Clare Graves

Clare Graves

Clare W. Graves (* 21. Dezember 1914 in New Richmond, Indiana; † 3. Januar 1986) war ein amerikanischer Professor für Psychologie und Begründer der Ebenentheorie der Persönlichkeitsentwicklung.

Inhaltsverzeichnis

Akademischer Werdegang

Graves absolvierte 1940 das Union College in New York und schloss sein Studium als Ph. D. in Psychologie an der Western Reserve University in Cleveland Ohio ab.

In der Mitte des 20. Jahrhunderts lehrte Clare W. Graves am Union College in Schenectady, New York Psychologie. Hier entwickelte er ein erkenntnistheoretisches Modell der Psychologie des Menschen. Graves behauptete, die Anregung zu seinem Modell sei von seinen erstsemestrigen Studenten gekommen, die bei ihm Kurse zur Einführung in die Psychologie besuchten. Er erkannte, dass er nicht in der Lage war, die häufig gestellten Fragen zu den Theorien seiner Kollegen eindeutig zu beantworten. Letztendlich enthielten alle diese Theorien Elemente der Wahrheit und des Irrtums.

Theoriebildung

Indem er versuchte, die Fragen seiner Studenten zu beantworten und einen Weg zu finden, die vielen gegensätzlichen und widersprechenden Standpunkte in der Psychologie zu überbrücken entwickelte Graves eine Theorie, von der er hoffte sie würde helfen, die verschiedenen Auffassungen über die Natur des Menschen und die damit verbundenen psychologischen Fragen zum Ausgleich zu bringen. Die zur Entwicklung und Prüfung der Theorie benötigten Daten erhielt Graves unter Anderem von seinen Studenten. Es war eine bunt gemischte Gruppe aus allen Teilen der Erde, die ihm in den Jahren 1952 bis 1959 einschlägige Daten lieferte. Er sammelte Konzepte der voll entwickelten Persönlichkeit und führte psychologische Testreihen nach anerkannten Methoden durch. Die Analyse dieser Daten war die Basis für eine Theorie, die er neben anderen Bezeichnungen „The Emergent Cyclical Levels of Existence Theory“ (Die zyklisch auftauchenden Ebenen der Existenztheorie) (ECLET) nannte.

Graves' Theorie behauptet, dass der Mensch in Folge der zwischen äußeren Bedingungen und innerem neuronalen System stattfindenden Interaktion neue bio-psycho-soziale Aktionssysteme bildet, die aufgetretene existentielle Probleme lösen und fähig sind, das neue Szenario zu verstehen. Diese Aktionssysteme sind abhängig von der kulturellen und individuellen Entwicklung des Menschen. Sie sind manifestiert auf den jeweiligen Ebenen der Individuen, der Gesellschaft und der Arten. Graves glaubte, dass als Antwort auf existentielle und soziale Probleme konkrete, spontane, selbstorganisierende dynamisch neuronale Systeme im menschlichen Gehirn entstehen. Er postulierte „man's nature is not a set thing, that it is ever emergent, that it is an open system, not a closed system“ (Die menschliche Natur ist keine starre Sache die immer weiter aufsteigt, sie ist ein offenes System, kein geschlossenes System." Diese Haltung brachte ihn in eine Opposition zu vielen seiner Zeitgenossen, die den Sinn des Menschen in einer letzten Bestimmung, im Nirvana oder in der Vollkommenheit der menschlichen Natur sahen. Seine Integration der Bio-, Psycho-, Sozial-, und Systemtheorie als grundlegende Bausteine beschreibt darüber hinaus auch den Blick auf eine fortdauernde Entwicklung.

Graves' Werk bringt zum Ausdruck, dass die beim Menschen neu auftauchenden bio-psycho-sozialen Systeme eine Antwort auf die zwischen externen Bedingungen und dem Nervensystem stattfindenden Interaktionen sind und eine Hierarchie mit mehreren Dimensionen aufweisen. Jedoch gibt es nach Graves keine Garantie für eine Kontinuität der Entwicklung oder etwa für die Richtung der Entwicklung: Sowohl Fortschritt wie auch Regression sind in seinem Modell möglich. Außerdem ist jede Ebene der Hierarchie vom Streben des Menschen nach Anpassung der Umwelt an sein Selbst oder aber die Anpassung seines Selbst an die Umweltbedingungen abhängig. Graves nannte dies „Ausdrucks-Selbst“ und „Verleugnungs-Selbst“. Die Bewegung zwischen diesen Optionen ist der periodische Aspekt der Theorie. Graves sah diesen Prozess stabiler Plateaus durchsetzt mit immer wiederkehrenden Intervallen, die zu den Grenzen der Hirnentwicklung des Menschen führen.

Einflüsse

Etliche Management-Theoretiker haben sich unter Anderen durch Graves' „Emergent Cyclic Levels of Existence Theory“ inspirieren lassen. Chris Cowan und Don Beck benutzten sie als Basis für ihr Buch Spiral Dynamics: Mastering Values, Leadership, and Change. Sowohl Graves' Theorie wie auch Becks Modell beeinflussten den amerikanischen Philosophen Ken Wilber, der seine Integrale Theorie hieraus entwickelte. Viele andere Autoren und Berater schöpften aus Graves' Sicht der Persönlichkeit. Ihr Spektrum reicht vom persönlichen Coaching bis zur Beurteilung von Führungskräften, von der Organisationsberatung bis zur Sozialpolitik.

Anwendungen

Einige Firmen haben Produkte auf der Basis von Graves' Theorie auf den Markt gebracht (siehe Links). Graves selbst hat nie einen Test für seine Theorie entwickelt. Er bezweifelte, dass es möglich sein würde, ein einfach handhabbares Instrument zu entwickeln, welches in der Lage sein würde, die Ebenen der psychischen Existenz exakt zu messen. Sein Interesse galt der Frage wie Menschen denken, und er hatte kein Interesse daran, zu katalogisieren, über was die Menschen nachdachten, oder dieses zu bewerten. Der Herausgeber und Editor von Graves' Werk Christopher Cowan, der auch die Internetseite ClareWGraves.com betreibt, ist der Meinung, dass die am Markt befindlichen Produkte lediglich eine Momentaufnahme liefern können, während die Theorie auf ein wellenartig bewegtes Bild mit vielen Unwägbarkeiten aufbaut.

Typologie vs. Entwicklungsstufen

Graves' Werk entwirft eher auftauchende Stadien als Persönlichkeitstypen, die in jedem Stadium vorhanden sein können. Manche Theoretiker verwechseln Graves' 'vertikal' auftauchende Stadien mit persönlichen Charakterzügen, die sie mit einem bestimmten Stadium in Zusammenhang bringen. Christopher Cowan glaubt daher, dass viele Studenten die zu Grunde liegende Theorie gar nicht kennen und sich stattdessen auf Artefakte konzentrieren.

Bibliografie

  • Graves, Clare W.: Levels of Existence: An Open System Theory of Values. In: Journal of Humanistic Psychology, November 1970
  • Graves, Clare W.: Human Nature Prepares for a Momentous Leap. In: The Futurist, April 1974
  • Lee, William R., Cowan, Christopher C., und Todorovic, Natasha (eds.) (2002) Graves: Levels of Human Existence. Santa Barbara, CA: ECLET Publishing. ISBN 0-9724742-0-X (basiert auf einer Mitschrift von Lee und dem Skript eines Graves-Seminars des Jahres 1971)
  • Cowan, Christopher C. and Todorovic, Natasha (eds.) (2005) The Never Ending Quest: Dr. Clare W. Graves Explores Human Nature. Santa Barbara, CA: ECLET Publishing. ISBN 0-9724742-1-8 (zusammengestellte Texte aus Graves' frühen unveröffentlichten Manuskripten mit der Rekonstruktion fehlender Teile anhand verschiedener Schriften und Tonaufzeichnungen)
  • Martina Bär, Rainer Krumm, Hartmut Wiehle; „Unternehmen verstehen, gestalten, verändern – Das Graves-Value-System in der Praxis“; Gabler Verlag, Wiesbaden, 2007, ISBN 978-3-8349-0291-7 (erstes deutschsprachiges Buch zur Theorie von Graves)

Weblinks


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