroder Strelitze Prokofi Danilowitsch Lupkin, der in einem der Moskauer „Gotteshäuser“ lebte und mit der aus dem gleichen Ort stammenden Strelitzentochter Akulina Iwanowna verheiratet war. Ihr Sohn Spiridion Prokofjewitsch Lupkin galt als großer Prophet. Mit ihnen beginnt die eigentliche, d. h. historisch fassbare Geschichte der Sekte.
Geschichte
Lupkin, der um etwa 1665 geboren wurde (Lichtfreund S. 53) und, wie man bei Grass auf S. 51 nachlesen kann, überhaupt erst von seiner Frau Akulina Iwanowna zu der Sekte bekehrt worden sei, kam Anfang des 18. Jahrhundert, spätestens aber 1714, von Nischni-Nowgorod nach Moskau. Über die genaue Datierung sind sich die russischen Forscher uneins (Vgl. Grass S. 48-49). Es heißt, dass sich seine Frau im Jahre 1706 oder 1707 von ihm getrennt habe, wobei sie ins Iwanowski-Kloster gegangen sei, um dortige Nonnen zu ihrer Sekte zu bekehren (Lichtfreund S. 54), wohingegen es bei Grass S. 51 heißt, Akulina sei erst nach dem Tod ihres Mannes (9. November 1732) ins Iwanowski-Kloster gegangen. Jedenfalls, etwa zwischen 1710 und 1714 sei das Paar nach Moskau übergesiedelt. Lupkin wohnte in Moskau hinter dem Sucharewturm und besuchte oft das Woskresenski-Kloster, das Neu-Jerusalem genannt wurde. Ab 1715 gingen Gerüchte um über eine neue Sekte, und am 13. Juni 1716 verhaftete man im Dorf Charitonowa an der Uleuma 21 Chlysten während der Radenje, unter ihnen Lupkin. Seine Frau Akulina Iwanowna bekleidete in der Sekte, die großteils aus der Weihe entbundenen Popen und Nonnen bestanden habe, zuerst den Rang einer Gottesmutter, musste diesen Rang aber später an Agafja Karpowna (alias Anastasija, wie sie seit der Weihe hieß) abgeben und war fortan nur noch eine „Salbenträgerin“. (Grass S. 51-52).
Agafja Karpowna galt laut Grass nicht einfach nur als die Gottesmutter des Iwanowski-Klosters, sondern aller Chlysten in Moskau und anderswo. Propaganda für sie habe besonders ein greiser Bettler namens Jakim Ignatjew gemacht, der verbreitete, dass im Kloster die heilige Nonne Nastasja lebe, welche die zu ihr Kommenden in der Lehre der heiligen Schrift unterweise. Gemeint waren aber die Regeln der Sekte und die Werbung zum Beitritt.
Im Januar 1733 wurden Akulina Lupkina, Spiridon Lupkin und Agafja Karpowna gemeinsam mit 75 anderen Chlysten während der Radenje verhaftet. Im Dachraum über Karpownas Klosterzelle wurden Betten gefunden, in denen angeblich Unzucht verübt worden sei, ja sie habe dort sogar ein Kind zur Welt gebracht. Am 11. Oktober 1733 fällte man über die Führungskräfte das Todesurteil, von den Mitgliedern der weltlichen Kommission unterschrieben, von den Bischöfen aber, wie es Usus war, nicht. Agafja Karpowna wurde der Weihe beraubt und nach Bestätigung des Todesurteils durch Kaiserin Anna Iwanowna enthauptet, Akulina Lupkina mit der Knute bestraft und dann ins Uspenski-Kloster der Stadt Dalmatow (damals Eparchie Tobolsk, heute Perm) zu Klosterhaft, Isolation und schwerer Arbeit verbannt. Spiridon Lupkin wurde ebenfalls gegeißelt und zu Zwangshaft nach Ochotsk in Sibirien verurteilt, blieb aber bis 1737 im St. Petersburger Gefängnis und wurde erst dann, und auch nur bis nach Jekaterinburg verschickt, wo er bis 1744 blieb. Im Januar 1744 reiste er mit einem Pass ausgerüstet nach Moskau, um ein Gnadengesuch bei Kaiserin Elisabeth zu stellen. Am 4. April 1744 erschien er in der Moskauer Kanzlei des hl. Synod und entfloh dann. Mehr ist über ihn nicht bekannt. (Grass S. 52-53).
Lehre
Aufnahmeritual, wie es in der von Akulina I. Lupkina geführten Sekte gehandhabt wurde: 'Küsse das Heiligenbild und es bekreuze sich gegenseitig Mann und Frau, Jüngling und Mädchen, und das wird eine geistige Bruderschaft sein.' (Grass S. 51).
Literatur
- Karl Konrad Grass: Die Gottesleute oder Chlüsten nebst Skakunen, Maljowanzü, Panijaschkowzü u. a.. Leipzig 1966 (Reprint von Dorpat 1907).
- John Eugene Clay: Russian peasant religion and its repression. The Christ-faith (Khristovshchina) and the origins of the „flagellant“ myth“, 1666-1837. University of Chicago, Chicago, IL 1989 (Dissertation).
- Lichtfreund: Rasputin und die Sekte der Chlysten. In: Er liebte die Gottesmutter. Die Wahrheit über Rasputin. Norderstedt 2005, S. 37-84.
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