Abwrackung

Abwrackung
Abwrackung in Bangladesch
Abwrackung in Bangladesch

Eine Abwrackwerft ist ein Betrieb, bei dem alte, nicht mehr benötigte Schiffe zerlegt werden, um die Einzelbestandteile - vor allem tausende Tonnen Stahl - wiederzuverwerten. Außerdem blüht ein reger Handel mit Ersatzteilen aller Art, von Navigationseinheiten über Rettungsboote bis hin zu kompletten Motoren. Abwrackwerften bezeichnet man zum Teil auch als Schiffsfriedhof.

Da die Kosten für eine Abwrackung zum Beispiel in Europa vor allem durch teure Arbeitskräfte und strenge Umweltvorschriften sehr hoch sind, werden Schiffe hauptsächlich in Entwicklungsländern abgewrackt.

Das Zentrum der weltweiten Schiffsverschrottungsindustrie befindet sich in Alang, einer Küstenstadt im indischen Bundesstaat Gujarat, wo ca. 50% der weltweit ausgemusterten Schiffe abgewrackt werden: es ist keine richtige, herkömmliche Werft, sondern ein breiter Strandabschnitt. Man fährt die Schiffe bei Hochwasser mit voller Kraft voraus auf den Strand und zerlegt sie dort.

Die Abwrackwerften haben oft einen schlechten Ruf, da die Sicherheitsbestimmungen auf einem sehr niedrigen Niveau liegen. Mit primitivsten Methoden verdienen sich zehntausende Tagelöhner ein spärliches Einkommen. Viele Arbeiter haben kein adäquates Schuhwerk, um zwischen den oft spitzen und scharfen Gegenständen ihre Arbeit zu verrichten. Nach zahlreichen tödlichen Unfällen ist zumindest ein Anstieg beim Gebrauch von Sicherheitshelmen zu beobachten. Insbesondere prangern Umweltschutzorganisationen den dortigen Umgang mit gefährlichen Materialien (wie z. B. Asbest) immer wieder an. Auslaufende Chemikalien und Treibstoffe werden nicht ordnungsgemäß entsorgt.

Internationale Proteste haben bewirkt, dass dem asbestverseuchten französischen Flugzeugträger Clemenceau 2006 das Einlaufen zwecks Abwrackung in indische Hoheitsgewässer verwehrt wurde.

Um nicht in die Kritik der Medien zu geraten, lassen vor allem namhafte Reedereien ihre ausgemusterten Schiffe unter anderen Namen bzw. über Agenturen auf den Strand setzen. Die France/Norway wurde beispielsweise unter dem Namen Blue Lady gestrandet.

Inhaltsverzeichnis

Kommerzielle Schiffsfriedhöfe

Es gibt in Ostasien, insbesondere in den Billiglohnländern Indien und Bangladesch, verschiedene Schiffsfriedhöfe, auch Abwrackstrände genannt, an denen ca. 70% aller weltweit abgetakelten Schiffe zerlegt und ihre Rohstoffe wiederverwertet werden. Die bekanntesten dieser Schiffsfriedhöfe liegen in Alang und Bombay (Südwest-Indien), Chittagong (Bangladesch) und Gadani Beach in Pakistan; es gibt auch kleinere wie zum Beispiel in der Nähe von Abidjan an der Elfenbeinküste.

Da die Entsorgung von ausgedienten Schiffen in der westlichen Welt aufgrund des hohen Lohnniveaus trotz teils beträchtlicher Rohstoffwerte (Schiffsstahl) unrentabel ist, verkaufen viele Reedereien sie an Abwrackunternehmer in Entwicklungsländern: wo die sehr geringen Lohnkosten eine wirtschaftliche Entsorgung erlauben. So bezieht zum Beispiel Indien[1] 15 % seiner Jahresproduktion an Stahl aus dem profitablen Geschäft der Verschrottung von Schiffen.

Ein Schiffsfriedhof, der jedoch großenteils noch auf das Abwracken wartet, befindet sich im größten Standort der russischen Nordmeerflotte in Murmansk, wo mehrere hundert alte Atom-U-Boote und Kriegsschiffe vor Anker liegen und auf ihren Rückbau warten.

Kritik

Die Schiffsfriedhöfe sind in neuerer Zeit in Verruf geraten, da die Arbeitsbedingungen selbst für Niedriglohnländer als desolat gelten.

In den Anlagen, die teilweise bis zu sieben Kilometer Strand belegen, arbeiten vor allem Kinder und andere Menschen, die keine Chance auf andere Arbeit haben, unter menschenunwürdigen Bedingungen. Ihre Zwangslage machen sich verschiedene Unternehmer, die gut an dem Geschäft verdienen, zunutze, indem sie Arbeitszeiten von bis zu 95 Stunden pro Woche vorschreiben. Mangels Kränen und schwerem Gerät werden die Schiffe größtenteils von Hand zerlegt. Aufgrund des hohen Arbeitstempos (pro Tag wird ca. ein großes Schiff zerlegt) und wegen mangelnden Arbeitsschutzes kommt es immer wieder zu schweren Unfällen durch Explosionen, Verpuffungen oder herabfallende Metallteile. Beinahe täglich sind Schwerverletzte und Tote zu beklagen.

Insbesondere die Entsorgung von Schiffen aus den 1970er Jahren mit den auf Abwrackwerften üblicherweise angewandten Methoden stößt immer mehr auf den Widerstand der internationalen Gemeinschaft, da Schiffe aus dieser Ära teilweise stark mit Asbest und anderen gesundheitsgefährdenden Schadstoffen belastet sind. Eine fachgerechte und sichere Entsorgung solcher Materialien dürfte nur unter strengen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Arbeiter stattfinden. Diese werden in den entsprechenden Ländern allerdings nicht im mindesten befolgt. Die Arbeiter sind in der Regel barfuß und tragen T-Shirts sowie kurze Hosen.

Reaktionen

Im Jahre 2006 machte der Fall des französischen Flugzeugträgers Clemenceau Schlagzeilen. Das Schiff sollte in Alang zerlegt und entsorgt werden, allerdings verweigerten indische Behörden nach dem Einspruch von Umweltschutzverbänden ein Anlegen des Schiffes. Mittlerweile scheint auch in den betroffenen Ländern ein Umdenken einzusetzen, denn in letzter Zeit wurden immer häufiger Versuche von Abwrackfirmen wie Giri Subedar Ship Breaking Yard, schadstoffbelastete Schiffe aufzukaufen, unterbunden. Inzwischen versucht man, weltweit einheitliche Voraussetzungen zur Demontage von Schiffen zu schaffen. Das scheitert bisher vor allem an den Interessen sowohl der Reedereien, die auf diese Art und Weise noch Geld mit ihren alten Schiffen verdienen, als auch der Unternehmer in Südost-Asien, deren Geschäfte ebenfalls erhebliche Gewinne einfahren.

Verfilmung

Im Juni 2008 kam der Dokumentarfilm "Eisenfresser" von Shaheen Dill-Riaz in die deutschen Kinos, der die Missstände auf den Abwrackwerften am Beispiel einer Werft in Chittagong aufzeigt. Der Film gewann mehrere Filmpreise.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Greenpeace.ch zur Stahlwirtschaft in Indien

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