Chronica Albeldense

Chronica Albeldense
Crónica Albeldense - Die ersten arabischen Zahlen in einem westlichen Manuskript

Die Crónica Albeldense (Chronik von Albelda, lateinisch: Chronicon Albeldense) ist eine Chronik, die im Königreich Asturien am Hof des Königs Alfons III. (866–910) verfasst wurde.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Der Verfasser ist unbekannt. Man vermutete früher, der Autor sei ein Toledaner Geistlicher namens Dulcidius, der am Schluss der Chronik erwähnt wird, doch ist die Forschung von dieser Ansicht abgekommen. Nach heutigem Forschungsstand ist davon auszugehen, dass er ein Geistlicher war, der am Königshof von Oviedo in der Umgebung von König Alfons III. lebte. Möglicherweise hat er sich längere Zeit in der Stadt León aufgehalten, in deren Verhältnissen er sich gut auskannte.[1]

Die ursprüngliche Fassung des Werks reicht nur bis zum Jahr 881, in dem sie abgeschlossen wurde; später fügte der Chronist zwei längere Abschnitte über die Jahre 882 und 883 hinzu. Im November 883 beendete er die jüngste Fassung.

Inhalt

Das Werk beginnt mit einer knappen Zusammenfassung der Geographie der Welt und gibt dann eine Aufzählung geographischer Daten zur Iberischen Halbinsel und ihren Provinzen, Städten und Flüssen und eine Übersicht zur Chronologie der Weltgeschichte seit Adam. Anschließend wird die Geschichte des Römischen Reiches von Romulus bis zum byzantinischen Kaiser Tiberios II. (698–705) behandelt. Es folgt die Geschichte der Westgoten, beginnend mit König Athanarich, und insbesondere des Westgotenreichs auf der Iberischen Halbinsel bis zu König Roderich (710–711), mit dem das Reich unterging. Den Abschluss bildet die Geschichte des Königreichs Asturien von Pelayo (718–737) bis zur Gegenwart des Verfassers. Dabei wird die Darstellung mit zunehmender Nähe zur Zeit des Chronisten immer ausführlicher. Zugleich wandelt sich der Stil; die ältere Geschichte ist mit trockenen Worten zusammengefasst, die Taten Alfons’ III. schildert der Chronist als sachkundiger Zeitgenosse detailliert und lebendig. Er verherrlicht diesen Herrscher, dessen militärischen Erfolg er als "heiligen Sieg" bezeichnet, womit er die später übliche Deutung des Kampfes gegen die Muslime als Heiliger Krieg vorwegnimmt.[2]

Historischer Zusammenhang und Quellenwert

König Alfons III. zeigte ein starkes Interesse an Geschichtsschreibung. Dabei ging es ihm darum, sein Reich als rechtmäßige Erneuerung des von der muslimischen Invasion vernichteten Westgotenreichs zu erweisen („Neogotismus“). Diesem Zweck dienten drei an seinem Hof entstandene Geschichtswerke: die in zwei Redaktionen erhaltene „Chronik Alfons’ III.“, an deren Abfassung der König selbst beteiligt war, die Crónica Albeldense und die im April 883 abgeschlossene „Prophetische Chronik“. Diese drei Chroniken werden von der Forschung unter dem Begriff „Zyklus Alfons’ III.“ zusammengefasst. In der Crónica Albeldense und der Chronik Alfons’ III. wurde teilweise dasselbe Nachrichtenmaterial ausgewertet, wie aus formalen und inhaltlichen Übereinstimmungen zu ersehen ist.[3]

Den Chroniken des Zyklus liegt eine Überlieferung zugrunde, in welcher der Untergang des Westgotenreichs als göttliche Strafe für die Sündhaftigkeit der letzten Westgotenkönige gedeutet wird und die militärischen Erfolge der asturischen Könige als Belohnung für deren Frömmigkeit erscheinen. Um den Leser von diesem Geschichtsbild zu überzeugen, schreckte dessen asturischer Urheber auch vor vorsätzlicher Geschichtsfälschung nicht zurück.[4] Dennoch betrachten moderne Historiker den „Zyklus Alfons’ III.“ mit großer Wertschätzung, denn es handelt sich um die einzigen chronikalischen Quellen aus der gesamten Epoche des Königreichs Asturien (718-910); ohne sie wäre über die Anfänge der Reconquista fast nichts bekannt. Auch für die späte Westgotenzeit bieten die asturischen Chroniken wertvolle, wenn auch tendenziöse Informationen.[5]

Handschriftliche Überlieferung

Die Crónica Albeldense ist in vier mittelalterlichen Handschriften (Codices) überliefert, von denen die beiden ältesten und wichtigsten, der „Codex Aemilianensis“ und der „Codex Albeldensis“, aus dem 10. Jahrhundert stammen. Die vollständigste Version enthält der Codex Aemilianensis, eine Abschrift aus dem Kloster San Millán de la Cogolla, die heute in der Bibliothek der Real Academia de la Historia in Madrid aufbewahrt wird.

Die Handschrift aus Albelda

Den Namen Albeldense erhielt die Chronik von der Abschrift aus dem Kloster San Martín de Albelda in Albelda de Iregua, La Rioja, kopiert und mit Königslisten weitergeführt bis zum Jahr 976 von dem Mönch Vigila (spanisch Vigilán). Der vollständige moderne Name lautet Codex conciliorum Albeldensis seu Vigilanus.

Die Handschrift umfasst 429 großformatige Seiten (455 x 325 mm), die zweispaltig in westgotischer Schrift beschrieben sind. Diese für die damalige Zeit luxuriöse Handschrift wurde 976 durch den Mönch Vigila und seine Assistenten Sarracino und García fertiggestellt. Vigila erwähnt seine Mitstreiter in einer Schlussbemerkung, außerdem erscheinen sie mit ihm neben anderen Personen in einer der besten Miniaturen.

Die Handschrift ist eine einzigartige Zusammenstellung des kanonischen und zivilen Rechts und unschätzbare Wissensquelle über das westgotische sowie über das asturische und galicische Königreich. Sie enthält die komplette Sammlung der spanischen Konzilien und ein Verzeichnis der Generalkonzilien. An diesen Hauptteil angefügt finden sich eine Auswahl Canones und Dekretale der Päpste bis zu Gregor dem Großen, einem Zeitgenossen Isidors von Sevilla. Sie enthält außerdem den Fuero Juzgo, d. h. die zivile Gesetzessammlung, wie sie von der westgotischen Epoche bis ins 13. Jahrhundert gültig war – die Lex Visigothorum. Weitere Texte sind historischen und liturgischen Charakters, wie die Vida de Mahoma, die Crónica Albeldense und ein Calendario, in dem erstmals die arabischen Ziffern 1 bis 9 in einem europäischen Schriftstück auftauchen.

Außerdem finden sich 82 Miniaturen in lebendigen Farben: teils ganzseitige Stadtbilder (z.B. von Toledo) oder Porträts wichtiger Persönlichkeiten. Obwohl ein Werk spanischer Mönche, sind diese Arbeiten dennoch nicht an westgotischen oder mozarabischen Vorbildern orientiert, sondern an den Werken karolingischer Miniaturisten.

Der Codex kam durch eine Schenkung des Conde de Buendía an Philipp II. und ist heute eine der Juwelen der Bibliothek der ehemaligen Klosterresidenz El Escorial.

Das Kloster San Martín de Albelda war im 10. Jahrhundert unter der Herrschaft der Pamploneser Könige eines der kulturellen Zentren des Landes, wichtiger noch als das ebenfalls berühmte Kloster San Millán de la Cogolla. Es hatte ein aktives und gut organisiertes Skriptorium, in dem die Mönche die für die Messe und das spirituelle Leben notwendigen Bücher und sogar juristische Codizes schrieben oder kopierten. Der Ruf des Klosters reichte über die Landesgrenzen hinaus, Mitte des 10. Jahrhunderts besuchte es der französische Bischof Godeschalk von Puy auf seiner Wallfahrt nach Santiago de Compostela und ließ sich einen Traktat des heiligen Ildefons über die Jungfräulichkeit Mariä kopieren.

Textausgaben

  • Yves Bonnaz (Hrsg): Chroniques asturiennes, Paris 1987. ISBN 2-222-03516-3 (enthält den lateinischen Text mit französischer Übersetzung sowie einen ausführlichen französischen Kommentar)
  • Juan Gil Fernández (Hrsg.): Crónicas asturianas, Oviedo 1985. ISBN 84-600-4405-X (lateinischer Text und spanische Übersetzung)

Weblinks

Anmerkungen

  1. Claudio Sánchez-Albornoz: El autor de la Crónica llamada de Albelda, in: ders., Investigaciones sobre historiografía hispana medieval, Buenos Aires 1967, S. 66-79; Bonnaz S. LIX-LX.
  2. Zum Stil und zur Gedankenwelt des Chronisten siehe Alexander Pierre Bronisch: Reconquista und Heiliger Krieg - die Deutung des Krieges im christlichen Spanien von den Westgoten bis ins frühe 12. Jahrhundert, Münster 1998, S. 141-144.
  3. Zum Neogotismus und den Zusammenhängen zwischen den Chroniken des Zyklus siehe Jan Prelog, Die Chronik Alfons’ III., Frankfurt a.M. 1980, S. CXLIII-CLXIII (Überblick über die ältere Forschung ebd. S. XLVI-LXXIX); Bonnaz S.LXXXVIII-XCIII; Bronisch (1998) S. 371-395.
  4. Prelog S. CXLIII-CXLVI.
  5. Siehe z.B. die zusammenfassende Würdigung von Juan Ignacio Ruiz de la Peña in der Einleitung zur Textausgabe von Gil, S. 41f.

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