Der Ruf des Cthulhu

Die Gottheit Cthulhu vor dem Hintergrund der versunkenen Stadt R'lyeh.

Cthulhus Ruf (englischer Originaltitel: Call of Cthulhu) ist eine der bekanntesten Kurzgeschichten des amerikanischen Horrorautors H. P. Lovecraft. Die Geschichte wurde im Sommer des Jahres 1926 geschrieben und im Februar 1928 im Magazin Weird Tales veröffentlicht. Obwohl Lovecraft viele zum Cthulhu-Mythos zählende Geschichten schrieb, ist dies die einzige, in der das außerirdische Wesen auftritt.

Aufbau der Erzählung

Die Handlung der Geschichte ist komplex aufgebaut. Als Rahmenhandlung dienen mehrere Dokumente, die der verstorbene Francis Wayland Thurston hinterlassen hat. Dieser ist der Nachlassverwalter seines zuvor verstorbenen Großonkels George Gamell Angell gewesen, einem emeritierten Professor für semitische Sprachen. Die drei zentralen Dokumente bilden jeweils ein Kapitel der Geschichte:

Der Schrecken im Lehm: Thurston sichtet den Nachlass seines Onkels und entdeckt, dass dieser Hinweise gesammelt hat, die auf die Existenz eines übernatürlichen Wesens namens Cthulhu schließen lassen. Dazu zählt ein auf Thurston abstoßend wirkendes Basrelief, das Cthulhu darstellen soll. Dieses ist von einem modernen Künstler namens Henry Anthony Wilcox geschaffen worden, der über mehrere Wochen an verstörenden Träumen von Cthulhu und dessen Stadt R'lyeh gelitten hat. Professor Angell hat eine Abhandlung über Wilcox’ Traumvisionen geschrieben.

Der Bericht des Inspektor Legrasse: Ebenfalls im Nachlass von Professor Angell befindet sich ein Bericht über eine Archäologie-Konferenz. Auf dieser tritt der Polizeiinspektor John Raymond Legrasse auf, der in Louisiana einen grausamen Cthulhu-Kult ausgehoben hat, diesen aber kulturell nicht zuordnen kann. Zu dem polizeilichen Bericht des Inspektors gehört auch das Verhör eines der Kultisten, eines uralten Seemanns namens Castro. Dieser ist auf seinen Reisen hochrangigen Mitgliedern des Kults begegnet und besitzt Kenntnisse über dessen Hintergrund. Darüber hinaus liefert ein weiterer Konferenz-Teilnehmer, Professor William Channing Webb, einen Bericht über eine Expedition nach Grönland ab, bei der er auf eine weitere Zelle des Cthulhu-Kults gestoßen ist.

Der Wahnsinn aus dem Meer: Thurston stellt schließlich eigene Nachforschungen an, die über die Arbeit seines Onkels hinausgehen. Ein australischer Zeitungsbericht berichtet über eine mysteriöse Schiffsreise im Pazifik, etwa zur gleichen Zeit, als Wilcox von Träumen geplagt wird und das Cthulhu-Basrelief erschaffen hat. Das Tagebuch des einzigen Überlebenden dieser Schiffsreise, des Norwegers Gustaf Johansen, welcher mittlerweile aber verstorben ist, bringt Thurston an sich. Johansens Aufzeichnungen berichten erstens von einem Kampf zwischen seiner Mannschaft und einigen Kultisten; zweitens von der Entdeckung der im Pazifik aufgetauchten Stadt R'lyeh; und schließlich drittens von Johansens Auseinandersetzung mit Cthulhu, welchen er während der Flucht zu Schiff mit diesem hat rammen können.

Chronologische Abfolge der Ereignisse

Der komplexe Aufbau der Geschichte sorgt dafür, dass der Leser nur schrittweise Informationen über den Cthulhu-Mythos erhält, die dazu nicht chronologisch angeordnet sind. Der Leser befindet sich dadurch in einer ähnlichen Situation wie Thurston bei der Sichtung von Professor Angells Nachlass.

Das Necronomicon des Arabers Abdul Alhazred berichtet von den Alten Göttern, die einst über die Erde herrschten.

• Irgendwann im Verlauf des 19. Jahrhunderts begegnet der Mestize Castro in China den „todlosen Führern“ des Cthulhu-Kults. Von ihnen erfährt er, dass Cthulhu vor Äonen über die Erde geherrscht habe, seit Jahrtausenden aber in einem dem Tod ähnlichen Schlaf liege. Weltweit existiere aber ein Kult, der auf Cthulhus Auferstehung warte, und dessen Ursprung sich in Arabien befände. Auch im berüchtigten Buch des wahnsinnigen Arabers Abdul Alhazred, dem Necronomicon, bezögen sich vereinzelte Passagen auf die Existenz Cthulhus.
• 1860 stößt Professor Webb, ein Anthropologe, während einer Expedition nach Grönland auf eine Gruppe „degenerierter Eskimos“, die Cthulhu verehren und dem Professor Hinweise über den Kult liefern.
• Im November 1907 dringt Inspektor Legrasse mit einer Abteilung von Polizisten in die Sümpfe um New Orleans vor, um einige von Kultisten entführte Siedler zu retten. Die Kultanhänger werden getötet oder gefangengenommen. Unter den Überlebenden befindet sich auch der mittlerweile uralte Castro, der Legrasse über den Cthulhu-Mythos berichtet.
• 1908 nehmen Legrasse, sowie die Professoren Webb und Angell an einer archäologischen Konferenz in St. Louis teil. Legrasse und Webb entdecken dabei, dass die Kulte in Grönland und Louisiana sowohl in der bildlichen Darstellung Cthulhus als auch ihren Riten identisch sind.
• Am 28. Februar 1925 oder am 1. März 1925 – je nach Datumsgrenze – wird die im Pazifischen Ozean die versunkene Stadt R'lyeh durch ein schweres Erbeben an die Oberfläche gehoben. Seitdem leidet der Künstler Wilcox aus Providence an nächtlichen Alpträumen, die Cthulhu zum Inhalt haben, woraufhin er ein Abbild des Wesens erschafft. Er zeigt es Professor Angell und erzählt diesem von seinen Träumen. Angell hat damit bereits den dritten Hinweis auf den Cthulhu-Mythos erhalten und stellt weitere Nachforschungen darüber an.
• Am 22. März kommt es zu einem Gefecht zwischen dem Schoner Emma aus Auckland, auf dem der Norweger Johansen als zweiter Maat dient, und der schwer bewaffneten Yacht Alert, deren Crew aus Cthulhu-Anhängern besteht, mehrheitlich „Kanaken und Mischlinge“. Die Emma wird versenkt, doch kann seine Besatzung die Alert entern und dessen Crew töten. Als ranghöchster Überlebender übernimmt Johansen das Kommando.

Lage der untergegangenen Stadt R'lyeh im Pazifik laut den Koordinaten Johansens.

• Am 23. März landen Johansen und seine Crew auf der vom Erdboden angehobenen Insel. Sie betreten die Stadt R'lyeh, auf der die bekannten physikalischen Gesetze teilweise keine Wirkung mehr besitzen. Unbeabsichtigt erwecken die Männer Cthulhu aus seinem äonenlangen, todesähnlichen Schlaf. Johansen Männer werden von Cthulhu getötet oder sterben in Folge ihrer panischen Angst. Nur Johansen selbst und einer seiner Männer können sich auf die Alert retten und verlassen die Insel. Cthulhu verfolgt jedoch ihr Schiff, woraufhin Johansen kehrtmacht und das Wesen mit der Yacht rammt, wodurch es – zumindest für den Augenblick – besiegt wird.
• Zwischen dem 23. März und 2. April 1925 kommt es weltweit zu Aufständen und Massenpaniken, ohne dass sich die Menschen Cthulhus kurzzeitiger Auferstehung bewusst sind. Wilcox’ Träume verstärken sich, woraufhin er in ein Delirium verfällt.
• Am 2. April versinkt die Stadt R'lyeh in Folge eines schweren Sturms wieder im Pazifik. Cthulhu verfällt wieder in seinen Schlaf. Die Alert wird durch den Sturm seeuntüchtig und treibt ziellos dahin. Johansens verbliebener Gefährte verfällt dem Wahnsinn und stirbt bald darauf. Der Künstler Wilcox erwacht aus seinem Delirium und vermag sich nicht mehr an seine Visionen Cthulhus zu erinnern.
• Am 12. April wird die Alert vom Frachter Vigilant, der selbst in dem vorangegangenen Sturm seinen Kurs verloren hat, in Schlepptau genommen.
• Im weiteren Verlauf des Jahres 1925 wird Johansen von der Admiralität wegen der Vorgänge auf See befragt, schweigt sich aber aus und kehrt schließlich heim zu seiner Frau nach Oslo. Dort verfasst er ein Tagebuch über seine Erlebnisse im Pazifik und wird schon bald darauf von Agenten des Kults, zwei „Lascar-Matrosen“ (Seefahrer aus dem indischen Raum), getötet.
• Professor Angell stellt in den Jahren 1925 und 1926 weitere Nachforschungen über den Cthulhu-Kult an. Er sammelt Zeitungsausschnitte, die darauf hindeuten, dass Cthulhus Wiederkehr weltweit Spuren hinterlassen hat. Im Winter 1926/27 wird er jedoch von einem „Neger-Matrosen“, einem weiteren Kult-Agenten, ermordet.
• 1927 übernimmt der Bostoner Anthropologe Thurston den Nachlass seines Großonkels Angell. Thurston untersucht nach anfänglicher Skepsis selbst den Cthulhu-Mythos und reist über Auckland nach Oslo, wo er das Tagebuch Johansens von dessen Witwe erhält. Thurston wird daraufhin das Ausmaß des Kultes bewusst. Er sieht seinen Tod durch die Hände der Kultanhänger voraus, welcher entweder noch 1927 oder 1928 (dem Erscheinungsjahr von Lovecrafts Erzählung) eintritt.

Weblinks

• Die Geschichte auf Wikisource (en)