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Cribellate Spinnen (Cribellatae) sind Echte Webspinnen, die dank besonderer Organe in der Lage sind, Fangwolle ohne Leimtröpfchen für ihre Spinnennetze herzustellen. Sie unterscheiden sich grundlegend von den ecribellaten Spinnen, die Leimfäden produzieren. Cribellatae und Ecribellatae wurden früher auf Grund ihrer erstaunlichen Unterschiede in der Produktion ihrer Spinnseide als Infraordnungen angesehen. Heute stattdessen folgt man der Einteilung in Haplogynae und Entelegynae, die beide sowohl cribellate wie ecribellate Spinnen umfassen.
Allein die Fangwolle, die auch ohne Leim sehr effektiv ist, ist sehr interessant, da ihre einzelnen Fäden einen Durchmesser von weniger als 0,015 µm haben. Aber auch die zur Herstellung der Fangwolle notwendigen Organe stellen die Arachnologen vor sehr interessante Fragen zur Evolution der Spinnen, die unter dem Schlagwort Cribellaten-Problem zusammengefasst werden.
Inhaltsverzeichnis
Die cribellaten Fallen
Die zusammengesetzten Fangfäden der cribellaten Spinnen bestehen aus ein bis zwei Achsenfäden, kräftigen Kräuselrandfäden und der noch feineren und sehr dichten Fangwolle. Mit dem Calamistrum an dem letzten Beinpaar bürsten die cribellaten Spinnen die Fangwolle in Bündeln auf die Achsfäden. Die so entstandenen zusammengesetzten Fangstränge schimmern meist bläulich und wirken wie Fußangeln, in denen sich die Beutetiere hilflos verstricken. Die Adhäsion beruht hier nicht wie bei den ecribellaten Spinnen auf Leimtröpfchen.
Ein Vorteil der leimfreien cribellaten Fäden ist, dass sie nicht wie die Leimfäden austrocknen und ersetzt werden müssen. Das versetzt viele Arten, wie Angehörige der cribellaten Familien Psechridae und der Kräuselradnetzspinnen in die Lage, ihre Netze von beeindruckender Größe beständig weiterzubauen. Andere bilden Aggregationen und Kolonien mit dauerhaften Fangnetzen, wie zum Beispiel Philoponella arizonicus und Philoponella oweni in Mittelamerika.
Für die Herstellung des Gerüstes ihres Netzes verzichten die cribellaten Spinnen auf die Herstellung dieser Fangwolle. Die Grundkonstruktion der Falle wird allein mit den stärkeren Achsfäden hergestellt.
Cribellum und Calamistrum
Das Cribellum ist sehr wahrscheinlich eine Homologie der vorderen, mittleren Spinnwarzen der Gliederspinnen (Mesothelae) und der vier Paar aktiven Spinnwarzen der hypothetischen Urform der Webspinnen. Bei den ecribellaten Spinnen sitzt an dieser Stelle ein vermutlich funktionsloser Hügel, der Colulus. Das Cribellum, auch Spinnplatte genannt, ist eine Platte, die dicht mit bis zu 40.000 oder 50.000 Spinnspulen besetzt ist. Mit jeder Häutung nimmt die Anzahl der Spinnspulen zu. Diese Spinnspulen sind kleine Röhrchen oder Öffnungen, aus denen 100–150 Å dünne, knotig strukturierte, Fäden ausgeschieden werden. Die Seide wird hier, wie bei anderen Spinnen auch, über gewöhnliche Spinndrüsen produziert.
Das Calamistrum ist einem Kamm ähnlich, der am Metatarsus (letzten Beinglied) des vierten Beinpaares sitzt. Jeder Borste dieses Borstenkammes ist besetzt mit einer Zackenreihe. Bei einigen Arten ist das Calamistrum der Männchen nur undeutlich ausgeprägt. Die Fangwolle wird mit dem Calamistrum aus dem Cribellum gekämmt und auf die dickeren Achsfäden aufgetragen.
Das Cribellaten-Problem
Da es unwahrscheinlich ist, dass solche markante Ausprägungen wie Cribellum und Calamistrum mehrmals unabhängig von einander entstanden sind, geht man davon aus, dass alle cribellaten Spinnen einen gemeinsamen Vorfahren haben. Da den Ecribellaten das Cribellum und auch das Calamistrum fehlt, es zum Colulus reduziert oder ganz verloren ging, lag es nahe zu folgern, dass sie sich aus den Cribellaten entwickelt hätten, dass also die beiden Gruppen jeweils monophyletisch sind. Daher war es in der Systematik der Echten Webspinnen lange üblich, Cribellatae und Ecribellatae als Infraordnungen zu unterscheiden.
Von dieser Auffassung ist man mittlerweile abgerückt, da sich nicht alle Leimfadenweber aus den cribellaten Spinnen entwickelt haben können. Die Rückbildung des Cribellums und die Entwicklung von Leimfäden hätte in der Stammesgeschichte der Spinnen etliche Male voneinander unabhängig stattfinden müssen, die schließlich bei einigen in dem völligen Verlust des Organs münden müsste. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sich sowohl einige Leimfadenweber (Ecribellate) aus den Wollfadenwebern (Cribellate) entwickelt haben, als auch dass sich Leimfadenweber als konvergente Entwicklung ohne nähere Verwandtschaft zu den Cribellaten entwickelt haben. Somit sind die cribellaten Spinnen paraphyletisch, da es sich beim Cribellum um eine Symplesiomorphie handelt. Die Ecribellaten sind nach dieser Sicht polyphyletisch.
Einen Übergang von cribellat zu ecribellat nimmt man zum Beispiel bei den Psechridae zu den Lycosidae an. Die Ähnlichkeit der Radnetze der cribellaten Uloboriden und den ecribellaten Radnetzspinnen ist hingegen eine Analogie. Beide Formen der Fallen haben sich unabhängig voneinander mit den zwei grundlegend verschiedenen Techniken (Leim und Wolle) entwickelt.
Cribellate Familien
- aus der Teilordnung Haplogynae:
- aus der Teilordnung Entelegynae:
- Röhrenspinnen (Eresidae)
- Oecobiidae[1]
- Psechridae
- Finsterspinnen (Amaurobiidae)
- Tengellidae
- Kalksteinspinnen (Titanoecidae)
- Kräuselradnetzspinnen (Uloboridae)
- Kräuselspinnen (Dictynidae)[1]
- Kräuseljagdspinnen (Zoropsidae)
Quelle
- Rainer F. Foelix: Biologie der Spinnen. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1979, ISBN 313575801x
- ↑ a b Gertsch, Willis J.: American Spiders, 2nd edition. Van Nostrand Reinhold, New York 1979, ISBN 0442226497
Weitere Literatur
- S. Baum (1974): Zum "Cribellaten-Problem": Die Genitalstrukturen der Oecobiinae und Urocteinae (Arach.: Aran.: Oecobiidae). Abh Verh Naturwiss Ver Hamburg 16: 101-153
- P. Lehtinen (1967): Classification of the cribellate spiders and some allied families, with notes on the evolution of the suborder Araneomorpha. Ann Zool Fenn 4: 199-468
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