Dan Dennett

Dan Dennett
Daniel Dennett

Daniel Clement Dennett (* 28. März 1942 in Boston) ist ein US-amerikanischer Philosoph und gilt als einer der führenden Vertreter in der Philosophie des Geistes. Daniel Dennett ist verheiratet mit Susan Bell Dennett, sie haben zwei Kinder. Dennett studierte in Harvard und Oxford, heute ist er Professor für Philosophie und Direktor des Zentrums für Kognitionswissenschaft an der Tufts University. 2001 wurde er mit dem Jean-Nicod-Preis ausgezeichnet, 2007 mit dem Richard-Dawkins-Award der AAI.

Inhaltsverzeichnis

Der naturalistische Blick auf den Menschen

Der Mensch ist ein natürliches Wesen, das im Prozess der Evolution aus der Tierwelt hervorgegangen ist. Dies ist nach Dennett "Darwins gefährliche Idee" (1995), die uns zu einem naturalistischen Blick auf den Menschen zwinge. Das heißt, so Dennett, dass es in Bezug auf das Wesen des Menschen nichts grundsätzlich Rätselhaftes gebe, nichts, was die Naturwissenschaften nicht - im Prinzip - erklären könnten. Diese generelle Position hat laut Dennett zur Folge, dass die Evolutionstheorie auch in der Erklärung des menschlichen Verhaltens und Denkens eine zentrale Rolle spielt. Da sich die kulturelle Evolution jedoch nicht durch Genselektion erklären lässt, ist Dennett zu einem bekannten Vertreter des Memkonzepts geworden. Meme sind für Dennett die Analoga von Genen in der kulturellen Evolution.

Dennett beschreibt sich als Atheisten, allerdings sei er sich bei seiner Gottesablehnung nur genauso gewiss wie bei anderen unüberprüfbaren Aussagen auch (wie z. B. Russells Teekanne).[1] Dennett gehört den Brights an, welche sich als eine Gruppe von Menschen mit einem naturalistischen Weltbild verstehen. Als das Konzept der Brights 2003 aufkam, verfasste Dennett auch einen Artikel The Bright Stuff in der New York Times.[2] Den Artikel begann er mit folgenden Worten:

Die Zeit ist reif für uns Brights, uns zu bekennen. Was ist ein Bright? Ein Bright ist eine Person mit einem naturalistischen Weltbild, frei von Übernatürlichem. Wir Brights glauben nicht an Geister, Elfen oder den Osterhasen - oder an Gott.

Qualiaeliminativismus

Daniel Dennett im Oktober 2008

Dennett argumentiert, dass das Bewusstsein sich durch die Neuro- und Kognitionswissenschaften restlos erklären ließe. Ein klassisches Problem ist der Erlebnisgehalt (die Qualia) von mentalen Zuständen. Wenn man sich mit einer Nadel in die Hand sticht, so führt das nicht nur zu bestimmten Aktivitäten im Gehirn und letztlich zu einem bestimmten Verhalten - es tut auch weh (es hat ein „Quale“, so der Singular zu Qualia). Die Tatsache, dass es weh tut und die Aktivitäten im Gehirn nicht ablaufen, ohne dass dabei ein Schmerzempfinden entsteht, lassen Dennett zu dem Schluss kommen, dass jedes Bewusstseinserlebnis an einen neurologischen Prozess gekoppelt ist. Dennett bezieht sich hier auf Formulierungen des Qualia-Problems, wie es etwa von Thomas Nagel, Joseph Levine und David Chalmers vorgebracht wurde.

Die meisten naturalistisch eingestellten Philosophen versuchen zu zeigen, warum Erleben aus bestimmten Gehirnprozessen, funktionalen Zuständen oder Ähnlichem entsteht. Dennett dagegen ist der Meinung, dass es sich bei dem Qualiaproblem um ein Scheinproblem handelt. Er argumentiert, dass der Qualiabegriff inkohärent ist. Ein zentrales Argument ruht auf dem Verifikationismus, der Idee, dass Behauptungen sinnlos sind, wenn sie grundsätzlich unbeantwortbar (nicht überprüfbar sind, keine prinzipiell allgemein zugänglichen Wahrheitsbedingungen besitzen) sind. Dennett versucht nun zu zeigen, dass Behauptungen über Qualia grundsätzlich unbeantwortbar sind, also - gemäß dem Verifikationismus - sinnlos.

Intentionalität

Doch der Erlebnisgehalt ist nicht das einzige Phänomen, das das Bewusstsein rätselhaft erscheinen lässt: Menschen sind nicht nur erlebende, sondern auch denkende Wesen. Philosophen diskutieren diese Tatsache unter dem Begriff „Intentionalität“, welche durch ihre Gerichtetheit gekennzeichnet ist: Der Gedanke, dass p auf den Sachverhalt p gerichtet ist. Das macht ihn auch wahr oder falsch: Der Gedanke, dass Herodot ein Historiker war, ist offenbar wahr und zwar deshalb, weil der Gedanke auf einen realen Sachverhalt gerichtet ist.

Doch dies wirft die Frage auf, wie Menschen intentionale Zustände haben können, denn Gehirnaktivitäten können nicht wahr oder falsch sein genauso wenig wie sich elektrische Impulse im Gehirn auf Herodot und die Tatsache, dass er Historiker war, richten können. Die meisten naturalistisch gesinnten Philosophen versuchen nun zu zeigen, dass dies doch in irgendeiner Weise möglich ist.

Dennett dagegen macht vielmehr darauf aufmerksam, dass wir Systeme in verschiedener Weise beschreiben können. Zunächst gibt es eine physikalische Einstellung: Man kann ein System in seinen physischen Eigenschaften beschreiben und so sein Verhalten vorhersagen. Das Verhalten eines Systems in physikalischer Einstellung vorherzusagen wird jedoch oft aus Komplexitätsgründen nicht möglich sein. An dieser Stelle kann man zu einer funktionalen Einstellung greifen: Um eine Uhr zu verstehen und ihr Verhalten zu prognostizieren, muss man nur den Bauplan kennen, die konkrete physische Realisierung kann vernachlässigt werden. Doch manchmal sind Systeme sogar zu komplex, um ihnen in funktionaler Einstellung beizukommen. Dies gilt etwa von uns Menschen oder von Tieren. Hier greift die intentionale Einstellung: Das Verhalten eines Systems wird erklärt, indem man ihm Gedanken zuspricht. So sagt man etwa auch das Verhalten von Schachcomputern voraus: "Er denkt, dass ich den Turm opfern will."

Dennetts Antwort auf das Intentionalitätsproblem lautet: Ein Wesen hat dann intentionale Zustände, wenn sein Verhalten mit einer intentionalen Einstellung vorausgesagt werden kann. Menschen sind in diesem Sinne intentionale Systeme - aber auch Schachcomputer haben diesen Status. Dennetts Position wird auch Instrumentalismus genannt, in dem das Konzept „Intentionalität“ eine nützliche Fiktion ist.

In seinen neueren Arbeiten hat Dennett diese Position zum Teil revidiert. Er nennt sich nun einen „schwachen Realisten“ und meint, dass intentionale Zustände so real wie zum Beispiel Muster seien. Man denke an einen Teppich: Das Muster auf ihm ist nicht im gleichen Sinne real wie der Teppich selbst. Dennoch ist das Muster nicht einfach nur eine nützliche Fiktion.

Freiheit und Selbst

Das naturalistische Programm wird oft mit Unbehagen betrachtet, denn scheinbar greift es die klassischen Auffassungen von Freiheit und Selbstverständnis an. Auch wenn Dennett sich im Allgemeinen nicht scheut, weitgehende Konsequenzen aus dem naturalistischen Programm zu ziehen, so verteidigt er doch bis zu einem gewissen Grade die Begriffe Freiheit und Selbst.

Um die Frage, ob Menschen frei sind, zu beantworten, muss zunächst geklärt werden, was unter dem Begriff "Freiheit" zu verstehen ist. Wenn unter Freiheit die (partielle) Unabhängigkeit von den Naturgesetzen verstanden wird, sind wir nach Dennett nicht frei. Wenn unter Freiheit jedoch das Wollen und Handeln nach bestem Wissen und Gewissen verstanden wird, könne man sich tatsächlich Freiheit zusprechen. Dennett favorisiert die zweite Lesart.

Eine ähnliche Situation sieht Dennett auch in Bezug auf das Selbst. Wenn unter „Selbst“ eine immaterielle Substanz oder ein allgemeines funktionelles Zentrum im Gehirn verstanden wird, so gibt es nach Dennett kein Selbst. Dennoch haben Menschen laut Dennett alle in einem anderen Sinne ein Selbst: In den Lebensgeschichten der Menschen bildeten sich Leitmotive, Wiederholungen, herausstechende Merkmale. So konstituiere sich ein Selbst, das Dennett auch als das "Zentrum der narrativen Gravitation" bezeichnet. Es könne nur dadurch sein, dass der Mensch eine Sprache der Worte oder der Gebärden spreche.[3]

Literatur

Bücher von Dennett

  • Content and Consciousness, 1969, London: Routledge & Kegan Paul and New York: Humanities Press.
  • Brainstorms: Philosophical Essays on Mind and Psychology, 1978, Montgomery, VT: Bradford Books and Hassocks.
  • The Mind's I: Fantasies and Reflections on Self and Soul, 1981, mit Douglas R. Hofstadter, New York: Basic Books (dt. Einsicht ins Ich. Fantasien und Reflexionen über Selbst und Seele.)
  • Elbow Room: The Varieties of Free Will Worth Wanting, 1984, Cambridge, MA: Bradford Books/MIT Press (dt. Ellenbogenfreiheit. Die wünschenswerten Formen von freiem Willen )
  • The Intentional Stance, 1987, Cambridge, MA: Bradford Books/MIT Press.
  • Consciousness Explained, 1991, Boston: Little, Brown (dt. Philosophie des menschlichen Bewusstseins; übers. von Franz M. Wuketits)
  • Darwin's Dangerous Idea: Evolution and the Meanings of Life, 1995, New York: Simon & Schuster (dt. Darwins gefährliches Erbe)
  • Kinds of Minds, New York, Basic Books, 1996 (dt. Spielarten des Geistes).
  • Brainchildren - Essays on Designing Minds, MIT Press, Bradford Book, 1998.
  • Freedom Evolves, Allen Lane Publishers, 2003.
  • Sweet Dreams. Philosophical Obstacles To A Science Of Consciousness, MIT Press, Bradford Book, 2005 (dt. Süße Träume, 2007)
  • Breaking the Spell: Religion as a Natural Phenomenon, Viking Books, 2006 (dt. Den Bann brechen: Religion als natürliches Phänomen, 2008)

Bücher über Dennett

  • Dennett and His Critics: Demystifying Mind, Herausgegeben von Bo Dahlbom. Philosophers and Their Critics. Oxford: Blackwell, 1993
  • Dennett's Philosophy: A Comprehensive Assessment, Herausgegeben von Don Ross, Andrew Brook, and David Thompson. Cambridge, Mass.: MIT Press, 2000.
  • On Dennett, John Symons, Wadsworth Philosophers Series. Belmont, California: Wadsworth, 2000
  • Daniel Dennett, Herausgegeben von Andrew Brook, Don Ross Cambridge University Press, 2002
  • Daniel Dennett, Matthew Elton, Polity Press, 2003
  • Nicole Mahrenholtz: Intentionalität in der neueren Diskussion bei Dennett, Searle und Chisholm, 2003 Onlineressource

Weblinks

Quellenangaben

  1. http://richarddawkins.net/video/dennett-complete-brd.rm.ram
  2. http://brights-deutschland.de/index.php?option=com_content&task=view&id=15&Itemid=35
  3. Kein Bewusstsein ohne Sprache. SPIEGEL ONLINE vom 18.11.2008

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