- Collembola
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Springschwänze Systematik Überstamm: Urmünder (Protostomia) Überstamm: Häutungstiere (Ecdysozoa) Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda) Unterstamm: Tracheentiere (Tracheata) Überklasse: Sechsfüßer (Hexapoda) Klasse: Springschwänze Wissenschaftlicher Name Collembola Lubbock, 1870 Ordnungen - Poduromorpha
- Entomobryomorpha
- Neelipleona
- Symphypleona
Die Springschwänze (Collembola) sind eine zu den Sackkieflern (Entognatha) gehörende Klasse der Sechsfüßer (Hexapoda). Sie erreichen eine Körpergröße von 0,2 mm bis zu 1 cm und halten sich primär in der Humusschicht nicht zu trockener Böden auf, können allerdings die unterschiedlichsten Habitate besiedeln, Uferbereiche ebenso wie Hochgebirgsböden oder Gletscheroberflächen.
Inhaltsverzeichnis
Merkmale
Die Körperlänge der Springschwänze liegt zwischen 0,25 und 10 Millimetern, viele Arten sind etwa ein bis zwei Millimeter lang. Sie sind meist hell, aber auch dunkel pigmentiert. Der Körper ist nur schwach sklerotisiert, seine Oberfläche (Epicuticula) ist mit zahlreichen Mikrotuberkeln besetzt, die meist 0,3 Millimeter lang und wasserabweisend sind. Nur wenige Arten besitzen ein Tracheensystem, die meisten Collembolen atmen ausschließlich über ihre dünnwandige Cuticula.
Insekten haben normalerweise 11 Abdominalsegmente, die Collembola hingegen nur sechs, welche schon während der Embryonalentwicklung angelegt werden. Collembola werden zu den Entognatha gezählt, da ihre Mundwerkzeuge in einer Mundtasche liegen und äußerlich nicht sichtbar sind. Charakteristisch für die meisten dieser flügellosen Tiere ist ihre Sprunggabel (Furca), die sich am vierten Abdominalsegment befindet. Sie besteht aus drei Teilen: dem basalen Manubrium, den langen paarigen Dentes und terminal an diesen je einer kurzen Hakenstruktur, dem Mucro. Zwischen Manubrium und Dentes befinden sich cutinisierte 'Zähne', die genau in die Haken einer Struktur am dritten Abdominalsegment, des Retinaculums, hineinpassen und so die Furca ventral am Abdomen unter Spannung festhalten. Bei einer Reizung des Tieres schnappt diese Verbindung auf, die Mucrones bohren sich in den Untergrund und der Collembole vollführt einen ungerichteten, für diese kleinen Tiere gleichwohl erstaunlich weiten Sprung (Name!) aus der Gefahrenzone. Einige Arten sondern bei Gefahr Wehrsekrete ab, die abschreckend auf ihre Freßfeinde wirken. [1] [2]
Bei vielen im Boden lebenden (edaphischen) Arten ist die Furca zurückgebildet. Allen Arten gemein ist der hinter den Beinen gelegene Ventraltubus (Collophor), der sich am 1. Abdominalsegment befindet und vermutlich für den Wasser- und Elektrolythaushalt eine wichtige Rolle spielt.
Die Komplexaugen der Springschwänze bestehen aus maximal acht Ommatidien.
Springschwänze erreichen ein Alter zwischen sechs und zwölf Monaten. In dieser Zeitspanne häuten sie sich bis zu 50 Mal. Die Geschlechtsreife erreichen sie nach etwa fünf Häutungen. Ein Weibchen legt in seinem Leben zwischen 150 und 350 Eier, der schlüpfende Nachwuchs wird seinerseits nach etwa vier Wochen geschlechtsreif.
Lebensraum, Verbreitung und Häufigkeit
Springschwänze leben am und im Boden, meist bis in zehn Zentimeter Tiefe, auf der Wasseroberfläche, an Meeresküsten, auf Gletschern und in Nestern von Ameisen und Termiten. Sie bevorzugen hohe Luftfeuchtigkeit, manche Arten werden durch Kohlendioxid angelockt.
Durch ihre wasserabweisende Cuticula können sie Überflutungen des Bodenporensystems in einer Luftblase überstehen oder auf der Wasseroberfläche manövrieren. Einige Arten wie der Schwarze Wasserspringer weiden dort gezielt Algen, Bakterien und Einzeller ab.
Springschwänze können größere Strecken auf dem Wasser treibend zurücklegen und bei der Besiedelung neuer, steriler Landstriche als Pioniere Bedeutung erlangen (s. auch Surtsey). Arten wie Schnee- und Gletscherfloh leben im Lückensystem von Geröll, in Moospolstern und Felsritzen und ernähren sich von den auf die Eisflächen gewehten Koniferenpollen. Diese Arten sind noch bei Temperaturen um -5°C aktiv. Von mehreren Arten ist bekannt, dass sie Schwermetalle aus dem Boden aufnehmen und immobilisieren können. Unter anderem diese Fähigkeiten machen Collembolen zu wichtigen Erstbesiedlern kontaminierter Böden, etwa von Abraumhalden.
Die ältesten bekannten Fossilfunde von Collembolen sind etwa 400 Millionen Jahre alt. Sie gehören damit zu den ältesten landlebenden Tieren überhaupt, was auch ihre weltweite Verbreitung in fast allen terrestrischen Habitaten erklärt. Dabei bevorzugen sie kühle, feuchte Umgebungsbedingungen.
Springschwänze gelten als die häufigsten Sechsfüßer. In einem Quadratmeter Boden leben bis in eine Tiefe von 30 Zentimeter bis zu 400.000 Individuen. Nach den Milben sind sie damit die individuenreichste Tiergruppe im Boden. Ihre Häufigkeit orientiert sich an Faktoren wie Lichtverhältnissen, Feuchtigkeit und pH-Wert des Bodens.
Nahrung
Die meisten Arten der Springschwänze sind Detritusfresser, sie ernähren sich von zerfallenden pflanzlichen Stoffen, Exkrementen oder Aas. Es gibt neben diesen ‚Allesfressern‘ aber auch Spezialisten, die nur Algen, Pilze und Pollen fressen oder Mikroorganismen abweiden.
Ökologische und wirtschaftliche Bedeutung
Durch den Abbau ihrer Nahrung sind sie wesentlich an der Bildung von Humus beteiligt. Sie beseitigen dabei organische Rückstände und fördern so die Bodenfruchtbarkeit und damit das Wachstum von Pflanzen. Da sie die Reste von Pflanzen in natürlichen Dünger verwandeln, sind sie der Landwirtschaft von erheblichem Nutzen.
Die wenigsten Arten, wie z. B. der Luzernefloh (Sminthurus viridis), gelten als Schädlinge für Agrarsysteme. [3] Springschwänze können gelegentlich für Monokulturen im Freiland ebenso wie für Zimmerpflanzen schädlich werden, wenn ihre eigentliche Nahrungsquelle, pflanzlicher Detritus, zur Neige geht und sie die lebenden Feinwurzeln anfressen. Durch gezieltes Abweiden von Pilzmyzelien verringern sie andererseits die Gefahr von Pilzbefall bei Samen und Keimlingen und tragen so zum Pflanzenschutz in Agrarökosystemen bei.[4] Einige Springschwanzarten reagieren empfindlich auf anthropogene Störungen im Boden und werden daher im Labor bei Standardtests zum Nachweis von Bodenkontamination eingesetzt. Insbesondere der im Labor leicht zu haltende Isotomide Folsomia candida gibt als Testorganismus durch Änderungen seines Fraß- und Fortpflanzungsverhaltens oder bei Vermeidungsexperimenten Hinweise auf vorhandene Stör- und Schadsubstanzen.[5]
Springschwänze können auch in Tropenterrarien eingesetzt werden. Sie ernähren sich hier von Pflanzenresten und zersetzen diese zu Humus, der für tropische Pflanzen förderlich ist.
Systematik
Die Springschwänze (Collembola) wurden traditionell zu den Insekten gerechnet, neuerdings werden sie aber als eigene Klasse innerhalb der Sechsfüßer (Hexapoda) angesehen. Da sie mehrere gemeinsame Merkmale aufweisen, sind die Beintastler (Protura) ihre Schwestergruppe, mit denen sie die Elliplura, die Schwestergruppe der Diplura bilden.
Ursprünglich unterteilte man die Collembola in die langgestreckten Arthropleona und die eher kugeligen Symphypleona mit ihren verschmolzenen Abdominalsegmenten. Die neuere Systematik teilt das ehemalige Taxon Arthropleona in Entomobryomorpha und Poduromorpha, die als eigene Ordnungen neben die Symphypleona und Neelipleona gestellt werden. Andere Systematiker sehen die Neelipleona als den Sminthuroidea zugehörig.
Es wurden bisher weltweit 7500 Arten in 74 Gattungen beschrieben.[6] Angaben über die Zahl der bislang beschriebenen Arten schwanken stark, was nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass viele Arten und Artengruppen sehr schwer zu bestimmen und auseinanderzuhalten sind. So kann bei Arten einiger Gattungen (z. B. Isotomurus, Orchesella) das Färbungsmuster zur Artidentifikation herangezogen werden, während bereits bei nahe verwandten Gattungen die entsprechenden Muster sehr stark variieren. Bei der paläarktisch weitverbreiteten Familie der Isotomidae werden Cyclomorphosen (Winter- und Sommerformen unterscheiden sich in Form und Gestalt, v. a. der Furca und der Beine) und Ökomorphosen beobachtet, d. h. ungünstige Umweltbedingungen, besonders Dürre und Hitze, können die morphologische Gestaltung der Körperanhänge und der Mundwerkzeuge beeinflussen. Da Ausprägung und Proportionen derartiger Merkmale für die Artdiagnose häufig herangezogen werden, bleibt die Zahl tatsächlich vorhandener Arten mit Unsicherheiten behaftet.
Siehe auch
Quellen
Einzelnachweise
- ↑ Dettner, K., Scheuerlein, A., Fabian, P., Schulz, S. & Francke, W. (1996). Chemical defense of giant springtail Tetrodontophora bielanenis (Waga) (Insecta: Collembola). Journal of Chemical Ecology, 22, 1051-1074.
- ↑ Messner, C., Walther, J., Dettner, K. & Schulz, S. (2000). Chemical deterrents in podurid Collembola. Pedobiologia, 44, 210-220.
- ↑ Bishop, A. L., Harris, A. M. & McKenzie, H. J. (2001). Distribution and ecology of the lucerne flea, Sminthurus viridis (L.) (Collembola: Sminthuridae), in irrigated lucerne in the Hunter dairying region of New South Wales. Australian Journal of Entomology, 40, 49-55.
- ↑ Sabatini, M. A. & Innocenti, G. (2001). Effects of Collembola on plant-pathogenic fungus interactions in simple experimental systems. Biology and Fertility of Soils, 33, 62-66.
- ↑ Fountain, M. T. & Hopkin, S. P. (2005). Folsomia candida (Collembola): A "Standard" Soil Arthropod. Annual Review of Entomology, 50, 201-222.
- ↑ http://www.collembola.org/
Literatur
- Westheide, W.; Rieger, R.: Spezielle Zoologie. Teil 1. Einzeller und wirbellose Tiere. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jena, New York, 1996 ISBN 3-437-20515-3
Weblinks
- http://www.collembola.org :"To keep things simple, let's suppose the taxonomical speciation rate remains stable at the last 10-year speciation rate. Taking into account that the estimated number of Collembola species is about 50,000 (Hopkin 1998:118), collembolists will continue to describe new taxa for about 595 years..." - wissenschaftliche, sehr umfangreiche Seite über Springschwänze
- Pressebericht zu den Vorfahren der Springschwänze
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