Deborahlied

Deborahlied

Das Debora(h)lied ist ein Loblied der Prophetin und Richterin Debora, das sie gemäß der biblischen Erzählung des Alten Testaments nach einer von den Israeliten gewonnenen Schlacht sang.

Dieses Stück hebräischer Poesie gehört wahrscheinlich zu den ältesten Stücken des Alten Testaments und entstand wohl ca. 1200 v. Chr. Das Deborahlied (Ri 5 EU)ist ein episch erzähltes Volkslied und bildet die Grundlage für die Erzählung in (Ri 4 EU). Sprachlich ist es anspruchsvoll, wirkt aber uneinheitlich, da die Übersetzungsmöglichkeiten nicht eindeutig sind. Möglicherweise spiegelt der Text einen nordisraelischen Dialekt wider. Außerdem werden durch die Erkennbarkeit einiger Brüche mehrere Bearbeitungsschichten sichtbar.

Das Deboralied gehört zu den Siegesliedern. Der Sieg über den Heerführer Sisera wird besungen. Es wird aber nicht nur menschliches Können, sondern primär JHWH gelobt. Das Deborahlied steht in der Tradition anderer alttestamentlicher Lieder z. B. des Mirjamliedes. Hier ist ebenfalls eine Frau die Sängerin. Andere Lieder außerhalb der Psalmen sind z. B. (1 Sam 2 EU) (Hannah), (2 Sam 22 EU) (Siegeslied Davids) und (Jes 38 EU) (Hiskija).

Inhaltsverzeichnis

Gliederung

  • V. 1: Einleitung
  • V. 2–5: Lobpreis der Erscheinung (Epiphanie) Gottes
  • V. 6–8: Schilderung der Not
  • V. 9–12: Aufruf an Deborah und Barak
  • V. 13–18: Lob und Tadel an die Stämme
  • V. 19–23: Schilderung des Sieges
  • V. 24–27: Lob der Tat Jaëls
  • V. 28–30: Das vergebliche Warten der Mutter Siseras
  • V. 31 a Schluss mit Anklängen an (Ps 68,2-4 EU)
  • V. 31 b: Abschluss des Richterschemas

Hier der Beginn von Deboras Loblied auf Gott ((Ri 5,3-5 EU), Einheitsübersetzung):

„Hört ihr Könige, horcht auf, ihr Fürsten!
Ich will dem Herrn zu Ehren singen,
ich will zu Ehren des Herrn, des Gottes Israels, spielen.“
„Herr, als du auszogst aus Seïr,
als du vom Grünland Edoms heranschrittest,
da bebte die Erde, die Himmel ergossen sich,
ja, aus den Wolken ergoss sich das Wasser.
Die Berge wankten vor dem Blick des Herrn,
vor dem Blick des Herrn, des Gottes Israels.“

Inhalt

Das Lied beginnt mit einem hymnischen Lobpreis Gottes, der kommt um seinem Volk zu helfen. Der Ruf Deborahs und Baraks zum Kampf ging an die nördlichen Stämme, die sich entscheiden mussten. So folgt die Aufzählung der Stämme (Ephraim, Machir (wahrscheinlich Manasse), Benjamin, Sebulon, Isaschar, Naphtali) die willig waren Deborah und Barak zu folgen. Andere Stämme wie Ruben, Gilead und Asser haben sich zurückgehalten und werden deshalb getadelt. Auffällig ist, dass sich hier mehr Stämme am Kampf beteiligen als in (Ri 4 EU).

Ab (Ri 5,24 EU) wird der Sieg beschrieben und Jaël für die Ermordung Siseras gepriesen. Es wird erzählt, wie sie ihm einen Pflock durch die Schläfe treibt und ihn tötet. Siseras Mutter, die auf die Rückkehr ihres Sohnes wartet, wird in (Ri 5,28-30 EU) besungen. Das Lied endet (Ri 5,31 EU) mit einem Psalmzitat, dem Preis derer, die Gott lieben. Zum Schluss wird ein wahrscheinlich sekundärer Vers angefügt mit dem für das Richterbuch typischen Ruheformel: „Und das Land hatte Ruhe vierzig Jahre.“, welche die gesamte Deborah- Barak- Erzählung (Ri 4 EU) und (Ri 5 EU) abschließt.

Entstehungsgeschichte

Lange Zeit wurde das Deborahlied zu den ältesten Bestandteilen des Richterbuches gezählt. Rudolf Smend hat das Deborahlied 1966 als einzig wirklich authentische Quelle der Richterzeit bezeichnet, was von anderen Alttestamentlern wie Jörg Jeremias aufgenommen wurde.

Als Grundbestand des Liedes wurden die Verse 6–30 betrachtet, die aus der zu Ende gehenden Richterzeit oder der beginnenden Königszeit stammen sollen (1. Hälfte 11. Jahrhundert v. Chr.). Der Grundbestand ist später hymnisch bearbeitet worden mit den Zusätzen (Ri 5,2-5 EU) und dem (Ri 5,31a EU), der Psalmanklänge aufweist. Den Abschluss bildeten (Ri 5,1 EU) mit den Autorenangaben und V. 31 als Rahmen der Deboraherzählung. Ursprünglich wurde wohl eine Schlacht bei den Wassern Megiddos geschildert (Ri 5,19 EU), an der nur die Stämme Naphtali und Sebulon beteiligt waren, die aber zu einem Konflikt zwischen Kanaan und Gesamtisrael stilisiert wird. Außerdem fällt auf, dass (Ri 5,6 EU) die Geschichte zeitlich in die Nähe des Richters Schamgar, des Vorgängers Deborahs, verortet.

Andere Ausleger betrachten das Deborahlied lediglich als ein profanes oder späteres hellenistisches Siegeslied oder als Loblied auf JHWH. Darüber hinaus kann man es auch als einen Hymnus auf die kanaanäische Liebes- und Kriegsgöttin Anath verstehen.

Deutung

Mythologische Deutung

Nach einer Deutung steht Deborah als Mutter Israels (Ri 5,7 EU) für die Gesamtheit der Hirten und Bauernbevölkerung des zentralpalästinischen Berglandes. Die Figur der Deborah ist eine entmythologisierte Anlehnung an den altpalästinischen Götterglauben. Sie verkörpert die weibliche Kriegsgöttin Anath. Um den Monotheismus JHWHs zu gewähren, wurde in der Tradition aus der Göttin eine sterbliche Frau, nämlich Deborah.

Feministische Deutung

In (Ri 5,5 EU) stehen die Frauen Deborah und Jael als Kriegerinnen für JHWH. Die Tat Jaels wird als Notwehr geschildert. Unbeabsichtigt führt Jael aber durch ihre Tat JHWH zum Sieg. Sie möchte der drohenden Vergewaltigung durch Sisera entgehen und kommt ihm zuvor, indem sie mit einem Pflock seinen Kopf durchstößt. Zwischen ihren Füßen kommt er zu Tode (Ri 5,27 EU). Normalerweise deutet die Beschreibung „zu Füßen liegen“ in der Bibel auf den Beischlaf hin (siehe auch (Rut 3,7-8 EU)). Sisera stirbt erniedrigt und feminisiert, gewissermaßen penetriert durch eine Frau. Siseras Mutter selbst beschreibt in Ri 5, 30 die Normalität von Verschleppungen und Vergewaltigungen im Krieg. Sie verkörpert das Patriarchat, für das der Wert einer Frau unter dem eines Mannes liegt. Deborah als starke Kriegerin und Jael, die einen Mann penetriert, brechen aus diesen Bahnen aus.

Biblische Deutung

Das Deborahlied zeigt, dass Frauen in Israel des Alten Testaments bedeutende Positionen wie das Amt der Heerführerin und Richterin einnehmen konnten. Genauso war Frauen die Begabung mit dem Heiligen Geist zugänglich, mit dem JHWH Menschen in seinen Dienst nimmt.

Literatur

  • U. Becker: Richtertum und Königszeit, Redaktionsgeschichtliche Studien zum Richterbuch. BZAW 192, Berlin, New York 1990, S. 123–139.
  • V. Fritz: Die Entstehung Israels im 12. und 11. Jh. In: Biblische Enzyklopädie. Stuttgart 1996.
  • D. Guthrie, J. Alec Motyer (Hrsg.): Kommentar zur Bibel, Altes und Neues Testament in einem Band. 1. Sonderauflage, Wuppertal 1992.
  • R. Jost: Gender, Sexualität und Macht in der Anthropologie des Richterbuches. Stuttgart 2004.
  • H.-D. Neef: Deboraherzählung und Deborahlied. Studie zu Jdc 4,1–5, 31. In: Biblisch-Theologische Studien 49. Neukirchen-Vluyn 2002.
  • C. Westermann: Abriss der Bibelkunde. Altes Testament. Neues Testament. 13. Auflage. Stuttgart 1991.

Weblinks


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