Claudius Ptolemaeus

Claudius Ptolemaeus
Claudius Ptolemäus, neuzeitliches Idealportrait

Claudius Ptolemaeus, griechisch Κλαύδιος Πτολεμαῖος (Klaúdios Ptolemaîos), lateinisch Claudius Ptolomaeus, (* um 100, vermutlich in Ptolemais Hermii, Ägypten; † um 175, vermutlich in Alexandria), war ein griechischer Mathematiker, Geograph, Astronom, Astrologe, Musiktheoretiker und Philosoph. Ptolemäus wirkte als Bibliothekar an der berühmten antiken Bibliothek in Alexandria. Insbesondere seine drei Werke zur Astronomie, Geographie und Astrologie galten in Europa bis in die frühe Neuzeit als wichtige umfangreiche Datensammlungen und wissenschaftliche Standardwerke.

So schrieb Ptolemäus die Mathematike Syntaxis („mathematische Zusammenstellung“), später Megiste Syntaxis („größte Zusammenstellung“), heute Almagest (abgeleitet vom Arabischen al-Majisṭī) genannte Abhandlung zur Mathematik und Astronomie in 13 Büchern. Sie war bis zum Ende des Mittelalters ein Standardwerk der Astronomie und enthielt neben einem ausführlichen Sternenkatalog eine Verfeinerung des von Hipparchos von Nicäa vorgeschlagenen geozentrischen Weltbildes, das später nach ihm Ptolemäisches Weltbild genannt wurde.

Damit verwarf er wie der größte Teil seiner Zeitgenossen das von Aristarchos von Samos und Seleukos von Seleukia vertretene heliozentrische Weltbild, welches erst 1300 Jahre später durch Nikolaus Kopernikus, Johannes Kepler und Galileo Galilei durchgesetzt werden sollte.

Inhaltsverzeichnis

Astronomie und Ptolemäisches Weltbild

Das Ptolemäische System mit der Erde im Zentrum

Nach Ptolemäus befindet sich die Erde fest im Mittelpunkt des Weltalls. Alle anderen Himmelskörper (Mond, Sonne, Planeten, Sterne) bewegen sich auf als vollkommen angesehenen Kreisbahnen um diesen Mittelpunkt. Um astronomische Beobachtungen mit diesem System in Einklang zu bringen, war es allerdings notwendig, alle Himmelskörper auf ihren Bahnen weitere Kreise um diese Bahn ziehen zu lassen (so genannte Epizykel, siehe Epizykeltheorie), und teilweise auch wieder Bahnen um diese Bahnen. Durch den Einsatz von etwa 80 solcher Bahnen konnte Ptolemäus die Beobachtungen in Einklang mit seinem Modell bringen.

Das ptolemäische Weltbild war in der Genauigkeit seiner Bahnvorhersage dem heliozentrischen Weltbild des Nikolaus Kopernikus überlegen, welches (fälschlicherweise) annahm, dass die Planeten die Sonne auf Kreisbahnen umliefen. Erst Keplers Entdeckung, dass die Planeten auf Ellipsen um die Sonne laufen, führte zu einem genaueren Modell und letztendlich zur Annahme eines kopernikanischen Weltbildes. Ptolemaios' Berechnungsmethoden waren äußerst präzise (lange Zeit auch präziser als die Keplerschen) und in ihrer Grundidee als Berechnungsmethode auch richtig, nicht allerdings in ihrer philosophischen Deutung, dass sich alles um die Erde als Mittelpunkt dreht. Der Durchbruch und Erfolg der Keplerschen Berechnungen lag dabei weniger darin begründet, dass die Sonne und nicht mehr die Erde im Mittelpunkt der Bewegungen stand, sondern in der Tatsache, dass Kepler Ellipsenbahnen und keine Kreisbahnen mehr verwendete, was zu einer größeren Übereinstimmung mit den von Tycho Brahe und später Galileo Galilei tatsächlich gemessenen Planetendaten führte.

Darstellung des ptolemäischen Weltsystems 1661

In neuerer Zeit wurden die Leistungen des Ptolemäus jedoch sehr viel kritischer bewertet. Schon Tycho Brahe sprach um 1600 von „Betrug“. 1817 warf ihm der französische Astronom und Mathematiker Jean-Baptiste Joseph Delambre gefälschte und fingierte Beobachtungen, vorgefasste Meinungen, Lügen und Plagiat vor. Dies wurde 1977 und nochmals 1985 durch den englischen Astronomen Robert Russell Newton in vollem Umfang wiederholt. So sollen laut Newton fast alle von Ptolemäus angeblich selbst gemachten Beobachtungen fiktiv oder von Hipparchos übernommen sein, dessen Längenangaben nur 2° 40', der Wert der aufgelaufenen Präzession, hinzugefügt wurden (korrekt wären 3° 40’ gewesen). Diesem vernichtenden Urteil über Ptolemäus hat sich B. L. van der Waerden in seinem 1988 erschienenen Buch Die Astronomie der Griechen angeschlossen.

Andererseits präsentierte bereits 1796 Pierre Simon Laplace eine simple Erklärung: die Differenz von einem Bogengrad lasse sich durch einen gleich großen Fehler in der damaligen Theorie der Sonnenbewegung begründen. Bradley E. Schaefer kam 2002 zu dem Schluss, eine beträchtliche Anzahl der von Ptolemäus genannten Beobachtungsdaten habe dieser (bzw. seine Assistenten) selbst gewonnen. Er habe jedoch dann, wenn fremde, ältere Daten besser zu seinem Modell passten als seine eigenen, diese ohne ausdrückliche Quellenangabe übernommen. Diese Vorgehensweise war zu einer Zeit, in der man an wissenschaftliche Arbeiten noch nicht die heute üblichen Maßstäbe anlegte, durchaus üblich.

Ein weiteres atronomisches Werk des Ptolemäus sind seine "Planetenhypothesen", in welchem er die Ergebnisse des Almagest dazu benutzte, Aussagen über die Dimensionen des Universums im Großen zu treffen. So schätzte er aufgrund seines Modells die mittlere Distanz zur Sonne als 1210 und die Distanz zur Fixsternsphäre als 20'000 Erdradien. Gezeigt wird darin auch, wie ein anschauliches mechanisches Modell des Kosmos gebaut werden kann.

Eine weitere vor allem für praktische Zwecke gedachte Sammlung sind seine "Handlichen Tabellen".

In der "Phaseis" (Aufgänge und Niedergänge der Fixsterne mit Wetterzeichen) stellte er zudem einen Sternenkatalog basierend auf dem Lauf der Sterne übers ganze Jahr zusammen.

Zur Anwendung der Mathematik auf astronomische Fragestellungen stammen von ihm die beiden Schriften "Analemma" und "Planisphaerium". Astronomisch auch erwähnenswert ist die auf einer Stele erhaltene "Kanobusinschrift".

Mathematik

Satz des Ptolemäus

Einzig bekanntes eigenständiges mathematisches Werk ist die nur noch bei Proklos überlieferte "Abhandlung über das Parallenpostulat", in dem er mathematisch nachweisbar falsch einen Beweis für das Parallenaxiom von Euklid geben wollte. Andere mathematische Ausführungen wurden in die genannten primär anwendungsorientierten astronomischen Schriften eingearbeitet.

So stammt von ihm der Satz des Ptolemäus. Dieser mathematische Lehrsatz gilt für Sehnenvierecke. (Ein Sehnenviereck ist ein Viereck, zu dem ein Kreis durch alle vier Ecken konstruiert werden kann). Der Satz des Ptolemäus besagt, dass bei einem Sehnenviereck die Summe aus dem Produkt gegenüberliegender Seitenlängen das Produkt der beiden Diagonalen ergibt. Somit gilt ac + bd = ef. Da auch symmetrische Trapeze einen Umkreis haben, erhält man für die symmetrischen Schenkel b = d und den Diagonalen e = f den Sonderfall ac + b2 = e2 . Der Satz gilt ferner auch für Rechtecke, die ebenfalls einen Umkreis haben. Hier gilt dann a = c , so dass der Satz von Ptolemäus den Satz des Pythagoras als Spezialfall enthält: a2 + b2 = e2 . Wie auch der Satz des Pythagoras ist der Satz des Ptolemäus umkehrbar.

Konstruktion des regelmäßigen Fünfecks nach Ptolemäus

Im Almagest (XIII 10) findet sich folgende Konstruktion des regelmäßigen Fünf- bzw. Zehnecks: Zum gegebenen Umkreis (Durchmesser [AB]) des gesuchten Fünf- oder Zehnecks wird der Radius [OB] halbiert (Mittelpunkt M) und der Kreis um M durch C gezeichnet. Der Schnittpunkt dieses Kreises mit dem Durchmesser [AB] ist der Punkt D. Die Strecke [OD] ist die Seite des zugehörigen Zehnecks, die Strecke [CD] ist die Seite des zugehörigen Fünfecks. Der Radius [OC] ist gleichzeitig die Seite des zugehörigen Sechsecks. Die Konstruktion beruht auf zwei Sätzen der Elemente des Euklid (IV 11) und (III 39).

Zur Sehnentafel des Ptolemäus

Wichtig zur Vereinfachung seiner astronomischen Berechnungen wurde auch die von Ptolemäus im Almagest (I 10) berechnete Sehnentafel für den Bereich \alpha = (\frac{1}{2})^\circ bis 180^\circ mit Schrittweite (\frac{1}{2})^\circ. Solche Sehnentafeln dient als Ersatz für eine Sinus-Tabelle, da gilt: sehne(\alpha) = 2r sin(\frac{\alpha}{2}). Als Beispiel für die erreichte Genauigkeit soll die Angabe aus dem Almagest dienen:  sehne(1^\circ) = 1^{p} 2' 50'' . Im Sechzigersystem bedeutet dies  sehne(1^\circ) = \frac{1}{60} + \frac{2}{60^{2}} + \frac{50}{60^{3}} = 0,017453702.

Damit wird etwa eine 5-stellige Genauigkeit erreicht, wie der Taschenrechner zeigt:  2 \sin(0,5^\circ) = 0,017453071. In der Abbildung gilt:  sehne(\alpha) = \overline{BC} und sehne(\frac{\alpha}{2}) = \overline{BD}. Im Einheitskreis hat der Satz des Pythagoras dann die Form: sehne(\alpha)^2 + sehne(180^\circ-\alpha)^2 = 4.

Geographie

Darstellung aus dem 15. Jahrhundert von Ptolemäus' Sicht der Erde

Neben dem zusammenfassenden "Kanon bedeutender Städte" verfasste Ptolemäus die Geographia (Geographike Hyphegesis, Explicatio geographica, „geografische Anleitung“), in der er die bekannte Welt und ihre Bewohner aufzeichnete. Als Referenz für die Längengrade (±180°) definierte er den bis in das 19. Jahrhundert verwendeten Ferro-Meridian, seine Definition der Breitengrade ist bis heute gültig (Äquator 0°, Pole ±90°). Außerdem legt er darin seine Hypothese vom unbekannten Südkontinent Terra Australis dar. Ptolemäus war wie früher schon Aristoteles bekannt, dass die Erde eine Kugel ist; er benutzte für seine Karten eine Projektion der Kugelfläche in die Ebene. Allerdings nutzte er Informationen aus zweiter Hand oder Legenden, sodass seine Darstellungen, insbesondere der behandelten Völker, oft ungenau oder sogar irreführend sind. Er befasste sich auch mit den Berechnungen des Erdumfangs von Eratosthenes und Poseidonios. Dabei übernahm er die falschen Ergebnisse des Letzteren, die dann in die allgemein bekannte Literatur übergingen und bis zu Christoph Kolumbus auf einen zu geringen Erdumfang von ca. 17.000 Seemeilen (30.000 km) schließen ließen.

Musiktheorie

Ptolemäus schrieb auch die aus drei Büchern bestehende Harmonik, das wichtigste erhaltene musiktheoretische Werk der Spätantike nach Aristoxenos und Euklid. Er versuchte – wie wahrscheinlich schon Eratosthenes – einen Kompromiss zwischen Aristoxenos und den Pythagoreern, an dem sich später auch Boethius orientierte. Rechnerisch vertrat er die Position von Euklid, ideell und terminologisch aber die auf der musikalischen Wahrnehmung aufgebaute Lehre des Aristoxenos. Er überlieferte in seiner Harmonik viele Details älterer antiker Musiktheoretiker, etwa die Tetrachorde (Tongeschlechter) von Archytas, Eratosthenes und Didymos, die ansonsten verloren wären.

Optik und Erkenntnistheorie

Idealporträt aus dem 16. Jahrhundert

Seine Optik befasst sich mit den Eigenschaften des Lichtes. Er behandelt experimentell und mathematisch unter anderem die Reflexion, Brechung und Farben. Daneben werden optische Täuschungen erwähnt. In der philosophischen Abhandlung peri kriteriou kai hegemonikou (lat. de iudicandi facultate et animi principatu, „Von der Urteilskraft und dem Verstand“) vertritt er eine Mischung aus neoplatonischen und stoischen Anschauungen.

Daneben verfasste er auch das zweiteilige Werk "Kriterion" zur Erkenntnistheorie, nach dem für das Erkennen von Wahrheit allein die Vernunft genügt. Dabei geht er auch auf das Denken von Tieren ein und bestimmt das sogenannte "Hegemonikon", das Funktionszentrum des Körpers, einerseits zum "Leben" im Herzen und anderseits zum Fällen ethischer Entscheide d.h. zum "Gut Leben" im Gehirn.

Astrologie

Ptolemäus schrieb weiterhin in 4 Bänden das bis heute nachwirkende atrologische Grundlagenwerk Tetrabiblos („vier Bücher“). Dieses Werk basiert auf seinen astronomischen Schriften und beschreibt die Auswirkungen der Himmelskörper auf die Menschen und deren Schicksal.

Verweise

Literatur

  • Wilfried Haag: Wege zu geometrischen Sätzen. Ernst Klett Verlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-12-720120-6. 
  • Alfred Stückelberger, Gerd Graßhoff (Hrsg.): Klaudius Ptolemaios. Handbuch der Geographie. Schwabe Basel, Basel 2006, ISBN 3-7965-2148-7 (Griechisch-Deutsch). 
  • Wilfried Neumaier: Was ist ein Tonsystem? Eine historisch-systematische Theorie der abendländischen Tonsysteme, gegründet auf die antiken Theoretiker, Aristoxenos, Eukleides und Ptolemaios, dargestellt mit Mitteln der modernen Algebra. Lang, Frankfurt am Main/Bern/New York 1986, ISBN 3-8204-9492-8. 
  • Claudius Ptolemäus: Tetrabiblos - nach der von Melanchthon besorgten seltenen Ausgabe aus dem Jahre 1553. Chiron, Tübingen 2000, ISBN 978-3-925100-17-8. 
  • Klaus Geus: Ptolemaios – Reaktionär, Theoretiker, Plagiator? In: Beck, Thomas; Lopes, Marília dos Santos; Rödel, Christian (Hrsg.): Barrieren und Zugänge: Die Geschichte der europäischen Expansion; Festschrift für Eberhard Schmitt zum 65. Geburtstag. Wiesbaden: Harrassowitz, 2004. S. 36–50. 
  • Klaus Geus: Ptolemaios über die Schulter geschaut – zu seiner Arbeitsweise in der Geographike Hyphegesis. In: Rathmann, Michael (Hrsg.): Wahrnehmung und Erfassung geographischer Räume in der Antike. Mainz am Rhein: Philipp von Zabern, 2007. S. 159–66. 
  • Gerd Graßhoff: The history of Ptolemy's star catalogue. Springer, New York 1990, ISBN 0-387-97181-5

Weblinks


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