- Compenius-Reubke-Orgel
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Die Sankt-Martin-Kirche ist die evangelische Kirche der Stadt Kroppenstedt in Sachsen-Anhalt.
Inhaltsverzeichnis
Architektur
Das Kirchengebäude hat aufgrund in geschichtlicher Zeit erfolgter An- und Umbauten einen ungewöhnlichen asymmetrischen Grundriss. Ältester Teil der Kirche ist der westlich des Kirchenschiffs befindliche schmale, mit rechteckigem Grundriss errichtete Kirchturm, der in seinen unteren Mauern noch von einem romanischen Vorgängerbau stammt, der 1207 bereits dem Heiligen Martin geweiht worden war. Im erst später entstandenen oberen Turmteil sind Schallöffnungen mit spitzbogiger Form eingearbeitet.
An der alten Turmmauer befinden sich die Reste eines alten eine Kreuzigungsgruppe darstellendes Relief.
Das Kirchenschiff ist in Form einer Hallenkirche gebaut und stammt in seinem Kern vom Ende des 15. Jahrhunderts. Die erste urkundliche Erwähnung der Kirche datiert aus dem Jahr 1483. Der östliche Abschluss des Schiffs ist als polygonal fünf-Achtel-Schluss gestaltet. Neben dem zwei Joche umfassenden Hauptschiff entstand ein nördliches und ein südliches Seitenschiff. Beide Seitenschiff wurden nach Westen um ein halbes Joch vorgezogen, so dass sie mit der Westfront des Turms einen gemeinsamen westlichen Abschluss bilden. Das nördliche Schiff wurde darüber hinaus auch nach Osten um ein halbes Joch verlängert.
An das südliche Seitenschiff wurde Ende des 16. Jahrhunderts ein weiteres südliches Seitenschiff angefügt, um für die gewachsene Zahl der Kirchenbesucher mehr Platz zu schaffen. Wie das schon zuvor bestehende südliche Seitenschiff umfasst auch der Anbau zweieinhalb Joche, wobei jedes Joch ein eigenes querliegendes Dach erhielt. Für jeden der so entstandenen drei südlichen Giebel wurde ein aufwendig mit Gesimsen, Pilaster und Voluten gestalteter Renaissancegiebel geschaffen, die auch heute das äußere Erscheinungsbild der Kirche maßgeblich prägen.
Das an dieser Seite eingefügte mit einem Kielbogen versehene Portal sowie die Fenster sind auf das Jahr 1593 datiert, jedoch in spätgotischer Form gestaltet.
Südlich des Hauptschiffes, an der Ostseite des ersten südlichen Seitenschiffes befindet sich die mit einem Tonnengewölbe versehene Sakristei.
Das nördliche Seitenschiff erhielt im Jahr 1616 zwei im barocken Stil vermutlich von Christop Dehne gestaltete Tore. Gestiftet wurden diese 1993 restaurierten Portale durch die Brüder Sonnenberg. Das östliche Portal, die sogenannte Brauttür, verfügt über eine mit reichem Schnitzwerk versehene auf das Jahr 1678 datierte Tür. Beide Portale waren ursprünglich von jeweils drei Figuren eingerahmt. Hiervon sind insgesamt drei Figuren noch erhalten. Die Brauttür wird von einer Matthäus Figur, die westliche Tüt von Lukas und Johannes dem Evangelisten geziert.
Das Dach des Kirchenschiffs ist sehr steil und fasst jeweils eineinhalb Joche zusammen. Die Breite des zweijochigen Chors entspricht der Breite des Mittelschiffs.
Die am Turm befindliche Turmuhr stammt aus dem Jahr 1919 und verfügt über ein mechanisches Wochenlaufwerk. An der Kirche befindet sich auch eine im 16. Jahrhundert angebrachte Sonnenuhr. Die älteste im Turm befindliche Glocke stammt aus dem Jahr 1403. Die 750 Kilogramm schwere Bronzeglocke schlägt auch die vollen Stunden. Im Jahr 1699 wurde die 130 Kilogramm schwere ebenfalls aus Bronze bestehende Viertelstundenglocke gegossen. Neben diesen beiden historischen Bronzweglocken befinden sich auch zwei 1928 entstandene Stahlglocken im Turm, die als Ersatz für im Ersten Weltkrieg für Rüstungszwecke abgebene Bronzeglocken angeschafft wurden.
Innenausgestaltung
Das Innere des Kirchenschiffs ist über den Bögen der Arkaden flach gedeckt. Die Pfeiler sind achteckig und wurden zum Teil während der Umbauten in der Zeit der Renaissance ebenfalls verändert. An der Westseite des Schiffs, vor dem Turm, befindet sich die Orgelempore, auf der sich die sogenannte Compenius-Reubke-Orgel befindet. An der Empore befinden sich Stifterwappen.
Der Chor wird von einem Kreuzrippengewölbe überspannt. Im Chor finden sich auch die Reste von Wandmalereien. Bemerkenswert ist der 1693 entstandene große mehrgeschossige Altar, der die Höhe des Chors einnimmt und über seitliche Durchgänge und Priechen verfügt. Bildnisse stellen das Abendmahl, die Kreuzigung und die Auferstehung dar. Die Rahmen sind als Knorpelwerk gestaltet.
Den Schlusspunkt bildet ein die Himmelfahrt Christi darstellendes Relief. Geschnitzte Figuren auf den Altargesimsen und über den Durchgängen sind weitere Verzierungen.
Die etwas ältere Kanzel stammt aus dem Jahr 1684, ist jedoch in einem ähnlichen Stil gehalten. Der mit Bildnissen der vier Evangelisten versehene Kanzelkorb wird von einer Moses darstellenden Figur getragen. Über allem steht die Inschrift VERUM DOMIINI MANET IN AETERNUM (dt.: Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit).
Der Taufstein datiert aus dem Jahr 1610 und entstand somit im gleichen Zeitraum wie die Orgel und die großen Umbauten der Kirche. Er ist als sechseckiges Sandsteinbecken gearbeitet. Bemerkenswert ist die Verzierung mit Reliefs aus Alabaster. Eines stellt die Arche Noah, ein anderes den Zug des Volkes Israel durch das Rote Meer dar. Vermutlich wurden diese Darstellungen ausgewählt, da sie auch Motiv Wasser beinhalten. Weitere Reliefs stellen die Beschneidung Jesu im Tempel, die Taufe Jesu im Jordan, die Segnung von Kindern in Gegenwart seiner Jünger und die Aussendung der Jünger dar.
Aus dem gleichen Zeitraum wie der Taufstein stammt das 1611 entstandene im Chor befindliche Sandstein-Epitaph für den Kroppenstedter Bürgermeister Andreas Fischer. Es zeigt in seinem Mittelteil die Familie des Verstorbenen vor einem Kruzifix. Deutlich älter ist das gleichfalls im Chor befindliche Sakramentshaus. Dieses entstand um das Jahr 1500 im spätgotischen Stil. Es wird von einem Wimperg bekrönt und trägt das Wappen des Erzbischofs Ernst von Magdeburg.
Orgel
Eine Besonderheit der Martinkirche stellt die sogenannte Compenius-Reubke-Orgel dar, die in Teilen vom Anfang des 17. Jahrhunderts stammt.
1603 wurde der Orgelbauer Esaias Compenius auf Empfehlung des Joachim Johann Georg von der Schulenburg, Senior des Domstifts Halberstadt, mit dem Bau der Orgel beauftragt. Die Arbeiten gingen jedoch nur schleppend voran. 1604 sperrten die Kroppenstedter Ratsherren Compenius in die Arrestzelle des Kroppenstedter Rathauses, um eine zügigere Bearbeitung zu erreichen. Obwohl Compenius die schnelle Erledigung versprach, dauerte es noch bis zur Einweihung der Orgel noch bis 1613. Von der Schulenburg musste häufig zwischen den Vertragsparteien vermitteln.
Die Orgel wurde mit dem Wappen des Herzogs Heinrich Julius, des Domkapitels und der Stadt Kroppenstedt verziert. Beim Bau der Orgel kamen einige Pfeifenreihen der alten Orgel des Magdeburger Doms zum Einsatz. Die alte Domorgel war 1604 während des Neubaus durch Heinrich Compenius dem Jüngeren abgebrochen worden.
Nach mehr als 200 Jahren galt die Orgel dann als zu altmodisch. 1858 beauftragte man den bekannten Orgelbauer Adolf Reubke aus Hausneindorf mit der Modernisierung des Instruments. Reubke nutzte den erhaltenen ursprünglichen Orgelprospekt und vier Register aus der Zeit Compenius und schuf so die heute noch weitgehend erhaltene Orgel, die nach ihren beiden Baumeistern benannt ist.
Im Zuge des ersten Weltkriegs wurden allerdings 1917 viele aus Zinn gefertigte Pfeifen aus der Compeniuszeit beschlagnahmt und eingeschmolzen. Insgesamt 122 Kilogramm Zinn wurden so abgeliefert, für die die Kirchengemeinde eine Entschädigung von 768,60 Reichsmark erhielt. Die im Orgelprospekt fehlenden Pfeifen wurden durch eine rote Tuchbespannung ersetzt.
1958 sollte die Orgel durch Wilhelm Sohnle aus Halberstadt dem damaligen Zeitgeschmack angepasst und modernisiert werden. Man bemühte sich den nach Reubke entstandenen romantischen Klang wieder auf eine barocke Klarheit zurückzuführen. Nach heutiger Ansicht litt die Qualität der Orgel unter dieser Modernisierung.[1] Hinzukamen weitere Schäden durch das eingesetzte Holzschutzmittel Hylotox. Die Orgel hat seit 1958 folgende Disposition:
I Hauptwerk C–f3 Pommer 16′ S[Anm. 1] Prinzipal 8′ R Gedackt 8′ C Holzflöte 8′ R Oktave 4′ R Spitzflöte 4′ S Nasat 22/3′ S Oktave 2′ R Mixtur IV–V 11/3′ S II Manualwerk C–f3 Singend Gedackt 8′ [Anm. 2] Salizional 8′ Rö Prinzipal 4′ R Rohrflöte 4′ C Spitzflöte 2′ C Terzian 13/5′+11/3′ [Anm. 3] S Cymbel III 2/3′ S Pedal C–d1 Subbass 16′ R Violon 16′ R Prinzipalbass 8′ R Choralbaß 4′+2′ S - Koppeln: Manualkoppel, Pedalkoppel.
- Spielhilfen: 3 Sperrventile.
- Anmerkungen
- C = Compenius 1613
- R = Reubke 1858
- Rö = Rover
- S = Sohnle 1958
Es besteht die Bestrebung die Orgel erneut zu restaurieren und auf den Bestand von 1613/1858 zurückzuführen. Der dänische Organist Per Kynne Frandsen, der sich von 2002 bis zu seinem Tod im Jahr 2005 auf diese Orgel konzentrierte und der schwedische Orgelrestaurator und Compenius-Forscher Mads Kjersgaard gaben den entscheidenden Anstoß für den Beginn der Restaurierung. Kjersgarden fertigte bereits 1999 eine Rekonstruktionszeichnung. Im Frühjahr 2007 stellte eine Orgelkommission ein Gesamtkonzept auf, welches den beiden großen Erbauern der Orgel gerecht werden soll und zugleich die im 20. Jahrhundert entstandenen Schäden beseitigt. Unter anderem ist der Einbau eines zweiten Spieltisches geplant, mit dessen Hilfe die neu zu schaffenden Prospektpfeifen mit vier Registern in historischer Stimmung gespielt werden können.
Das Restaurierungsprojekt wird durch eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Stadt Kroppenstedt und der Kirchengemeinde gesteuert. Es wird gehofft, dass am 6. Mai 2013 und somit 400 Jahr nach der ersten Einweihung die Neueinweihung gefeiert werden kann.
In seiner jetzigen noch unrestaurierten Form verfügt das Instrument über 2 Manuale, Pedal, 21 Register, eine mechanische Schleiflade sowie eine Kammerton-Stimmung.
Pfarrhaus
Nordöstlich der Kirche, auf der gegenüber liegenden Straßenseite, befindet sich der Pfarrhof (Kirchstraße 16). Das Pfarrhaus stammt aus dem Jahr 1611, ist zweigeschossig aus Bruchstein erbaut und wird von einem großem Walmdach bedeckt. Zum von einer Mauer umfassten sehr großen Pfarrhof gehört auch ein polygonaler Taubenturm sowie eine Scheune. Das obere Geschoss der Scheune ist in Fachwerk errichtet und ruht auf einem Bruchsteinsockel.
Literatur
- Ute Bednarz in Dehio - Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt I, Regierungsbezirk Magdeburg, Deutscher Kunstverlag München Berlin 2002, ISBN 3-422-03069-7, Seite 498 ff.
- Rüdiger Pfeiffer und Hans Schoene, Ausgewählte Orgeln im Bördekreis, Faltblatt, Herausgeber: Landkreis Bördekreis, Oschersleben, Dezember 2002
- Jürgen Vogel, Compenius-Reubke-Orgel Kroppenstedt, Faltblatt
- anonym, Herzlich Willkommen in der Kroppenstedter Martinikirche, Faltblatt
Einzelnachweise
- ↑ Vogel, Compenius-Reubke-Orgel
Weblinks
51.9414911.30449Koordinaten: 51° 56′ 29″ N, 11° 18′ 16″ O
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