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Achilleus (dt. Achill oder Achilles, lateinisch Achilles, altgriechisch-gelehrt Αχιλλεύς, heutiges Griechisch-volkssprachlich Αχιλλέας, Geburtsname eigentlich Ligyron) ist in der griechischen Mythologie der Sohn des Peleus (daher der Pelide) und der Meeresnymphe Thetis (siehe Stammbaum der griechischen Götter) stammend aus Pelion, Thessalien. Als Sohn eines menschlichen Vaters und einer göttlichen Mutter war er sterblich. Thetis versuchte aber, ihn zumindest unverwundbar zu machen, und tauchte ihn in den Styx, den Fluss, der die Unterwelt von der Oberwelt trennt. Die Stelle an der Ferse, an der sie Achilleus mit der Hand hielt, blieb jedoch vom Wasser des Flusses unbenetzt, und wurde so zur einzigen verwundbaren Stelle (siehe Achillesferse).
Inhaltsverzeichnis
Der antike Achilleus
Die ersten Zeilen der Ilias beziehen sich auf Achilleus und lauten:
Griechischer Originaltext
- Μῆνιν ἄειδε θεὰ Πηληιάδεω Ἀχιλῆος
- οὐλομένην, ἥ μυρί’ Ἀχαιοῖς ἄλγε’ ἔθηκεν,
Deutsche Übersetzung nach Johann Heinrich Voß
- Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus,
- Ihn, der entbrannt den Achaiern unnennbaren Jammer erregte,
Als die Achaier (d.h. in diesem Kontext: die Griechen) unter Führung Agamemnons ihren Kriegszug gegen Troja vorbereiteten, versuchte seine Mutter, Achilleus zu verstecken, da dieser nach einer Weissagung des Sehers Kalchas entweder vor Troja fallen oder ein langes, aber ruhmloses Leben führen werde. Sie verbarg ihn, als Mädchen verkleidet, bei den Töchtern des Lykomedes auf Skyros, wo er dessen Tochter Deidameia heiratete. Mit dieser zeugte er den Neoptolemos (Pyrrhos). Odysseus aber spürte ihn auf und enttarnte ihn: In der Halle des Königs ließ er Schmuck, schöne Kleider und Waffen auslegen. Als nun die „Mädchen“, unter ihnen auch der verkleidete Achilleus, die Halle betraten, griff Achilleus als einziger nach den Waffen. Homer kennt diese Episode nicht: In der Ilias wird erzählt, dass Achilleus von Nestor und Odysseus angeworben wurde.
Zum Erzieher Achilleus' wurde Phoinix bestellt. Achilleus wuchs zusammen mit Patroklos auf, der sein älterer Cousin, sein Kampfgefährte und nach Platons Symposion auch sein Liebhaber war. Achilleus wurde der stärkste und wildeste der Kämpfer im Troianischen Krieg. Homer nennt ihn meist den Schnellfüßigen.
Dort war er der Anführer der Myrmidonen bzw. Thessalier. Vor Troja vollbrachte Achilleus zahlreiche Heldentaten, zog sich aber nach einem Streit um die schöne Sklavin Briseis [sprich: Brise|is] vom Kampf zurück - dies ist der „Zorn des Achilleus“, der die Stoffe der Ilias thematisch bündelt. Er griff erst wieder ein, um seinen Cousin Patroklos zu rächen; dabei tötete er dessen Besieger Prinz Hektor, den stärksten Helden der Trojaner, schändete im Grimm noch den Toten und wurde erst durch einen Besuch von dessen Vater Priamos zum Mitleid bewogen und gab den Leichnam für eine ehrenvolle Bestattung mit der Versicherung zurück, einen zwölftägigen Frieden für den ebenso langen Begräbnisritus mit Agamemnon zu vereinbaren, was der König verärgert wegen Achilleus' Handeln entgegen seiner Autorität als Herrscher hinnahm.
Als die Amazonen auf der Seite Trojas in den Krieg eingriffen, tötete Achilleus deren Königin Penthesileia und verliebte sich dabei in die Sterbende. Als dann die Äthiopier den Trojanern zu Hilfe kamen, tötete er auch deren König Memnon.
In den bekanntesten Versionen von Achilleus' Tod am Skäischen Tor wurde er indirekt vom Gott Apollon getötet, der den Pfeil des Paris auf die verwundbare Achillesferse gelenkt hatte.
In späteren Versionen (von Dictys Cretensis und Dares Phrygius) wurde Achilleus die Liebe zum Verhängnis. Er hatte sich in Polyxena verliebt, die jüngste Tochter von König Priamos. Zum vorgeschützten Zweck der Eheschließung mit ihr wurde er waffenlos in den Apollon-Tempel von Thymbra gelockt und dort von Paris und dessen Bruder Deiphobos getötet. Nach dem Ende des Krieges erschien er dann seinem Sohn Neoptolemos im Traum und verlangte, dass ihm das Kostbarste der Beute geopfert werde. Das war nach allgemeiner Auffassung Polyxena; sie kam ihrer Opferung zuvor und tötete sich auf Achilleus' Grab selbst.
In Homers Ilias, die vor dem Tod des Achilleus und vor dem Fall Trojas endet, wird ihm vom sterbenden Hektor der Tod durch Apollon und Paris prophezeit. In der Odyssee begegnet Odysseus seinem ehemaligen Kampfgefährten bei einem Besuch der Unterwelt und hört von ihm den - für die frühe Antike bezeichnenden - Ausspruch, er, Achilleus, wäre lieber Knecht auf der Erde als der Fürst der Schatten im Hades.
Achilleus' Jugend, seine Unverwundbarkeit, die Begegnung mit Penthesileia und der Bericht über seinen Tod sind nicht Bestandteil der Epen Homers.
Die Chronologie des Mythos ist gerade um die Gestalt des Achilleus herum sehr widersprüchlich. Auf der Hochzeit seiner Eltern Thetis und Peleus entstand der Streit der drei Göttinnen Hera, Pallas Athene und Aphrodite, welche von ihnen die Schönste sei. Zur Entscheidung riefen sie Paris auf, der sich für Aphrodite entschied und anschließend Helena aus Sparta raubte, wo diese schon an die zehn Jahre verheiratet war. Wenn Achilleus ein Jahr nach der Hochzeit seiner Eltern geboren worden wäre, wäre er doch bei dem Treffen der vielen Fürsten, die in Sparta um Helenas Hand warben, allenfalls minus 9 Jahre alt gewesen. Es bestand für ihn also auch keinerlei Verpflichtung aus dem von Odysseus formulierten und von allen Freiern ratifizierten Schutzbündnis, nach Troja zu ziehen. Das hat auch Karl Kerényi schon nachgerechnet: „Aber die Behauptung, Achilleus habe damals über Menelaos nur deshalb nicht gesiegt, weil er noch ein Kind war und in der Obhut des Chiron lebte, oder gar die Prahlerei der Helena bei Euripides, der Sohn der Thetis sei bei dem Freien dabeigewesen, passen zum Verhältnis der Zeiten nicht. Wenn Helena, als sie von Paris entführt wurde, ihre kleine Tochter verließ, die vielleicht neun Jahre alt war, so muss ihre Verheiratung vor der Hochzeit des Peleus und der Thetis stattgefunden haben.“ (Kerényi: Die Mythologie der Griechen, II, München 1966, S. 209
Achilleus in der Literatur
Shakespeare
In seinem Stück Troilus und Cressida hält Shakespeare sich, Achilleus betreffend, an das homerische Motiv der Streitverweigerung, zeichnet ihn zugleich jedoch mit den Mitteln der Heldensatire als eitel und feige; Odysseus beschreibt ihn mit den Worten
- Der Held Achilles, den die Meinung krönt
- Als Nerv und rechte Hand des ganzen Heers -
- Das Ohr gefüllt mit seinem luft'gen Ruhm,
- Wird frech und launenhaft und ruht im Zelt,
- Verspottend unser Tun. Mit ihm Patroklus,
- Auf einem Lotterbett, treibt freche Possen
- Den lieben langen Tag...
Goethe
Als Goethe an dem Epos in Hexametern Hermann und Dorothea arbeitete, studierte er Homer in der Übersetzung von Johann Heinrich Voß. Dabei kam er darauf, dass zwischen dem Ende der Ilias und dem Anfang der Äneis noch ein episches Gedicht inneliegt. Er hat eine Achilleis in 8 Gesängen zu schreiben begonnen, hat das Projekt jedoch bereits nach der Fertigstellung des ersten Gesanges aufgegeben, entweder weil die Verwicklungen um Achilleus' Tod insbesondere hinsichtlich der Polyxena-Episode eine zu weitgehende Umdeutung der Überlieferung nahelegten, und/oder weil der Widerspruch zwischen dramatischem Stoff und epischer Form ihm zu groß erschien. Goethe zeichnet Achilleus als „tief bewegt und sanft“, zugleich aber als seines bevorstehenden Todes gewiss (er lässt bereits selbst seinen Grabhügel aufschaufeln) und als fatalistisch-unerschrockenen Kämpfer:
- ...Der Glücklichste denke zum Streite
- Immer gerüstet zu sein, und jeder gleiche dem Krieger,
- Der von Helios' Blick immer zu scheiden bereit ist.
Schiller
Schiller macht in seinem Gedicht Nänie Achilleus zum Inbegriff des sterblich Schönen:
- Nicht errettet den göttlichen Held die unsterbliche Mutter,
- Wann er, am skäischen Tor fallend, sein Schicksal erfüllt.
- Aber sie steigt aus dem Meer mit allen Töchtern des Nereus,
- Und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn.
- Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle,
- Dass das Schöne vergeht, dass das Vollkommene stirbt.
- Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten ist herrlich,
- Denn das Gemeine geht klaglos zum Orkus hinab.
Hölderlin
Hölderlin vergleicht sich in seiner kurzen Elegie Achill selbst mit Achilleus, nachdem diesem Briseis von Agamemnon geraubt worden war:
- Herrlicher Göttersohn! da du die Geliebte verloren,
- Gingst du ans Meergestad, weintest hinaus in die Flut...
Im Gegensatz zu Achilleus, der sein Leid der Mutter klagen konnte und von ihr getröstet wurde, kann Hölderlin seinen Liebeskummer - von Susette Gontard, der Frankfurter Bankiersgattin, getrennt zu sein - mit niemandem teilen:
- Göttersohn! o wär ich wie du, so könnt ich vertraulich
- Einem der Himmlischen klagen mein heimliches Leid.
Heinrich von Kleist
Achilles Tod wird in Heinrich von Kleists Drama Penthesilea anders dargestellt als in der antiken Tradition: Achill will der geliebten Frau nur scheinbar im Kampf erliegen und zieht ihr waffenlos entgegen; sie verkennt seine Absicht und tötet ihn; Meroe, Penthesileas Waffengefährtin, berichtet:
- Sie schlägt, die Rüstung ihm vom Leibe reißend,
- Den Zahn schlägt sie in seine weiße Brust...
- ... als ich erschien
- Troff Blut von Mund und Händen ihr herab.
Entsetzt über ihre eigene Tat wählt Penthesilea ebenfalls den Tod. Auf makabre Art und Weise nimmt dieser Schluss den Doppelselbstmord des Dichters zusammen mit einer Freundin vorweg.
Heinrich Heine
Die Begegnung zwischen Odysseus und Achill in der Unterwelt wird von Heine aufgegriffen in dem Gedicht Epilog:
- Unser Grab erwärmt der Ruhm.
- Torenworte! Narrentum!
- Eine beßre Wärme gibt
- Eine Kuhmagd, die verliebt
- Uns mit dicken Lippen küßt
- Und beträchtlich riecht nach Mist.
- Gleichfalls eine beßre Wärme
- Wärmt dem Menschen die Gedärme,
- Wenn er Glühwein trinkt und Punsch
- Oder Grog nach Herzenswunsch
- In den niedrigsten Spelunken,
- Unter Dieben und Halunken,
- Die dem Galgen sind entlaufen,
- Aber leben, atmen, schnaufen,
- Und beneidenswerter sind,
- Als der Thetis großes Kind
- Der Pelide sprach mit Recht:
- Leben wie der ärmste Knecht
- In der Oberwelt ist besser,
- Als am stygischen Gewässer
- Schattenführer sein, ein Heros,
- Den besungen selbst Homeros.
Christa Wolf
Eine andere Sichtweise auf die literarische Figur Achilleus liefert Christa Wolf in Kassandra. In der Erzählung der todgeweihten Seherin Kassandra taucht Achilleus als mordgierige Verkörperung allen Zerstörungsdranges auf und wird nur „Achill das Vieh“ genannt. Dass es sich hierbei um eine Reduktion seines Charakters handelte, muss der Autorin bewusst gewesen sein. Sie hat den Mann, der sich in Frauenkleidern der Kriegsteilnahme zu entziehen versuchte, der wegen einer Frau den Krieg bestreikte, der mit Priamos über die Sinnlosigkeit des Krieges weinte, der sich in die sterbende Penthesilea verliebte und der durch ein Ehebündnis mit Polyxena den Krieg fast zum Erliegen brachte, aus Gründen des Effekts ausgeblendet.
Marion Zimmer Bradley
In ihrem Roman Die Feuer von Troja beschreibt Marion Zimmer Bradley Achilleus als ein Monster, welches sowohl Hektors Leichnam schändete und auch Penthesileas Leiche nach der Tötung vergewaltigte. Gleichzeitig tötete nicht Paris ihn mit dem Bogen, sondern Kassandra in der Gestalt von Apollon.
Anmerkung
Achilleus scheint eine auf Grund der Fülle seiner Eigenschaften besonders stark zur Identifikation einladende Sagengestalt zu sein. Er ist friedliebend und hasst den Krieg, aber wenn er kämpft, dann unwiderstehlich und brutal; er erscheint den einen Autoren heterosexuell (Deidameia, Briseis, Polyxena), anderen eher homosexuell (Patroklos); er schwankt zwischen Unterordnung unter ein gemeinsames Ziel und völliger Eigenwilligkeit; er ist jung, schön und schnell – und dennoch verletzlich; er ist ein gefürchteter Kämpfer – und flieht in der Not in die Arme seiner Mutter. Bereits bei Homer sind alle diese Widersprüche in seiner Person vereinigt, und doch vermittelt er nie den Eindruck eines poetischen Konstrukts. In dieser Fülle der Eigenschaften, der Widersprüche liegt seine besondere Lebenskraft: Weil sein Stolz gekränkt ist, tritt er in Kriegsstreik. Aus einem privaten Motiv kehrt er auf den Kriegsschauplatz zurück: er will seinen Freund rächen. Die eigentlichen Kriegsziele, Troia und Helena, sind ihm anscheinend völlig gleichgültig. Alle anderen Kriegsteilnehmer stehen im Dienst der Kriegsziele, der Kämpfer Achilleus aber verwirklicht sich selbst. Für Hegel verkörpert Achilleus das Ideal des epischen Helden: "Bei Achill kann man sagen: Das ist ein Mensch! - Die Vielseitigkeit der edlen menschlichen Natur entwickelt ihren ganzen Reichtum an diesem einen Individuum." [1]
Vergleichbare Motive der Mythologie
Einzelmerkmale der Sagen um Achilleus gehören zum Grundbestand epischer Dichtung und finden sich, ohne dass ein direkter Zusammenhang besteht, auch in anderen Literaturen, so z. B. im mittelhochdeutschen Nibelungenlied, dessen Held Siegfried ebenfalls bis auf eine Stelle unverwundbar ist.
Das Paradoxon des Zenon
Im Paradoxon des Zenon von Elea von Achilleus und der Schildkröte wird die Gestalt des Achilleus als Inbegriff der Schnelligkeit benutzt.
Achilleus als Vorname
Auch wird sein Name als männlicher Vorname vielfach vergeben; siehe auch: den Hl. Achilleus sowie zum römischen Usurpator Achilleus: Lucius Domitius Domitianus oder den brandenburgischen Kurfürsten Albrecht Achilles. Davon abgeleitet existiert er auch als Nachname.
Siehe auch
- Schlangeninsel in der griechischen Mythologie
- Achillessehne
Einzelnachweise
- ↑ Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik, Bd. I, Frankfurt a.M. 1983, S. 308
Literatur
- Joachim Latacz, Achilleus. Wandlungen eines europäischen Heldenbildes, Stuttgart/Leipzig 1995
- Dares Phrygius, Dictys Cretensis: Der Krieg gegen Troia, wie er wirklich war. Die beiden „Augenzeugen“-Berichte des Dares aus Phrygien und des Diktys von Kreta. Aus dem Lateinischen übersetzt von Wolfgang Hradsky. docupoint-Verlag, Magdeburg 2005. ISBN 3-938142-61-8
- Hélène Monsacré: Les larmes d'Achille. Le héros, la femme et la souffrance dans la poésie d'Homère, Albin Michel, Paris 1984. ISBN 2-226-02163-9
- Gregory Nagy: Le Meilleur des Achéens. La fabrique du héros dans la poésie grecque archaïque. coll. «Des travaux». Seuil, Paris 1999. ISBN 2-02-012823-3
- William Armstrong Percy, Reconsiderations about Greek Homosexualities, in: Same–Sex Desire and Love in Greco-Roman Antiquity and in the Classical Tradition of the West, Binghamton, 2005, S.19
Weblinks
- Literatur von und über Achilleus im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
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