Cold Calling

Cold Calling

Als unerwünschte telefonische Werbung gelten so genannte Initiativ-Anrufe durch Unternehmen gegenüber Privatpersonen, die in der Fachsprache als Cold-Calls, Anrufe aus der Kalten, Kaltakquise, bezeichnet werden. Derartige, vom Angerufenen nicht explizit genehmigte, Anrufe sind eine Form unerwünschter Werbung und sittenwidrig.

Inhaltsverzeichnis

Rechtliches

In der Europäischen Union begrenzt Artikel 13 der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) die Telefonwerbung. Beim Umsetzen der EU-Vorschriften in nationales Recht bestimmt der Mitgliedsstaat welche Form der Werbung gegenüber Verbrauchern zulässig ist. Dabei gibt es zwei wesentliche Varianten. Beim Opt-Out-System darf der Verbraucher zum aktiven Widerspruch angerufen werden. Das Opt-In-System setzt voraus, dass der Verbraucher die aktive Einwilligung zum Anruf gegeben hat. Die EU-Vorschrift erzwingt es, dass Unternehmen und andere Nicht-Verbraucher „ausreichend“ geschützt werden.

„Gesetzentwurf gegen unlautere Telefonwerbung beschlossen. […] Der Deutsche Bundestag hat heute [d.i. 26. März 2009] in zweiter und dritter Lesung das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen mit Änderungen beschlossen. Auch die B-to-B-Kommunikation ist betroffen. Erste Hinweise hat das CallCenterForum Deutschland in einem Merkblatt zusammengefasst. Das Wichtigste vorab: Die schwebende Unwirksamkeit scheint vom Tisch, allerdings gibt es keine Wahlmöglichkeit mehr bei der Frage, welche Rufnummer bei Outbound-Calls zu übermitteln ist.“

Call Center News: 12. Jahrgang, Nr. 10 vom 26. Maerz 2009

Cold Calls bei Verbrauchern

Nach dem deutschen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) stellt Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung eine unzumutbare Belästigung dar. Dies gilt, wenn der Telefonanruf eine Wettbewerbshandlung ist. Mit dem Anruf wird der Absatz oder der Bezug von Waren, die Erbringung oder der Bezug von Dienstleistungen gefördert. Eingeschlossen sind hierin unbewegliche Sachen, Rechte und Verpflichtungen.[1]

Nach einem Urteil des OLG Frankfurt aus dem Jahre 2005 (Az.: 6 U 175/04) genügt das Vorliegen einer Geschäftsbeziehung nicht zur Annahme einer konkludenten oder ausdrücklichen Einwilligung eines Verbrauchers zu Werbeanrufen. Im vorliegenden Fall hatte eine Versicherungsgesellschaft eine Verbraucherin, die als Kundin bei dieser versichert war, angerufen, um den Abschluss weiterer Versicherungen zu erreichen. Das OLG Frankfurt in seiner Urteilsbegründung:

„Die demnach erforderliche Einwilligung des Versicherungsnehmers in solche Anrufe kann nicht darin gesehen werden, dass der Kunde bei Abschluss des Versicherungsvertrages ohne nähere Erläuterung seine Telefonnummer mitgeteilt hat. Denn hiermit bringt der Versicherungsnehmer regelmäßig nur sein Einverständnis zum Ausdruck, im Rahmen des bestehenden Versicherungsverhältnisses und des durch ihn begründeten Bereichs des Versicherungsschutzes angerufen zu werden (vgl. BGH a.a.O. – Telefonwerbung V, Seite 220, 221). Hierzu gehören etwa Anrufe anlässlich der Bearbeitung eines Schadensfalles oder zur Erinnerung an die Zahlung der Versicherungsprämien.“

[2]

Der Begriff der „Werbung“ wird nicht im UWG selbst, sondern auf europäischer Ebene definiert. Er geht letztlich auf Art. 2 Nr. 1 der EU-Irreführungsrichtlinie vom 10. September 1984 (84/450/EWG) zurück, welche durch die EU-Richtlinie zur vergleichenden Werbung vom 6. Oktober 1997 (97/55/EG) geändert und ergänzt worden war. Danach ist Werbung

„jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufes mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern.“

97/55/EG

Cold Calls bei Gewerbetreibenden

In seiner Entscheidung mit dem Aktenzeichen I ZR 88/05 vom 20. September 2007 stellt der Bundesgerichtshof fest:

„Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung bekräftigt, dass Werbeanrufe bei Unternehmen wettbewerbswidrig sein können, weil sie zu belästigenden oder sonst unerwünschten Störungen der beruflichen Tätigkeit des Angerufenen führen können.“

[3]

Nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt vom 8. Juli 2004 (6 U 59/04) sind so genannte kalte Anrufe, um Neukunden zu gewinnen, wegen Kundenfangs durch Belästigung verboten.

Das Kammergericht Berlin hat in seinem Beschluss mit dem Aktenzeichen 9 U 167/06 vom 12. September 2006 festgestellt:

„Die Wertfestsetzung gemäß § 3 ZPO auf 2.000,00 EUR berücksichtigt das Interesse der Klägerin [...] an der Unterlassung unverlangter Telefonwerbung durch die Beklagte […] in angemessener Weise.“

[4]

Rechtlich bislang nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob bei einem Anruf eines Unternehmens mit bestehendem Geschäftsverhältnis diese innerhalb eines das Vertragsverhältnis betreffenden Gesprächs ein branchenfremdes Angebot unterbreiten darf.

Meinungs- und Marktforschung

Bezüglich der rechtlichen Situation bei Anrufen durch Marktforschungsinstitute gibt es mittlerweile Urteile, die eine Anrufberechtigung bei Verbrauchern verneinen. So urteilte das OLG Stuttgart in seiner Entscheidung vom 17. Januar 2002:

„Die gleichen Grundsätze wie für eine unaufgeforderte Telefonwerbung gelten auch für unaufgeforderte Verbraucherumfragen, die von Marktforschungsunternehmen in gewerblichem Auftrag durchgeführt werden.“

OLG Stuttgart Az. 2 U 95/01

Auch das Landgericht Hamburg sieht dies in seinem Urteil vom 30. Juni 2006 (Az. 309 S 276/05) so:

„Auch bei Anrufen zu Marktforschungszwecken überwiegt demnach das Inte­resse des einzelnen Betroffenen, ein Eindringen in seine Privatsphäre zu verhindern, gegenüber den Interessen des Marktforschungsunternehmens.“

[5]

Meinungsforschungsinstitute die nicht aus Marktforschungsgründen anrufen, sondern Umfragen zu sozialen und politischen Themen durchführen, wie die „Sonntagsfrage“ durch Infratest dimap, sind von diesen Urteilen jedoch nicht betroffen.

Rechtslage in Österreich

In Österreich sind Cold Calls in § 107 des Telekommunikationsgesetzes 2003 geregelt. Unzulässig sind laut TKG jene Anrufe, die einen werbenden Charakter haben und ohne vorherige Einwilligung des Angerufenen erfolgen. Wie in Deutschland ist es in Österreich Marktforschungsunternehmen gestattet, Cold Calls durchzuführen, wenn diese tatsächlich der anonymen Datenerhebung dienen.[6]

Praxis

Laut Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) kam es allein im ersten Quartal 2006 zu 82,6 Millionen unaufgeforderten Anrufen in Deutschland. Um dies zu unterbinden, sieht es der Gesetzgeber vor, baldmöglichst eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes anzustreben. Ferner sollen Unternehmen, die ihre Rufnummer verschleiern (Vermittlungstechnische Leistungsmerkmale), mit einem Bußgeld belangt werden können.

Auch die Verbraucherzentrale (Vzbv) geht von 300 Millionen unaufgeforderten Werbeanrufen im Jahr aus. Obwohl eine Selbstverpflichtung der CallCenter-Branche vorliegt, ignorieren auf kurzfristigen Profiterfolg abzielende Unternehmen die Arbeit der Branchenvertreter. Die schwebende Unwirksamkeit von Verträgen könnte dafür sorgen, dass so genannte Kaltanrufe unterbunden werden.[7]

Abwehrmöglichkeiten

Nach § 8 des UWG kann gegenüber dem, der unzulässige Telefonwerbung durchführt, auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung Anspruch erhoben werden. Der Anspruch auf Unterlassung steht dem Angerufenen unter Berufung auf §§ 823, 1004 BGB zu, da ein Cold Call eine unzulässige und unterlassungsfähige Belästigung darstellt. Auch können Mitbewerber, rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, Handwerkskammern, Verbraucherschutz- und Wettbewerbszentralen einen Verstoß gegen § 7 UWG und gemäß § 8 UWG einen Anspruch auf Unterlassung geltend machen.

Zudem können Verbraucherschützer und entsprechende Verbände den durch das unlautere Handeln erzielten Gewinn des Unternehmens einfordern und dem Bundeshaushalt zufließen lassen. Der Verbraucherschutz kann nach Übermittlung der Namen des ausführenden Unternehmens oder Auftraggebers und des jeweiligen Gesprächsgegners tätig werden.

Des weiteren sind Telefonprovider zur Herausgabe von Namen und zustellungsfähiger Anschriften eines am Post-, Telekommunikations-, Tele- oder Mediendiensteverkehr Beteiligten gegenüber anspruchsberechtigten Stellen verpflichtet, auch gegenüber Verbraucherschützern.

Selbstkontrolle der Werbenden

1971 führte der Deutsche Dialogmarketing Verband die Robinsonliste ein. In dieser können Privatpersonen der Werbezusendung widersprechen. Seit dem 1. Oktober 2005 können Verbraucher ihren Eintrag anhand von 13 Kategorien spezifizieren in dem sie nur bestimmte Produkt- und Themenkreise auswählen, über die sie keinesfalls informiert werden wollen. Die Eintragung der eigenen Telefonnummer auf die Robinsonliste stellt durch den monatlichen Abgleich der Kundendaten sicher, dass zumindest seriöse Telemarketingfirmen nicht anrufen.

Darüber existieren mehrere Ehrenkodizes von Mitgliedern des Verbandes. Darin werden Selbstverpflichtungen für Unternehmen angeboten, in denen auch Methoden genannt sind, die nicht eingesetzt werden sollten. Insbesondere wird auf die Datenschutzbestimmungen, die Beachtung der Robinsonliste und das Unterlassen vorgetäuschter Meinungs- oder Marktforschungsumfragen sowie der Methoden des „Druckverkaufs“ hingewiesen.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. UWG § 7 Abs. 1 und 2 Nr. 2, 1. Alt. in Verbindung mit § 3 und § 2 Abs. 1 Nr. 1
  2. Urteil des OLG Frankfurt vom 21. Juli 2005
  3. Pressemitteilung 133/2007 des Bundesgerichtshofs
  4. Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 12.06.2006
  5. Urteil LG Hamburg Az. 309 S 276/05
  6. Österreichisches Telekommunikationsgesetz 2003
  7. Verbraucherschützer fordert Ende aller Kaltanrufe
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