Der Mond ist aufgegangen

Der Mond ist aufgegangen

Das Abendlied („Der Mond ist aufgegangen“) ist ein Gedicht von Matthias Claudius, das zu den bekanntesten Gedichten der deutschen Literatur gehört.

Es wurde zum ersten Mal im Jahr 1771 im Vossischen Musenalmanach veröffentlicht und fehlte von da an in kaum einer Anthologie. Vorlage war das Gedicht „Nun ruhen alle Wälder“ von Paul Gerhardt aus dem Jahre 1653.

Inhaltsverzeichnis

Das Gedicht

Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.

Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen,
Und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.

Wir stolze Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinste
Und suchen viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel.

Gott, laß uns dein Heil schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freun!
Laß uns einfältig werden
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder fromm und fröhlich sein!

Wollst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanften Tod!
Und, wenn du uns genommen,
Laß uns in Himmel kommen,
Du unser Herr und unser Gott!

So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder;
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott! mit Strafen,
Und laß uns ruhig schlafen!
Und unsern kranken Nachbar auch!

Rezeption

Das Gedicht hat vor allem als Volkslied enorme Berühmtheit im deutschen Sprachraum erlangt, dabei aber vor allem die erste und letzte Strophe, die anderen Strophen werden oft weggelassen. Dadurch ging das populäre Verständnis dieses Liedes andere Wege als der von Claudius beabsichtigte christliche Jenseitsbezug. Überwiegend wurde das Lied als idyllisches Schlaflied rezipiert, mit dem nur ganz leise unheimlichen Aspekt des kalten Abendhauchs.

Das „Abendlied“, so deutet es Winfried Freund, sei eher ein Todesgedicht, allerdings vor dem Hintergrund der Heilserwartung eines gläubigen Christen.

Vertonungen

In der Vertonung von Johann Abraham Peter Schulz („Lieder im Volkston“, 1790) sicherte sich das „Abendlied“ einen festen Platz im deutschen Liedrepertoire. Mit dieser Melodie steht es auch im Evangelischen Gesangbuch (EG 482). In Kirchengesangbüchern fand es sich bis weit ins 20. Jahrhundert meist mit der Melodie Nun ruhen alle Wälder (Innsbruck, ich muss dich lassen, von Heinrich Isaac).

Insgesamt gibt es jedoch mehr als 70 Vertonungen, darunter von Michael Haydn, Carl Orff, Max Reger, Johann Friedrich Reichardt, Othmar Schoeck, Franz Schubert, Pe Werner und Herbert Grönemeyer.

Parodien

Aufgrund der großen Bekanntheit des Gedichtes gibt es einige Parodien, darunter ein Protestlied des rechtsextremen Kabarettisten Gerd Knabe aus dem Jahr 1967:

Die Saat ist aufgegangen,
Protest-Plakate prangen,
Krawalle überall.
Und Bonn steht da und schweiget, …

Der weiße Neger Wumbaba“ ist der Titel eines Buchs von Axel Hacke über falsch verstandene Texte, dessen Titel auf folgender von einem Kind falsch verstandener Textstelle basiert: Statt „und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar“ wurde verstanden „und aus der Isar steiget der weiße Neger Wumbaba“.

Der Kabarettist Dieter Hildebrandt mokierte sich über Helmut Kohls Angewohnheit, fremde Texte mit eigenen Ideen anzureichern, und legte Kohl folgende Bundestags-Rede in den Mund[1]:

Der Mond,
meine Damen und Herren, und das möchte ich hier in aller Offenheit sagen,
ist aufgegangen!

Eine der berühmtesten[2]Parodien, zugleich ein Gegengesang zur abendländischen Tradition der Abend- und Mondlieder stammt von Peter Rühmkorf, veröffentlicht 1962 in seinem Gedichtband „Kunststücke“ und kommentiert mit dem Essay „Anleitung zum Widerstand“. Die erste Strophe der „Variation auf ‚Abendlied‘ von Matthias Claudius“ lautet:

Der Mond ist aufgegangen.
Ich, zwischen Hoff- und Hangen,
rühr an den Himmel nicht.
Was Jagen oder Yoga?
Ich zieh die Tintentoga
des Abends vor mein Angesicht.[3]

Literatur

  • Reinhard Görisch: „Der Mond ist aufgegangen.“ Kommentar zu EG 482. In: Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch, hg. v. Gerhard Hahn und Jürgen Henkys, Vandenhoeck & Ruprecht 2003 (Handbuch zum Evangelischen Gesangbuch. Bd. 3, Heft 8), S. 68–73, ISBN 3-525-50331-8.
  • Karl Hotz (Hg.): Gedichte aus sieben Jahrhunderten. Interpretationen. Bamberg: C. C. Buchners Verlag, 1993, ISBN 3-7661-4311-5.
  • Jacky Gleich: Der Mond ist aufgegangen. Edition Chrismon; 2007, ISBN 3-938704063.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vollständiger Text auf http://www.dieterhildebrandt.com/?page=text,mond
  2. Gerd Labroisse, Gerhard P. Knapp: Literarische Tradition heute: deutschsprachige Gegenwartsliteratur in ihrem Verhältnis zur Tradition. Rodopi, Amsterdam 1988, ISBN 90-5183-038-6
  3. Peter Rühmkorf: Kunststücke. Edition 4. Rowohlt, Hamburg 1962, S. 86

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