Columbia-Haus

Columbia-Haus

Das KZ Columbia, auch bekannt als KZ Columbia-Haus (eine seltenere Schreibweise war KZ Columbiahaus), war ein frühes nationalsozialistisches Konzentrationslager am nördlichen Rand des Tempelhofer Feldes in Berlin-Tempelhof.

Das Gelände wurde um 1900 an der Prinz-August-von-Württemberg-Straße, dem heutigen Columbiadamm, als Militärgefängnis errichtet und später als Gestapo-Gefängnis benutzt. Das eigentliche Konzentrationslager wurde am 27. Dezember 1934 eröffnet und bestand offiziell bis zum 5. November 1936. Durch seine Lage in Berlin waren viele prominente Persönlichkeiten des politischen Lebens im Columbia-Haus inhaftiert. Anlässlich des Neubaus des Flughafens Tempelhof wurde das Columbia-Haus 1938 abgerissen. An die Geschichte des Ortes erinnert seit 1994 ein Mahnmal.

Inhaltsverzeichnis

Militärarrestanstalt und Gestapo-Gefängnis

Die „Militär-Arrest-Anstalt“ auf einem Plan von 1905

Aufgrund von Kapazitätsproblemen in bestehenden Berliner Militärgefängnissen wurde 1896 auf dem Tempelhofer Feld gegenüber der Garde-Kürassier-Kaserne eine neue Militärarrestanstalt errichtet, in der verurteilte Soldaten inhaftiert wurden. Das Areal bestand aus einem Gefängnisgebäude mit 156 Kerkern, einem Gerichtsgebäude, einem Beamtenwohngebäude und weiteren Nebengebäuden. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Militärgefängnis in ein Polizeigefängnis umgewandelt und stand von Ende der 1920er-Jahre bis 1933 leer.

Durch die Verhaftungswellen, mit denen kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten die politische Opposition ausgeschaltet wurde, war das zentrale Gestapogefängnis in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße 8 bald überfüllt. Spätestens ab Juli 1933 nutzte die Gestapo das Columbia-Haus als Haftanstalt für politische Gefangene. Obwohl neben der Gestapo-Zentrale noch die Haftanstalt Spandau zur Verfügung stand, richtete die politische Polizei mit dem Columbia-Haus ein neues Gefängnis ein. Hintergrund war, dass die Spandauer Vollzugsbeamten, die noch in der preußischen Gefängnisordnung verwurzelt waren, den neuen Machthabern als „zu lax“ galten.

Im Juli 1933 waren 80 Männer im Columbia-Haus inhaftiert, die Zahl stieg jedoch rasch an. Im September waren es bereits 300 Häftlinge, im Februar 1934 lag die Zahl bei 450 Gefangenen. Aufgrund der drastischen Überbelegung der 156 vorhandenen Zellen waren die Lebensumstände unmenschlich. Es wurden als Wachmannschaft neben der Gruppe Wecke auch SS-Männer des „SS-Abschnitts III Berlin-Brandenburg“ eingesetzt unter der Oberaufsicht des SS-Oberführers Max Henze und des Kommandanten SS-Truppführer Othmar Toifl.[1] Die Wachmannschaft hatte völlig freie Hand bei der Behandlung der Gefangenen erhalten. So kam es regelmäßig zu Misshandlungen und auch Morden. Die Wachtruppe wurde zwar 1934 ausgetauscht, an der Behandlung der Häftlinge änderte dies jedoch nichts. Um die Berliner Bevölkerung nicht unnötig zu beunruhigen, wurde im September die Schikanierung und Misshandlung der Häftlinge ausdrücklich verboten. Die Situation der Insassen besserte sich dadurch etwas, es ist jedoch nicht bekannt, ob jemals die angedrohten disziplinarischen Maßnahmen gegen Wachmänner angewendet wurden.

Das Konzentrationslager

Am 27. Dezember 1934 endete die Unterstellung des Columbia-Hauses unter die Gestapo. Als K.L. Columbia gehörte das Lager ab diesem Zeitpunkt zur Inspektion der Konzentrationslager (IKL). Organisatorisch endete damit die willkürliche Terrorherrschaft und wurde durch den systematischen Terror des Dachauer Modells ersetzt. Für die Häftlinge änderte sich damit freilich nur wenig.

Als KZ unterschied sich das Columbia-Haus von den anderen Lagern, die bis dahin der IKL unterstellt waren. In Dachau oder der Lichtenburg wurden die Gefangenen bereits auf Dauer verwahrt, ihre Haftzeit wurde von der Gestapo alle drei Monate „automatisch“ verlängert. Das Columbia-Haus diente jedoch auch der befristeten Unterbringung von Häftlingen, deren Verhöre noch nicht abgeschlossen waren und die deshalb regelmäßig in die Prinz-Albrecht-Straße 8 gebracht wurden. Somit blieb das Columbia-Haus auch unter der IKL eine Art Außenstelle der Gestapo-Zentrale.

Die Häftlinge

Der bekannte Rabbiner Dr. Leo Baeck war im KZ Columbia inhaftiert

Wie in den meisten anderen frühen Konzentrationslagern waren im Columbia-Haus vornehmlich politische Häftlinge untergebracht. Mit ihrer Verhaftung hielt die NS-Führung die Opposition vom politischen Leben in der Konsolidierungsphase der nationalsozialistischen Herrschaft fern. Insgesamt waren etwa 10.000 Gefangene während der Existenz des KZ inhaftiert. Im Durchschnitt befanden sich etwa 400 Häftlinge gleichzeitig im Lager. Sie waren den Willkürmaßnahmen der SS-Wachen ausgesetzt. Der Inspekteur der Konzentrationslager, Theodor Eicke, entfernte konsequent alle SS-Führer, die seiner Meinung nach „zu weich“ waren. Die Häftlinge mussten eine Reihe von Baumaßnahmen durchführen, so musste beispielsweise die Fahrbahn im Hof gepflastert oder die Wachstube erneuert werden. Für die Unterbringungsqualität der Gefangenen wurde jedoch nichts getan.

Die Wachtruppe

Die Wachtruppe stellte ab dem 1. April 1935 die neu aufgestellte SS-Wachtruppe Oranienburg-Columbia, die später in SS-Wachverband Brandenburg umbenannt wurde. Dem Wachverband gehörten zu dieser Zeit 155 SS-Männer zuzüglich 39 SS-Anwärter an. Ende Mai 1935 war diese Zahl bereits auf 273 SS-Männer und 64 Anwärter gestiegen. Ab 1936 hieß der Wachverband SS-Totenkopfverband Brandenburg und zählte 420 Mann. Bei der Auflösung des KZ im Oktober 1936 versahen 531 SS-Männer und 30 Kommandanturangehörige ihren Dienst bei der Wachtruppe.

Das Columbia-Haus war für viele spätere KZ-Kommandanten eine ihrer ersten Karrierestationen. Als das Columbia-Haus im Dezember 1934 zum KZ wurde, wurde auch der bisherige Gefängnisleiter SS-Sturmbannführer Walter Gerlach abgelöst, der diesen Posten seit dem 1. August 1934 innehatte. Adjutant von Gerlach war der spätere Lagerkommandant der KZ Majdanek und Auschwitz I, Arthur Liebehenschel, der ebenfalls abgelöst und in das KZ Lichtenburg versetzt wurde.

Nachfolger von Gerlach wurde der SS-Oberführer Dr. Alexander Reiner, der lediglich durch einen achttägigen Vorbereitungskurs im KZ Dachau mit dem Konzentrationslagerwesen in Berührung gekommen war. Gegen Reiner und seinen Stellvertreter Hans Schmidt wurde 1935 wegen zwei Mordfällen an Häftlingen ermittelt. Nach seiner späteren Ablösung folgte ihm der SS-Obersturmführer Karl Otto Koch, der als späterer Kommandant von Sachsenhausen und Buchenwald berüchtigt war. Wegen seiner Brutalität hielt ihn Eicke für den richtigen Mann. Am 1. April 1936 wurde Koch als Kommandant nach Esterwegen versetzt.

Der SS-Oberführer Heinrich Deubel übernahm als letzter Kommandant die Führung des Columbiahauses. Er wurde am 22. September 1936 abgelöst, da er als zu weich galt. Bis zur Auflösung des Lagers übernahm Deubels Adjutant Max Koegel, später Kommandant in Majdanek und Flossenbürg, kommissarisch die Leitung des KZ. Zu den späteren KZ-Kommandanten, die auch im Columbia-Haus „gelernt“ haben, gehörten auch Richard Baer, Max Koegel (Frauen-KZ Ravensbrück) und Albert Sauer (KZ Riga-Kaiserwald).

Die Flucht von Hans Bächle

Im April 1935 flüchtete der SS-Mann Hans Bächle zusammen mit den Gefangenen Hausmann und Wiendig aus dem Columbiahaus nach Prag.

Bächle war aufgrund mangelnder Anerkennung und schlechter Bezahlung unzufrieden. Für den inhaftierten ehemaligen Kommandanten des Freikorps Oberland, Dr. Josef Römer, hatte Bächle bereits Post und Geld in das Lager geschmuggelt. Über Römer wurden Hausmann und Wiendig, beide enge Mitarbeiter des ebenfalls inhaftierten ehemaligen schlesischen Gauleiters Helmut Brückner, mit Bächle bekannt gemacht. Dieser ließ sich überreden, die Fluchtpläne von Hausmann, Wiendig und Römer zu unterstützen.

Römer blieb letztlich freiwillig im KZ zurück. Die drei anderen Männer flohen am 20. April 1935 mit einem von Bächle organisierten Wagen in die Tschechoslowakei. Begünstigt wurde ihre Flucht dadurch, dass der damalige Kommandant Reiner wegen des Mordes an zwei Häftlingen beurlaubt worden war und in der SS-Wachtruppe Verunsicherung herrschte. Am 23. Mai 1935 erschien in der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung, dem Organ der Prager Exil-SPD, eine Reportage, in der Bächle die Zustände im KZ aufdeckte. Als Konsequenz dieser propagandistischen Katastrophe wurde Reiner abgelöst.[2]

Die Auflösung des KZ

Mit dem geplanten Großprojekt des Flughafen Tempelhof war die Auflösung des KZ Columbia beschlossene Sache. Die Columbia-Häftlinge sollten in ein neues zentrales Konzentrationslager bei Berlin verlegt werden - das KZ Sachsenhausen. Die Baupläne für Sachsenhausen wurden im Columbia-Haus ausgearbeitet. Zusammen mit Häftlingen des KZ Esterwegen errichteten die Insassen des Columbia-Hauses das KZ Sachsenhausen quasi aus dem Nichts. Das Gelände des Columbia-Hauses ging am 1. Oktober 1936 an das Reichsluftfahrtministerium. Am 5. November 1936 wurde das KZ Columbia schließlich auch offiziell aufgelöst. Fotos von der Baustelle des Tempelhofer Flughafens zeigen, dass die Gebäude des KZ noch mindestens bis zum März 1938 existierten.

Errichtung des Columbia-Haus-Mahnmals 1994

An das KZ Columbia-Haus erinnert seit Dezember 1994 ein Mahnmal. Es befindet sich in der Nähe des ehemaligen Lagergeländes an der Einmündung der Golßener Straße in den Columbiadamm in Berlin-Kreuzberg. Das vom Bildhauer Georg Seibert konzipierte stählerne Mahnmal bildet ein Haus mit Gefängniszellen nach. An einer freistehenden Giebelwand ist folgende Inschrift zu lesen:

Mahnmal KZ Columbia am Columbiadamm, nahe Flughafen Tempelhof

– ERINNERN –
– GEDENKEN –
– MAHNEN –
DAS COLUMBIA-HAUS WAR
AB 1933 GEFÄNGNIS UND
VOM 8. 1. 1935 BIS ZUM 5. 12. 1936
EIN KONZENTRATIONSLAGER DER
NATIONALSOZIALISTISCHEN MACHTHABER
HIER WURDEN MENSCHEN
GEFANGENGEHALTEN
ENTWÜRDIGT
GEFOLTERT
GEMORDET

Prominente Häftlinge

John Schehr – Häftling im KZ Columbia
Werner Seelenbinder – Häftling im KZ Columbia

Literatur

  • Kurt Schilde, Johannes Tuchel: Columbia-Haus. Berliner Konzentrationslager 1933-1936. Edition Hentrich, Berlin 1990, ISBN 3-926175-96-6.
  • Kurt Schilde: Das Columbia-Haus – aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins. 91. Jg., Nr. 2, 1995, S. 379–386.

Zeitungsartikel

Quellen

  1. Klaus Hübner: Das vergessene Gedenken. In: Der Tagesspiegel. 28. Dezember 2003.
  2. Frank Flechtmann: „Wenn ich so an die Heimat denke, wenn ich so die Berge betrachte...“. Ein junger Offenburger flieht 1935 um Deutschland herum. In: Die Ortenau, Veröffentlichungen des Historischen Vereins für Mittelbaden. 84. Jg., 2004, ISSN 0342-1503, S. 181–220.

52.48348333333313.3991333333337Koordinaten: 52° 29′ 1″ N, 13° 23′ 57″ O


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