Chronisch venöse Insuffizienz

Chronisch venöse Insuffizienz
Klassifikation nach ICD-10
I87.2 Venöse Insuffizienz (chronisch, peripher)
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die Chronisch venöse Insuffizienz (CVI), auch chronisch venöses Stauungssyndrom, Chronische Veneninsuffizienz genannt, beruht auf einer Mikrozirkulationsstörung der Gefäße infolge einer venösen Abflussbehinderung. Folge sind zum Teil schwere Venen- und Hautveränderungen.

Inhaltsverzeichnis

Epidemiologie

In den USA sollen 6- 7 Millionen Patienten von der chronisch venösen Insuffizienz betroffen sein. Die schwierigste Komplikation sind venöse Ulzerationen, deren Prävalenz bei bis zu 5% liegt.

Risikofaktoren

Das Risiko, an einer Chronisch venösen Insuffizienz zu leiden, steigt mit Alter, Fettleibigkeit, einer Anamnese mit Venenentzündungen, tiefer Venenthrombose und schwerem Beintrauma. CVI kommt bei Frauen doppelt so häufig vor wie bei Männern.

Ätiologie

Grundkrankheiten die eine chronisch venöse Insuffizienz verursachen können sind Krampfadern (Varikose, sowohl Stammvarikose als auch Perforansvarikose), Phlebothrombose (CVI als postthrombotisches Spätsyndrom), arterio-venöse Fisteln und venöse Angiodysplasien (angeborene Defekte der Venenklappen).

Pathophysiologie

Wichtig für die Entstehung einer chronisch venösen Insuffizienz ist das Vorhandensein eines pathologischen Bluthochdrucks der oberflächlichen Venen. Normal ist dieser bei 20-30 mmHg, steigt jedoch durch venöse Thrombose, primär oder sekundär pathologische Venenklappen oder abgeschwächte Muskelpumpe auf 60-90 mmHg. Dieser Hochdruck verursacht die für die späteren Komplikationen verantwortlichen anatomischen, physiologischen und histologischen Veränderungen der Gefäße.

Die wichtigsten durch venösen Hochdruck verursachten Veränderungen betreffen die Venenklappen. Thrombosen verursachen einen venösen Hochdruck und zerstören gleichzeitig die Venenklappen, deshalb persistiert der Hochdruck auch bei z. B. einer Rekanalisation. So entsteht einmal mehr ein für die Medizin so typischer Teufelskreis. Die Gefäßwandveränderungen durch Hochdruck verursachen weitere Klappenschäden und somit erhält sich der Hochdruck selbst.

Unter physiologischen Bedingungen wird das Kapillarbett vor starken Druckveränderungen geschützt, da präkapilläre Arteriolen sich reflektorisch kontrahieren können. Diesen Reflex scheinen Patienten mit chronisch erhöhtem venösen Druck jedoch verloren zu haben, d. h dass bei Veränderungen der Körperlage Druckveränderungen direkt an das Kapillerbett weiter gegeben werden.

Bei dauerhaft erhöhtem venösen Druck entstehen Veränderungen, die die Kapillarwände betreffen. Dazu gehören eine Verbreiterung und Verlängerung des Kapillarbetts, erhöhte Endotheloberfläche, erhöhte Einlagerung von Kollagen IV in die Basalmembran und perikapilläre Einlagerung von Fibrin. Die Zusammenwirkung von erhöhtem venösen Druck und abnormen Kapillaren mit erhöhter Permeabilität führen zu einem Ausschwemmen von Wasser, großen Proteinen und roten Blutzellen in das Interstitium. Das sich ansammelnde Fibrin scheint auch weniger einfach gelöst werden zu können. Gleichzeitig kommt es zu einem verminderten Gasaustausch, also einer kutanen Hypoxie. Dies führt unter anderm zu einer Leukozytenaktivierung. Das Zusammenspiel dieser pathologischen Bedingungen führt zu lokaler Gewebeproliferation, Entzündungsvorgängen und Kapillarthrombosen.

Klinik

Klinisch wird die chronisch- venöse Insuffizienz nach Widmer (u. a.) in 3 Stadien eingeteilt:

  • Stadium 1: Reversible Ödeme, Corona phlebectatica (dunkelblaue Hautvenenveränderungen am med. und lat. Fussrand), perimalleoläre Kölbchenvenen
  • Stadium 2: persistierende Ödeme, Hämosiderose und Purpura der Haut im Unterschenkelbereich, Dermatosklerosen und Lipodermatosklerose, Atrophie blanche, Stauungsekzem, zyanotische Hautfarbe.
  • Stadium 3: Ulzera Cruris

Diagnostik

Meistens reichen die beschriebenen Hautveränderungen schon zur Diagnose aus. Dennoch ist es in manchen Fällen wichtig, eine weiterreichende Diagnostik durchzuführen, um die Ätiologie und eventuell das weitere Vorgehen zu bestimmen. Aszendierende Pressphlebographie ist hier zwar Goldstandard, aber invasiv und teuer. Also nutzt man meist die Duplexsonographie. Durch die B-Bild Sonographie lassen sich Veränderungen der Venenwand und umgebender Strukturen nachweisen, durch den Doppler veränderte Strömungsverhältnisse. Um auch eine arterielle Gefäßkrankheit ausschließen zu können, da sich dann die Kompressionsbehandlung ausschließen würde, sollte man auch den ABI (ankle-brachial Index) bestimmen.

Therapie

Symptomatisch

  • Hochlagern der Beine für 30 Minuten 4-5 mal pro Tag reduziert bereits deutlich die Ödemneigung und verbessert die Mikrozirkulation. Allein reicht dies natürlich nur in ganz leichten Stadien aus, und für beschäftigte Menschen ist es wahrscheinlich schwierig, mehrmals am Tag die Beine hochzulagern.
  • Manuelle Lymphdrainage
  • Kompressionstherapie: Die Kompressionstherapie z. B. mit Kompressionsstrümpfen ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Wie genau diese funktioniert ist nicht ganz klar, sie soll meist die kutane Hämodynamik verbessern, die Geschwindigkeit des Blutflusses in den tiefen Venen, den lymphatischen Fluss und den venösen Druck verringern. Sie soll sogar die Fibrinolyse steigern und somit der Gefäßsklerose entgegenwirken. Sie vermindert das Auftreten von Ödemen und Ulzerationen. Meist reicht Klasse 2 aus (30 mmHg Knöcheldruck). Bei Patienten mit massiver Adipositas und Ödemen können Kompressionsstrümpfe ineffektiv sein. Hier nutzt man z. B. pneumatische Kompressionspumpen. Kontraindikationen sind: AVK mit Knöcheldruck <80 mmHg, dekompensierte Herzinsuffizienz und instabile Angina Pectoris.
  • Antiseptika zur Wundheilung
  • Medikamentöse Therapie: Zur Therapie werden Cumarin (α-Benzopyrone), Flavonoide (γ-Benzopyrone), Rosskastanienextrakte (Saponoside) sowie Acetylsalicylsäure und Pentoxifyllin eingesetzt, obwohl die Datenlage für den Nutzen dieser Stoffe teils widersprüchlich ist.

Invasiv

Unter Umständen müssen zugrunde liegende Erkrankungen wie eine Varikosis entsprechend interventionell oder operativ behandelt werden.

Literatur

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