Der Tunnel (Kurzgeschichte)

Der Tunnel (Kurzgeschichte)

Der Tunnel ist eine Kurzgeschichte von Friedrich Dürrenmatt, die 1952 erschien. Die Geschichte ist u. a. in dem Band Der Tunnel von 1964 veröffentlicht worden. Sie gehört zum Hauptwerk des Autors und zu den Klassikern unter den surrealen Kurzgeschichten.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Protagonist ist ein verträumter vierundzwanzigjähriger Student, der am Anfang der Geschichte wie folgt beschrieben wird:

„Ein Vierundzwanzigjähriger, fett, damit das Schreckliche hinter den Kulissen, welches er sah (das war seine Fähigkeit, vielleicht seine einzige) nicht allzu nah an ihn herankomme, der es liebte, die Löcher in seinem Fleisch, da doch gerade durch sie das Ungeheuerliche hereinströmen konnte, zu verstopfen, derart, dass er Zigarren rauchte (Ormond Brasil 10) und über seiner Brille eine zweite trug, eine Sonnenbrille, und in den Ohren Wattebüschel: Dieser junge Mann, noch von seinen Eltern abhängig und mit nebulösen Studien auf der Universität beschäftigt, die in einer zweistündigen Bahnfahrt zu erreichen war, stieg eines Sonntagnachmittags in den gewohnten Zug, Abfahrt siebzehnuhrfünfzig, Ankunft neunzehnuhrsiebenundzwanzig, um anderentags ein Seminar zu besuchen, das zu schwänzen er schon entschlossen war.“

Doch auf dieser Strecke, die er oft fährt, fällt ihm auf, dass der Zug ungewöhnlich lange durch einen eigentlich sehr kurzen Tunnel rast, den er sonst nie sonderlich bemerkt hat. Die Unruhe des Studenten wächst, während die Mitreisenden nicht beunruhigt sind. Der Schaffner versichert auf Anfrage, dass alles in Ordnung sei. Der 24-Jährige stößt zum Zugführer durch, der sich den langen Tunnel nicht erklären kann. Gemeinsam schaffen sie es, zur Lokomotive zu klettern. Der Führerraum ist leer, der Lokomotivführer schon nach fünf Minuten abgesprungen, der Zugführer aber an Bord geblieben (Er sagt, er habe schon „immer ohne Hoffnung gelebt“) Die Lokomotive gehorcht nicht mehr, die Notbremse funktioniert nicht, und der Zug rast immer schneller und schneller in den dunklen Abgrund. Am Ende sieht der Student - der anfangs noch Wattebäusche und Sonnenbrille trug - dem kommenden Tod mutig ins Auge, wendet den Blick nicht ab: „Was sollen wir tun“ - „Nichts (…) Gott ließ uns fallen, und so stürzen wir denn auf ihn zu.“ In einer zweiten, 1978 veröffentlichten und mittlerweile verbreiteteren Fassung fehlt der letzte Satz; die Geschichte endet mit dem Wort "Nichts". Damit entfällt die Deutung des Geschehens als göttliches Wirken.

Interpretation

Als Symbol kann der in den Abgrund rasende Zug gedeutet werden. Als Symbol für das in geregelten Bahnen verlaufende Leben der Menschen, das auf eine sich deutlich abzeichnende Katastrophe (den Tod, das Nichts oder das Ungewisse) zuläuft. Der plötzlich und unerklärlich in den Alltag auftretende Schrecken(= Zugkatastrophe) zeigt diese Unentrinnbarkeit auf, vor der sich die Menschen hinter dem Alltäglichen verstecken. Der in der ursprünglichen Fassung enthaltene letzte Satz der Geschichte selbst deutet das schreckliche Geschehen als Willen Gottes. Das macht dieses aber nicht weniger unverständlich.

Dies und Das

Mit dem Anfang der Geschichte scheint Dürrenmatt den komplizierten Schreibstil von Thomas Manns Zauberberg zu parodieren. Auch inhaltlich gibt es eine Überschneidung: Der Zauberberg beginnt mit der Zugfahrt eines jungen Mannes, der gerne Zigarren raucht.

Literatur

  • Friedrich Dürrenmatt: Der Hund. Der Tunnel. Die Panne. Erzählungen. TB-Werkausgabe Bd. 21, ISBN 3257230613

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