Dehon

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Léon Gustave Dehon, (* 14. März 1843 in La Capelle, Frankreich; † 12. August 1925 in Brüssel, Belgien) war Ordensgründer der Dehonianer und Sozialkatholik.

Inhaltsverzeichnis

Kindheit und Jugend

Zunächst sieht alles nach einem normalen bürgerlichen Lebensweg aus: Am 14. März 1843 wird Leo Dehon in La Capelle in Nordfrankreich geboren. Seine Eltern verdienten ihr Geld mit der Zucht von Rennpferden und dem Vertrieb von Bier. Materiell hatten die Dehons kaum Sorgen, und so träumte der Vater Jules Alexandre Dehon von einer Karriere seines Sohnes als Rechtsanwalt oder im diplomatischen Dienst. Um so härter traf es ihn, als sein Sohn am Ende der Schulzeit erklärte, er möchte Priester werden. Die Frömmigkeit seiner Mutter Stéphanie Adèle Dehon geb. Vandelet und die Erfahrungen im katholischen Internat in Hazebrouck (nahe der belgischen Grenze) hatten diese Entscheidung in ihm wachsen lassen.

Der Vater hielt nichts von dem Wunsch seines 16jährigen Sohnes - und schickt ihn zum Studium der Rechtswissenschaften nach Paris. Der Sohn folgte dem Willen seines Vaters, schloss das Studium 1864 als Rechtsanwalt ab - und blieb bei seinem Vorhaben, Priester zu werden. Nochmals versuchte der Vater, ihn von seinem Vorhaben abzubringen und schickte ihn auf eine Reise in den Nahen Osten, um auf andere Gedanken zu kommen. Der reiselustige Leo nahm das Angebot dankbar an, doch am Ende der mehrmonatigen Reise wurde sein Entschluss unumstößlich: Er wird Theologie in Rom studieren und Priester werden.

Kaplan in St. Quentin

Von 1865 bis 1871 studiert Dehon in Rom und beendet das Studium mit Doktortiteln in Kirchenrecht, Philosophie und Theologie. So ist er nach seiner Priesterweihe am 14. Dezember 1868 bestens gerüstet für höhere Aufgaben im Dienst französischer Bischöfe. Er selbst ist sich unschlüssig über seine Zukunft: Soll er mitarbeiten an der Reform des katholischen Bildungswesens, oder er in eine Ordensgemeinschaft eintreten? Schließlich tritt er die Entscheidung an seinen Ortsbischof ab, dem er sich uneingeschränkt zur Verfügung stellt. Zur allgemeinen Verwunderung holt dieser Leo Dehon nicht an eine Universität oder in Leitungsaufgaben, sondern setzt ihn als siebten und letzten Kaplan in der Arbeiterstadt St. Quentin im Norden Frankreichs ein. Dehon selbst gibt zu: „Das war absolut das Gegenteil von dem, was ich mir seit Jahren gewünscht hatte: Ein Leben des Gebetes und der Studien“.

Dehon zögert jedoch keine Sekunde, die neuen und ihm so fremden Herausforderungen anzupacken. Nach einer kurzen Analyse der Situation steht für ihn fest: „In St. Quentin fehlen als Aktionsmittel ein kirchliches Gymnasium, ein Jugendzentrum und eine katholische Zeitung“. Alle drei werden durch Dehons Engagement zustande kommen und haben zum Teil bis heute Bestand.

Seine Aufmerksamkeit gilt der Arbeiterjugend: Schon im Kindesalter zu harter Arbeit in den Textilfabriken gezwungen, ohne ordentliche Schulbildung, oft auch ohne intakte Familien im Hintergrund, einer Kirche entfremdet, in der sie keine Hilfe sehen - so beschreibt Dehon die Probleme junger Arbeiter. Zunächst versammelt er ab März 1872 jeden Sonntag einige Jugendliche zur Freizeitgestaltung, doch schon im September sind es 150 Kinder und Jugendliche, die sich regelmäßig treffen. Neue Strukturen müssen her, und Dehon steckt sein Vermögen in den Bau des Jugendzentrums, das jeden Tag der Woche geöffnet ist und in dem Platz ist sowohl für einen Billardraum wie auch für die Bibliothek, in dem Kurse zur katholischen Soziallehre ebenso laufen wie Bogenschießen. Im Januar 1875 hat das „Jugendzentrum St Joseph“ ca. 450 eingeschriebene Mitglieder und ist damit in der Region die größte kirchliche Einrichtung für Arbeiterkinder und -jugendliche.

Doch damit ist für Dehon noch nicht genug getan: Um eine Gesellschaft christlich gestalten zu können, braucht man Menschen, die dazu in der Lage sind. Bildung ist das Schlüsselwort für ihn. Er gründet 1877 ein kirchliches Gymnasium, das Kolleg St. Jean, dem sein Engagement bis zu seinem Lebensende 1925 gelten wird.

Gleichzeitig jedoch spürt Dehon: Die Aktionen und Engagements nehmen ihn so sehr in Anspruch, dass sein Gebetsleben mehr zu kurz kommt und die Quelle seines Arbeitens zu versiegen droht.

Die Gründung der Herz-Jesu-Priester

Engagement ja, aber nicht alleine und nicht ohne Gott: Dies sind wohl die Gründe, die Dehon dazu bringen, die Gemeinschaft, die Herz-Jesu-Priester zu gründen, fast zeitgleich mit der Gründung des Gymnasiums St. Jean 1877. In der Herz-Jesu-Verehrung entdeckt Dehon eine Spiritualität, die ihn trägt: das Geheimnis eines Gottes, dessen letztes Wort die Liebe ist, die sich gegen alle Ablehnung verschenkt und die den Menschen einlädt, desgleichen zu tun. Der Blick auf den Gottessohn wird für Dehon zu einem Blick auf eine Kraft, die nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Gesellschaften verwandeln kann. Hin zu mehr Gerechtigkeit, zu mehr Liebe. Kein Wunder also, dass die von ihm 1889 gegründete Zeitschrift den Titel trägt „Das Reich des Herzens Jesu in den Seelen und den Gesellschaften“. Es kann dies als Programm der von ihm gegründeten Ordensgemeinschaft gelten.

Auf der nationalen und internationalen Bühne

Während Dehon bemüht ist, der neuen Gemeinschaft Festigkeit und Wachstum zu ermöglichen, engagiert er sich gleichzeitig für die christliche Erneuerung der Gesellschaft bis hin in die Politik. Auf zahlreichen Kongressen in Frankreich und Italien, durch Veröffentlichungen seiner ersten sozialen Schriften und durch viele persönliche Beziehungen stellt er sich in den Dienst der katholischen Soziallehre, die 1891 mit der Enzyklika Rerum Novarum über die Arbeiterfrage einen ersten bedeutenden Ausdruck erfahren hat. Eine christliche Demokratie, die auch der Würde der Schwächeren Rechnung trägt, das ist seine Vision. Sein 1894 erschienener Kommentar zu Rerum Novarum wird schnell zu einer Standardlektüre in den französischen Priesterseminaren und in mehrere Sprachen übersetzt.

Um die Jahrhundertwende jedoch kommt es in Frankreich zu immer größeren Spannungen zwischen Kirche und Staat. Zuerst wird den Ordensleuten das Unterrichten verboten, schließlich werden Ordensgemeinschaften verboten und die Ordensmänner und -frauen aus Frankreich ausgewiesen. Auch die Herz-Jesu-Priester sind von diesen Maßnahmen betroffen - der Ordensgründer muss sich um den Fortbestand seines Lebenswerkes sorgen. Günstig wirkt sich hier aus, dass durch die Initiativen Dehons die Gemeinschaft mittlerweile in zahlreichen anderen Ländern Fuß gefasst hat, so in Belgien, Luxemburg, Holland, Italien, aber auch in Brasilien und im Kongo.

Der Erste Weltkrieg

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges bedeutet eine weitere Herausforderung für den Dehon: Deutsche und französische Herz-Jesu-Priester stehen einander als Soldaten ihrer Länder gegenüber. Für die Ordensgemeinschaft bedeutet dies eine Zerreißprobe. Dehon schlägt sich auf keine Seite der Kriegsparteien und versucht in diesen schwierigen Zeiten, zu möglichst vielen Mitbrüdern Kontakte zu halten, um die bedrohte Einheit aufrecht zu halten.

Kriegsende liegen viele Einrichtungen der Herz-Jesu-Priester in Frankreich in Schutt und Asche und die Mitbrüder leben nach ihrer Rückkehr aus dem Krieg vereinzelt und ohne eine rechte Zukunftsperspektive. Der 75-jährige Dehon muss all seine Kräfte aufbieten, um seine Menschen zur Einheit und zum Wiederaufbau zu motivieren. Ein bedeutender Zug seiner Persönlichkeit hilft ihm diese Situation zu meistern: Keinen Menschen jemals aufgeben, weder Freund noch Gegner, sondern jedem in schier unerschöpflicher Geduld und Liebe nachgehen.

Ein Lebenswerk - über den Tod hinaus

Die Geschichte gibt Dehon recht. Als Leo Dehon am 12. August 1925 in Brüssel stirbt, gehören der von ihm gegründeten Ordensgemeinschaft der Herz-Jesu-Priester bereits mehr als 500 Ordenspriester und Ordensbrüder an. heute sind es über 2300 Mitbrüder in 30 Ländern weltweit. In Deutschland leben und arbeiten derzeit rund 60 Mitbrüder im Herz-Jesu-Kloster Freiburg im Breisgau, den Klöstern in Neustadt an der Weinstraße, Maria Martental bei Kaisersesch, Bonn-Oberkassel, Oberhausen und Handrup (Emsland).

Der in der katholischen Kirche eingeleitete Prozess der Seligsprechung wurde im Juni 2005 auf Anweisung Papst Benedikts XVI. ausgesetzt, nachdem Historiker behaupt hatten, antisemitische Äußerungen in den Schriften Dehons gefunden zu haben.

Weblinks

Literatur

  • Yves Ledure: Leo Dehon begegnen. Augsburg: Sankt Ulrich, 2004.
  • Gerhard Valerius: Das Herz Jesu und die Soziale Frage - Leo Dehon (1843-1925) Gründer der Herz-Jesu-Priester (SCJ). Würzburg: Echter, 1992.

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