Consistoire central des israélites français

Consistoire central des israélites français

Das Consistoire (dt. Konsistorium) ist die älteste heute noch bestehende staatliche Organisation der in Frankreich lebenden Juden. Sie wurde im Jahre 1808 von der napoleonischen Verwaltung nach protestantischem Vorbild eingeführt, verlor nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend an Bedeutung und ist heute ausschließlich für kultische Fragen zuständig.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

19. Jahrhundert

In der Französischen Revolution waren die bestehenden internen Strukturen der jüdischen Gemeinden abgeschafft worden. Die Zugehörigkeit von Juden zu ihrer Gemeinde und damit auch die Bezahlung von Gemeindegebühren wurde nun freiwillig, was die Leiter der Gemeinden vor Probleme stellte. Deshalb wurden die von Napoleon eingeführten Reformen von einem Großteil der jüdischen Führungskräfte begrüßt, in der Hoffnung, dass das Judentum in Frankreich auf diese Weise einen ähnlichen Status wie die katholische Kirche im Konkordat von 1801 und die Protestanten in den „organischen Artikeln“ von 1802 erhalten würde. Napoleon selbst war bestrebt, ein Mittel zur erfolgreichen Kontrolle der jüdischen Gemeinde zur Verfügung zu haben und gleichzeitig die Juden als individuelle Bürger in die französische Gesellschaft zu integrieren. Die Statuten des Konsistoriums wurden durch kaiserlichen Erlass am 17. März 1808 in Kraft gesetzt.

In diesem Erlass wurde der Aufbau eines zentralen Konsistoriums in Paris festgelegt, das an der Spitze einer Gruppe von regionalen Konsistorien stand, die ihrerseits die lokalen Gemeinden kontrollieren sollten. Am 13. Dezember 1808 wurde der Sitz von 13 regionalen Konsistorien festgelegt, wozu auch das Rheinland und Norditalien gehörten, die damals Teil des französischen Kaiserreichs waren. Für jedes Département mit einer jüdischen Bevölkerung von mindestens 2000 Personen wurde ein Consistoire errichtet, mit der Möglichkeit der Zusammenstellung von mehreren Départements. Das Pariser Consistoire umfasste damals 16 Départements. Im zentralen Konsistorium saßen drei Grands rabbins (Oberrabbiner) und zwei Laien, und in den regionalen Konsistorien ein Grand rabbin und drei Laien. Sie wurden von 25 Notabeln aus dem Gebiet gewählt, die von den Gemeindemitgliedern ernannt und von den lokalen Präfekten bestätigt werden mussten. Sämtliche Ernennungen waren von der Bestätigung der Regierung abhängig. Jedes Haupt einer jüdischen Familie musste den Konsistorien Gebühren bezahlen. Die Funktion der Konsistorien wurde im Erlass von 1808 wie folgt festgelegt:

sicherzustellen, dass keine Gebetsversammlung ohne ausdrückliche Bewilligung gebildet wird, die Juden in der Ausübung nützlicher Berufe zu fördern und den Behörden diejenigen Personen zu übergeben, die über keine anerkannten Mittel zum Lebensunterhalt verfügen, und den Behörden jedes Jahr die Anzahl jüdischer Militärdienstpflichtiger im Gebiet mitzuteilen.

Die Pflicht der Rabbiner bestand darin:

Religionsunterricht zu erteilen und die Lehren aus den Entscheidungen des Großen Sanhedrins zu unterrichten, Gehorsam gegenüber den Gesetzen zu fordern, besonders ... gegenüber denjenigen im Zusammenhang mit der Verteidigung des Vaterlandes ... und insbesondere jedes Jahr zur Zeit der Musterung die Juden dazu anzuhalten, ihren Militärdienst als heilige Pflicht anzusehen.

Während des Militärdienstes waren die jüdischen Männer von der Ausübung derjenigen Pflichten befreit, mit denen der Dienst sich nicht vereinbaren ließ. Die führenden Gemeindemitglieder akzeptierten im allgemeinen diese Vorschriften, durch welche die jüdischen Gemeinden an Bedeutung zurückgewannen. Vor allem aber entstand damit, als Neuheit in West- und Mitteleuropa, eine zentralistische Organisation auf nationaler Ebene.

Im Erlass von 1808 wurden regionale Konsistorien in Paris, Straßburg, Wintzenheim, Metz, Nancy, Bordeaux, Marseille, Mainz, Trier, Koblenz, Krefeld, Turin und Casale geschaffen. Weitere drei Konsistorien entstanden 1810 durch die Eroberung von Mittelitalien und 1812 durch die Eroberung der Niederlande und eines weiteren Teils von Deutschland. Nach dem Sturz Napoleons wurde das konsistoriale System in den Gemeinden Belgiens, Luxemburgs und Westfalens beibehalten. 1845 wurde ein zentrales Konsistorium in Algier sowie regionale Konsistorien in Oran und Constantine gegründet; 1867 wurden die algerischen Konsistorien dem französischen Mutterland angeschlossen. Nach der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg und dem Verlust von Elsass-Lothringen strömten elsässische Flüchtlinge nach Frankreich, und so entstanden 1872 neue Konsistorien in Lille und Vesoul.

Die Existenz der Konsistorien war von Anfang an durch ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten bedroht. Da oftmals die Bezahlung von Gebühren ausblieb, wurde 1816 deren Eintreibung durch das staatliche Finanzamt beschlossen, welchem dafür ein Prozentsatz des Einkommens zugesprochen wurde. 1831 bewilligte König Louis-Philippe, die Löhne der Rabbiner und Gemeindebeamten im nationalen Budget aufzunehmen. In den 1840er Jahren wurde das Wahlrecht erweitert; das Prinzip der „Notabilität“ wurde zwar beibehalten, die Anzahl von Notabeln jedoch bedeutend erhöht. Nach der Revolution von 1848 wurde jeder männliche Jude über 25 Jahren als „notabel“ und somit stimmberechtigt erklärt. Während des Zweiten Kaiserreichs wurde diese Demokratisierung teils wieder rückgängig gemacht; das zentrale Konsistorium beschränkte die Anzahl Stimmberechtigten vor allem bei der Wahl von Rabbinern. Eine zentrale Aufgabe für das Konsistorium wurde nun die Ausbildung von Rabbinern an Rabbinerseminaren. Das 1829 gegründete Rabbinerseminar von Metz war zunächst nicht viel anderes als eine traditionelle Jeschiwa. Mit dem Umzug des Seminars nach Paris im Jahre 1859 verstärkten sich die Bestrebungen zur Modernisierung. Führende Mitglieder des Consistoire im 19. Jahrhundert waren der Politiker Adolphe Crémieux, der 1843 zum Präsidenten der Organisation gewählt wurde, und der Orientalist Jules Oppert.

20. Jahrhundert

Das Consistoire blieb die offizielle repräsentative Vertretung der Juden in Frankreich bis zur Trennung von Kirche und Staat im Jahre 1905. Auch nachher blieb die Einrichtung weiter bestehen; sie wurde zwar offiziell zu Union des associations culturelles de France et d'Algérie umbenannt, jedoch weiterhin als „Consistoire“ bezeichnet. Das Motto des Zentralkonsistoriums „Religion und Vaterland“ betonte den Stellenwert der Assimilation. Einen gewissen Gegensatz dazu bildete Elsass-Lothringen, wo die französischen Institutionen auch nach der deutschen Eroberung 1871 beibehalten wurden. Hier, wo die Trennung von Kirche und Staat nicht durchgeführt wurde, sorgte der Erhalt des konsistorialen Systems für Zusammenhalt und Traditionsbewusstsein innerhalb der jüdischen Gemeinschaft.

Vor dem Ersten Weltkrieg strömten zahlreiche jüdische Flüchtlinge aus Osteuropa nach Frankreich, die ihre eigenen Organisationen bildeten. 1935 bestand das Zentralkonsistorium formell aus 63 französischen und neun algerischen Gemeinden, doch die meisten Mitglieder zeigten kaum Interesse an Gemeindeangelegenheiten. Nach der deutschen Besetzung von Paris 1940 blieb das Zentralkonsistorium in der nicht besetzten Zone zunächst aktiv, die finanziellen Mittel waren jedoch bald ausgeschöpft. Im Laufe der 1950er Jahre, im Zuge der Entkolonialisierung, zogen zahlreiche Juden aus Algerien nach Frankreich, und bis 1965 war fast die gesamte dortige jüdische Gemeinde übergesiedelt, doch das Zentralkonsistorium behielt immer noch die frühere Bezeichnung unter Einschluss von Frankreich und Algerien. Während der Studentenunruhen im Mai 68 besetzten einige Dutzend jüdische Jugendliche den Sitz des Zentralkonsistoriums in Paris, protestierten gegen die „archaischen und antidemokratischen Institutionen“ und forderten „eine neue Gemeinde auf echter partizipatorischer Basis“.

Die Bedeutung des konsistorialen Systems in Frankreich hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend verringert, nachdem zusätzliche Vereinigungen von landesweiter Bedeutung entstanden. 1950 wurde der FSJU (Fonds social juif unifié) gegründet, aus dem 1968 der AUJF (Appel unifié des juifs de France) hervorgegangen ist und sich hauptsächlich mit sozialen Fragen befasst. Daneben gibt es den CRIF (Conseil représentatif des institutions juives de France), eine Organisation zur Interessenvertretung.

Literatur

Weblinks


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