Cyrenius

Cyrenius

Publius Sulpicius Quirinius (* um 45 v. Chr.; † 21 n. Chr.) war ein römischer Senator und zeitweiliger Statthalter in Syrien. Die Forschung um seine Funktion in der römischen Verwaltung in Palästina während der Zeitenwende ist bedeutsam hinsichtlich der Frage der Historizität der lukanischen Weihnachtserzählung.

Leben

Publius Sulpicius Quirinius wurde um das Jahr 45 v. Chr. in Lanuvium geboren, einer Stadt in der Nähe Roms. Seine Familie war wohlhabend, hatte aber bisher keine Senatoren hervorgebracht.

Im Gefolge des Aufstiegs von Octavian, der als Augustus zum ersten römischen Kaiser wurde, öffneten sich für Quirinius zuvor verschlossene Karrierewege. Über den Verlauf von Quirinius’ früher Laufbahn liegen keine Informationen vor. im Jahre 15 v. Chr. wurde er Prokonsul (Statthalter) der Provinz Creta et Cyrene.

In der Cyrenaica bekämpfte Quirinius erfolgreich die Garamanten, einen Stamm, der südlich der Grenze in der Sahara ansässig war. Er kehrte als Kriegsheld nach Rom zurück und wurde im Jahre 12 v. Chr. zum Konsul gewählt. Augustus ernannte ihn später zum Statthalter der Provinz Galatien in der heutigen Türkei. Dort bekämpfte Quirinius in den Jahren 5 bis 3 v. Chr. den kriegerischen Stamm der Homonadenser.

Nach Meinung anderer Historiker befehligte Quirinius die legio III Gallica, legio VI Ferrata und legio X Fretensis im Homonadenserkrieg schon in den Jahren 11–7 v. Chr, deren Oberbefehl er etwa 15 Jahre, später im Jahre 6 n. Chr. wieder nachweisbar innehatte. Das waren die dem Kriegsschauplatz am nächsten stationierten Legionen, nämlich die in Syrien. Nach Tacitus[1] hat Quirinius nach seinem Konsulat im Jahre 12 v. Chr.[2] und vor seinem Sonderkommando im Stabe des Augustusenkels Gaius im Orient im Jahre 1 v. Chr. den Krieg gegen die Homonadenser in Südkleinasien geführt.[3] Als Oberbefehlshaber über die Legionen wäre Quirinius automatisch auch Statthalter von Syrien und Judäa gewesen, wie z. B. Tiberius, Drusus oder Germanicus mit proconsularischem Imperium von Gallien und Germanien es gleichzeitig ebenso waren. Eine in Tibur gefundene Inschrift ohne Namen, die sogenannte akephale tiburtinische Inschrift[4] nennt einen Statthalter, der zweimal in Syrien war: proconsul Asiam provinciam opti[nuit legatus pro praetore] divi Augusti iterum Syriam et Pho[enicen optinuit]. Schon Theodor Mommsen identifizierte diesen zweimaligen Statthalter als den Publius Sulpicius Quirinius.[5] Aber nach Edmund Groag war das wahrscheinlich M. Plautius Silvanus[6]; nach Ronald Syme, Lucius Calpurnius Piso.[7] Vielen Wissenschaftlern ist bis heute immer noch unbekannt, dass man nach dem Wortlaut des griechischen Textes (griechisch hegemoneuontos (ηγεμονευοντος) - Herrscher, Fürst) unter dem deutschen Begriff „Statthalter“ nicht unbedingt einen Verwaltungsbeamten zu verstehen hat, es kann sich auch z.B um den Militärbefehlshaber von Syrien handeln.

Im Jahre 8 v. Chr. führte Augustus nachweisbar seinen 2. Reichscensus (Steuererhebungen) wie alle 20 Jahre nur für die römischen Bürger im Reich durch. Es kann überhaupt nicht ausgeschlossen werden, dass der erste Provinzcensus – ein Provinzcensus wurde in kürzeren Zeiträumen wie z.b. in Ägypten alle 14 Jahre erhoben – für die Einwohner der Provinz Syria/Judäa evtl. ebenfalls im Jahre 8 v. Chr. unter Quirinius stattfand oder sogar zeitlich verzögert evtl. Monate später im Jahre 7 v. Chr, da die beauftragten römischen Steuereintreiber dokumentarisch nachweisbar von Provinz zu Provinz wanderten, aber solches ist unwahrscheinlich. Die Problematik des Lukasberichtes im Lukasevangelium (Lk 2,1−20 EU) liegt darin, dass es bisher keinen direkten Beleg für eine Statthalterschaft des Quirinius zur Zeit Herodes’ des Großen gibt. Nachweislich war er Statthalter von Syrien erst 6 n. Chr.

Ob Quirinius auch die Statthalterschaft der reichen Provinz Asia übertragen bekam, ist ungewiss. Es steht jedoch fest, dass er sich durch seine Erfolge Augustus’ Vertrauen erworben hatte und deshalb zum rector (Leiter, Betreuer) für Gaius Caesar, den Enkel und designierten Nachfolger des Kaisers, ernannt wurde. Gaius Caesar sollte gemeinsam mit Quirinius die östlichen Provinzen des Reiches bereisen, um dort Erfahrungen in Regierungsdingen zu sammeln; er trat die Reise am 29. Januar 1 v. Chr. an. Vermutlich war Quirinius zugegen, als Gaius Caesar den Partherkönig Phraatakes traf, und er war mit Sicherheit sein militärischer Berater, als der junge Caesar in Armenien einmarschierte. Dabei wurde Gaius Caesar verwundet und starb im Jahre 3 n. Chr. an den Folgen dieser Verletzung während seiner Rückreise nach Rom.

Sehr bald nach diesen Ereignissen wurde Quirinius zum Statthalter von Syrien ernannt, einer der wichtigsten Provinzen des Römischen Reiches. In dieser Funktion befehligte er vier Legionen (legio III Gallica, legio VI Ferrata, legio X Fretensis, legio XII Fulminata). Im südlich davon gelegenen Gebiet Judäa herrschte Aufruhr, zurückzuführen auf die Unfähigkeit des dortigen Herrschers Herodes Archelaus; im Jahre 6 n. Chr. enthob Augustus den judäischen Fürsten seines Amtes und gliederte Judäa als autonomes Gebiet, das fortan einem römischen Präfekten unterstellt war, der Provinz Syrien an.

Nachdem Judäa damit Teil seines Amtsbereichs[8] geworden war, musste Quirinius das Steuerwesen der neuen Präfektur organisieren. Dazu war es notwendig, die steuerpflichtige Bevölkerung in Listen zu erfassen. Diese nachweisbare Volkszählung im Jahre 7 n. Chr. [9] traf auf Widerstand, unter anderem da die Bilder und Inschriften der zur Begleichung der Steuern künftig notwendigen römischen Münzen für gewöhnlich römische Gottheiten oder ein Porträt des Augustus in seiner Funktion als göttlicher Kaiser zeigten; beides erschien der jüdischen Bevölkerung als unvereinbar mit ihrem streng monotheistischen Glauben. Dennoch gelang es schließlich dem Hohepriester Joazar, die Mehrheit der Bevölkerung zur Zusammenarbeit zu bewegen.

Ganz jedoch legte sich der Widerstand nicht. Der Pharisäer Zadok und der Schriftgelehrte Judas von Gamala setzten die Besteuerung mit der Einführung von Sklaverei gleich. Sie verkündeten außerdem, dass Gott alleine Herrscher über Judäa sei und dass es daher Blasphemie wäre, einem anderen Herrn Steuern zu entrichten. Eine Rebellion würde daher von Gott begünstigt.

Zwar kam es nicht zu einem größeren Aufstand, der ein Eingreifen von Quirinius’ syrischen Legionen notwendig gemacht hätte; doch die Volkszählung des Statthalters und die damit verbundenen Unruhen blieben der jüdischen Bevölkerung so deutlich in Erinnerung, dass der Verfasser des Lukas-Evangeliums zwei Generationen später davon ausgehen konnte, dass der Statthalter Quirinius jedem seiner Leser ein Begriff war.

Auch nachdem Augustus im Jahre 14 n. Chr. verstorben und Tiberius Kaiser geworden war, blieb Quirinius eine bedeutende Persönlichkeit: Er heiratete, obwohl er bereits ein alter Mann war, in zweiter Ehe Aemilia Lepida, eine Enkeltochter des Triumvirn Lepidus, der das höchste römische Priesteramt des Pontifex Maximus bekleidet hatte. Sie wurde im Jahre 20 n. Chr. schwanger, doch Quirinius stritt die Vaterschaft ab, ließ sich scheiden und klagte Aemilia des Ehebruchs an, woraufhin sie schuldig gesprochen wurde.

Quirinius starb im darauffolgenden Jahr; ihm zu Ehren wurde eine öffentliche Trauerfeier abgehalten. Weder mit Aemilia Lepida noch mit seiner ersten Ehefrau Claudia Appia hinterließ er Kinder.

Weblinks

Anmerkungen und Quellen

  1. Tacitus, Annalen 3,48: consulatum sub divo Augusto, mox expugnatis per Ciliciam Homonadensium castellis insignia triumphi adeptus, datusque rector C. Caesari „er erhielt ein Konsulat unter dem göttlichen Augustus, darauf die Triumphalinsignien, da er in Kilikien Festungen der Homonadenser erstürmt hatte, und wurde C. Caesar als Betreuer mitgegeben“.
  2. CIL 6, 17130 und CIL 8, 68
  3. W. Ramsay (Journ. Rom. Stud. VII, 1917, S. 299 ff., bes. S. 237 ff.) und Th. Corbishley datieren den Homonadenserkrieg in die Zeit 11–7 v. Chr. (Horst Braunert, Historia 6, 1957, 192 ff.; siehe Weblink).
  4. CIL 14, 3613 = Hermann Dessau, Inscriptiones Latinae selectae, 918.
  5. Mommsen, Res gestae Divi Augusti 2, S. 175 f.
  6. Groag, "Prosopographische Beiträge," Jahreshefte des österreichischen archäologischen Instituts in Wien 21-22 (1924), pp. 448ff
  7. R. Syme, "Galatia and Pamphylia under Augustus," Klio: Beiträge zur alten Geschichte 9 (1934), p. 133.
  8. u.a.: Eine Münze, in Judäa geprägt und gefunden, mit der Inschrift: im 36. Jahr von Caesar (= im 36. Jahr nach Actium (ein Jahr Null existiert nicht), in: Burnett, Roman Provincial Coinage, 1992, no. 4954
  9. Flavius Josephus, Jüdische Altertümer 18 Kapitel 26 und 18 Kapitel 1.1

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