- Delirium Tremens
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Klassifikation nach ICD-10 F10.4 Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol ICD-10 online (WHO-Version 2006) Das Delirium tremens (von lat. delirium „Irresein“, tremere „zittern“; Synonyme: Entzugsdelirium, Alkoholdelirium) stellt eine ernste und potentiell lebensbedrohende Komplikation bei einer länger bestehenden Alkoholkrankheit dar. Auch bei anderen Suchterkrankungen kann ein Delirium tremens im Entzug auftreten, der Begriff wird aber in der Regel nur für das Vollbild des Alkoholentzuges benutzt.
Ein Delirium ist dabei ein hirnorganisches Syndrom, das charakterisiert ist durch gleichzeitig bestehende Störungen des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit, der Wahrnehmung, des Denkens, des Gedächtnisses, der Psychomotorik, der Emotionalität und des Schlaf-Wach-Rhythmus. Die Dauer ist unterschiedlich und der Schweregrad reicht von leicht bis lebensbedrohlich.
Inhaltsverzeichnis
Zahlen
Lebenszeitprävalenz: 5 % (2 bis 15 %) aller alkoholabhängigen Personen, Rezidivrisiko 12 bis 23 %. Das Risiko, während eines Alkoholentzuges ein Delirium tremens zu entwickeln, liegt unter 1 %.
Verlauf
Spontanverlauf: Die Letalität (Sterblichkeitsrate) des unbehandelten Deliriums liegt bei 15 %, wobei ältere und wiederholt delirante Patienten vor allem aufgrund ihrer Multimorbidität eine schlechtere Prognose haben. Für die restlichen Fälle gilt, dass nach fünf bis sieben Tagen eine Erholung eintritt. Angst, Schlafstörungen und leichte vegetative Beschwerden können jedoch bis zu sechs Monate lang bestehen bleiben und dazu führen, dass der Alkoholkranke im Sinne einer Eigentherapie rückfällig wird, also wieder Alkohol trinkt, um sich von diesen Symptomen zu befreien.
20 bis 30 % aller Alkoholdelire werden durch epileptische Anfälle eingeleitet (also meist im Prädelirium), diese werden jedoch oft als alkoholisch bedingter Dämmerzustand verkannt.
Nicht selten sind Delire, die im Rahmen anderer Alkoholfolgekrankheiten wie Pankreatitis, obere gastrointestinale Blutung bei Leberzirrhose oder Lungenentzündung (Pneumonie) auftreten. Wird der Patient wegen dieser Krankheiten ins Krankenhaus eingewiesen und bekommt dort keinen Alkohol mehr, kann zur Einweisungskrankheit das Delir als erschwerender Faktor hinzukommen. Das gilt auch für Bewusstseinsstörungen nach Unfällen, insbesondere nach Schädel-Hirn-Verletzungen.
Symptome (Krankheitszeichen)
Die klinische Symptomatik setzt sich zusammen aus:
- psychiatrischen Symptomen: Angst, örtliche, zeitliche und situative Orientierungsstörungen, illusionäre Verkennungen, Halluzinationen, teils ausgeprägte Beeinflussbarkeit (Suggestibilität) meist mit Beziehung zu Alkohol
- Beispiele: Man sieht keine rosa Elefanten, sondern schwarze, eklige Tiere. Des Weiteren hört man Stimmen oder liest Texte von einem leeren Blatt Papier.
- neurologischen Symptomen: Verwirrtheit mit wechselndem Bewusstseinsgrad bis hin zum Koma; Unruhe, feinschlägiges bis sehr grobschlägiges Zittern (genannt Tremor); tonische und klonische Krämpfe
- vegetativen Symptomen: profuses Schwitzen, Erhöhung von Puls, Blutdruck und der Atemfrequenz.
Einteilung in Schweregrade
Unvollständiges Delirium (sog. Prädelirium), vollständiges Delirium (das eigentliche Delirium tremens), lebensbedrohliches Delirium.
Diagnose
Diese wird „klinisch“ gestellt, das heißt: durch Beobachtung, körperliche Untersuchung und vor allem durch Eigen- und Fremdanamnese (Achtung: Dissimulation, auch falsche Angaben durch Angehörige infolge von Schamgefühlen). Man kann die Diagnose auch ex juvantibus stellen. Dabei verabreicht man Alkohol oral oder über die Vene. Insbesondere bei der Gabe über die Vene verschwinden die Symptome innerhalb von Minuten. Im voll ausgebildeten Delirium jedoch keinen Alkohol geben, sondern medikamentöse Behandlung mittels Benzodiazepinen, Clonidin o. Haloperidol.
Differentialdiagnose
- alle Unruhezustände anderer Art
- Vegetative Dystonie
- Delirium oder Verwirrtheit
- Fieberdelirium
- extremer Harndrang, der nicht geäußert und behoben werden kann (Polyurie)
- Überdosierung von Asthmamitteln
- ausgeprägte Schilddrüsenüberfunktion
- Unterzucker bei Zuckerkranken (Diabetes mellitus)
- Meningitis oder Enzephalitis
Behandlung
- Stationäre Einweisung in ein Krankenhaus ist notwendig.
- Beim Vollbild der Krankheit ist eine Behandlung auf einer Intensivstation ratsam.
- Da die Patienten oft aggressiv, unruhig und teilweise psychotisch sind, ist eine Behandlung mit Beruhigungsmitteln erforderlich.
- Eingesetzt werden Benzodiazepine z. B. Diazepam oder Dikaliumclorazepat, anfangs oft in höherer Dosis bei intravenöser Gabe.
- Antipsychotisch wirksame Stoffe (Neuroleptika) wie Haloperidol werden teilweise auch eingesetzt.
- Die vegetative Symptomatik lässt sich oft mit Clonidin oder Betablockern recht gut behandeln.
- Zur Verhinderung von Entzugskrämpfen kann Carbamazepin gegeben werden.
- Das früher oft verwendete Clomethiazoledisilat (Distraneurin) ist in einigen Kliniken aus der Mode gekommen, wird aber weiterhin eingesetzt. Es kann durch Hypersekretion bronchiale Probleme als Nebenwirkung hervorrufen.
- Vorsicht ist bei der Anwendung von Beruhigungsmitteln immer bezüglich der Atmung geboten, da die meisten dieser Stoffe atemdepressiv wirken.
- Ein Alkoholprädelirium lässt sich auch schnell durch die intravenöse Gabe von Alkohol unterbrechen. Dies ist dann sinnvoll, wenn eine zweite Erkrankung behandelt werden muss, deren Verlauf durch ein zusätzliches Delirium verschlechtert wird. Allerdings sind die notwendigen Dosen zuvor nicht sicher abschätzbar. Auch ist das Zusammenspiel von (sedierenden) Medikamenten und Alkohol potentiell gefährlich, insbesondere wegen der Atemdepression, so dass in der Regel von der Gabe von Alkohol abgeraten werden muss. Ein bereits vollständig ausgeprägtes Delirium tremens lässt sich meist nicht mehr durch die Gabe von Alkohol durchbrechen.
- Zusatzbehandlung:
- Überwachung von Flüssigkeits-, Mineral- und Energiehaushalt.
- Schutz vor Verletzungen: „Erst gurten, dann starten“
- Schutz vor Auskühlung
- Erkennung und Behandlung von Begleiterkrankungen wie Pneumonie, Pankreatitis, Leberzirrhose
Siehe auch
Weblinks
- http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/neur-006.htm (Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie)
- http://www.emedicine.com/EMERG/topic123.htm
- http://www.nlm.nih.gov/medlineplus/ency/article/000766.htm
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