Deutsche Philologie

Deutsche Philologie

Germanistik ist die akademische Disziplin der Geisteswissenschaften, die die deutsche Sprache und deutschsprachige Literatur in ihren historischen und gegenwärtigen Erscheinungsformen erforscht, dokumentiert und vermittelt. In einem weiteren Verständnis hat sie die Aufgabe, die germanischen Sprachen mit ihren Kulturen und Literaturen zu erforschen.[1]

Die moderne Germanistik setzt sich aus drei Teilfächern zusammen, der Germanistischen Linguistik, dem Fach Neuere deutsche Literatur und der Mediävistik. Seit den 1980er Jahren wird die Germanistik auch in eine Inlandsgermanistik und Auslandsgermanistik eingeteilt.

Inhaltsverzeichnis

Germanistische Sprachwissenschaft

Die Germanistische Linguistik untersucht die deutsche Sprache sowohl in ihrer historischen Entwicklung (Diachronie) als auch im Hinblick auf die synchronen Funktionsbeziehungen einzelner Sprachsysteme. Ihr Gegenstand umfasst alle Sprachstufen des Deutschen, vom Althochdeutschen (8. bis 11. Jahrhundert) über das Mittel- (11. bis 14. Jahrhundert) und Frühneuhochdeutsche (14. bis 17. Jahrhundert) bis hin zum Neuhochdeutschen (ab 17. Jahrhundert).

Zudem analysiert sie die deutsche Sprache unter verschiedenen Aspekten (Lautungen/Schreibungen, Flexionsformen, Wörter, Sätze, Texte etc.) und in ihren verschiedenen Erscheinungsformen wie etwa der sprachsoziologischen Schichtung (Umgangssprache, Schriftsprache etc.) oder der sprachgeographischen Gliederung (Dialekte etc.).[2]

Germanistische Literaturwissenschaft

Die Germanistische Literaturwissenschaft untergliedert sich in eine (früher so genannte) „Alte Abteilung“, die sich mit der Literatur von den Anfängen im Frühmittelalter bis zum Übergang zur Neuzeit (etwa 16. Jahrhundert) befasst und heute als (Germanistische) Mediävistik bezeichnet wird, und eine „Neue Abteilung“, die sich mit der so genannten „Neueren deutschen Literatur“ (mit der Literatur des 16. Jahrhunderts bis zur Gegenwart) befasst. In Zürich wird die Grenze zwischen Mediävistik und Neuerer deutscher Literatur anders gezogen: Barock und Frühe Neuzeit werden noch zur Mediävistik gerechnet.

Sie untersucht die Literatur systematisch nach Gattungen, Formen, Stoffen und Motiven sowie historisch nach Autoren und Epochen. Zentrale Arbeitsgebiete der deutschen Literaturwissenschaft sind die Editionsphilologie, die Literaturgeschichtsschreibung und die Analyse literarischer Texte. Die Beziehungen der deutschen Literatur zu den Literaturen anderer Länder (Rezeptions- und Wirkungsgeschichte) und zu historischen Gegebenheiten, z.B. in europäischem Kontext, bilden weitere wichtige Arbeitsgebiete.

Medienwissenschaft

Zudem sucht die Germanistik im Medienzeitalter die Rückbindung an die Kommunikations-, Kultur- und Medienwissenschaften. Als Nebenzweig hat sich außerdem die Filmphilologie etabliert.

Geschichte der Germanistik

Als noch äußerst gering systematisiertes Interessensgebiet einzelner Gelehrter lässt sich die Germanistik auf dem Gebiet der germanischen Altertumskunde bis zu Tacitus zurückverfolgen. Dieser deutete in seinen Annales an, dass die Germanen (ohne Angabe des Stammes) den Arminius in der Nachschau der Ereignisse des Jahres 9 n.Chr. in ihren Liedern besungen hätten. Im Sinne einer deutschen Sprach- und Literaturkunde setzt sie jedoch erst mit der Erforschung und Veröffentlichung alter Rechts- und Geschichtsquellen sowie mittelalterlicher Bibelübersetzungen zur Zeit des Humanismus ein. Als selbständige Wissenschaft neben der Altphilologie und als Universitätsdisziplin wurde die Germanistik Anfang des 19. Jahrhunderts durch Georg Friedrich Benecke, die Brüder Grimm und Karl Lachmann begründet. Deren wissenschaftliches Interesse an der literarischen Vergangenheit war deutlich von der romantischen Ästhetik mit ihrer Wiederentdeckung der mittelalterlichen Dichtung geprägt.

Erster außerordentlicher Professor für Germanistik war seit 1810 Friedrich Heinrich von der Hagen in Berlin, während 1858 an der Universität Rostock das „Deutsch-Philologische Seminar“ als erste germanistische akademische Einrichtung entstand. Die Diskussionen drehten sich weithin um das Nibelungenlied und den Minnesang. Genau wie die Werke Martin Luthers sollten diese dem Nachweis einer spezifisch „deutschen“ Kulturtradition dienen, die den Vergleich zu anderen Nationen nicht scheuen müsse. Ähnlich wie im Italien des Risorgimento geschah dies in Deutschland im Bewusstsein einer angestrebten, aber vorerst gescheiterten staatlichen Einigung. Die nationalstaatliche Perspektive – die es gleichermaßen auch in Frankreich, England und anderen Ländern gab – war freilich schon im Ansatz fragwürdig, da sie Gefahr lief, nur den eigenen Chauvinismus zu reflektieren. Nach der Aufarbeitung von Mittelalter und Reformationszeit durch Quelleneditionen und angeregte Forschungsdebatten im 19. Jahrhundert erfolgte die „Wiederentdeckung“ des Barock zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Die Aufarbeitung der Barockdichtung wies ein weiteres Problem auf: Man orientierte sich am Bild des „großen“, genialen Schöpfers von Literatur, einer Vorstellung, die der Originalitätsästhetik des 19. Jahrhunderts entstammte. Dieses Konzept von Dichtung hatte es aber in der Barockzeit nicht gegeben, im Gegenteil wollte und sollte man durch die Imitation klassischer Vorbilder seine Kunst beweisen. Ebenso wurde im 19. Jahrhundert noch nicht recht bemerkt, dass die klassische Gattungstrias von Epos, Drama und Lyrik von einer überwiegend mündlichen Überlieferung in der Antike ausging und im „Literaturbetrieb“ seit der frühen Neuzeit nur noch bedingt sinnvoll war, obwohl sie nach wie vor ins Feld geführt wurde. So kam es zu Missverständnissen, die bis heute nicht ausgeräumt sind.

Die deutsche Literaturwissenschaft ließ sich in vielen Hinsichten von Zielsetzungen der wilhelminischen Politik nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 instrumentalisieren. Die Dominanz des deutschen Kulturschaffens über dasjenige anderer Nationen sollte bewiesen und illustriert werden, obwohl Paris, wie Walter Benjamin später betonte, nach wie vor die kulturelle „Hauptstadt des 19. Jahrhunderts“ war. In diesem Sinne entstanden Auswahlausgaben und vielbändige literaturgeschichtliche Lexika.

In der Zeit des Nationalsozialismus forderten die staatlichen Machthaber von der Germanistik ideologische Unterstützung und machten sich ihre Tendenz zum Pangermanismus, die noch aus der Zeit der Kleinstaaterei stammte, zu Nutze. Die Lösung von ideologischer Voreingenommenheit nach dem Zweiten Weltkrieg geschah zähflüssig. In den 1950er Jahren wurde die werkimmanente Interpretationsmethode beliebt, die eine streng am Wortlaut der Dichtung orientierte, Motive und Metaphern beleuchtende Interpretation zum Paradigma erhob und jede Deutung im Hinblick auf äußere Einflussfaktoren und Zeitumstände ausklammerte. Bisweilen fanden auch psychoanalytische Methoden Verwendung, die die hinter der Dichtung stehende „Persönlichkeit“ des Autors zu erklären versuchten.

Seit den 1960er Jahren setzte eine Differenzierung der verwendeten Methoden ein, die eine geradezu unüberblickbare methodologische Vielfalt zur Folge hatte. Zu den vielfältigen Ansätzen zählen u.a. (nach dem Vorbild der Amerikanistik und Romanistik) Strukturalismus, Rezeptionsästhetik und Narrativistik. In den 1970er Jahren erweiterte sich das Spektrum noch um Intertextualitätstheorie und Diskursanalyse, poststrukturalistische, semiotische und dekonstruktivistische, feministische und postfeministische Perspektiven.

Auslandsgermanistik

Alois Wierlacher war zu Beginn der 1980er Jahre einer der ersten Wissenschaftler, der die Diskussion begonnen hat, dass die Germanistik in den deutschsprachigen Ländern anders orientiert sein müsse als in den Ländern, in denen Deutsch nicht Muttersprache sei. Er forderte eine Germanistik, die sich als „vergleichende Fremdkulturwissenschaft“ konstituieren solle.[3] Zwar waren seine Thesen für eine umfassende Neuorientierung der Germanistik und des Fachs Deutsch als Fremdsprache (DaF) sehr umstritten, aber die begonnene Diskussion von A. Wierlacher führte in der Folgezeit zu einem stärkeren Bewusstsein der Unterschiede zwischen der Germanistik in den deutschsprachigen Ländern und der Germanistik im Ausland. Als eine Folge dieser Diskussion entstand der Begriff „Auslandsgermanistik“, der nun auch zur Bezeichnung von universitären Einrichtungen gebraucht wird.[4]

Siehe auch

Literatur

  • Internationales Germanistenlexikon 1800 - 1950, Hrsg. und eingel. von Christoph König; Bearb. von Birgit Wägenbaur in Zusammenarbeit mit Andrea Frindt , Hanne Knickmann , Volker Michel und Karla Rommel ; 3 Bände u. 1 CD-ROM ; Berlin , New York : de Gruyter ; 2003
  • Helmut Arntzen: Unsinn und Sinn der Germanistik. Weinheim 1996.
  • Klaus-Michael Bogdal, Kai Kauffmann, Georg Mein, unter Mitarbeit von Meinolf Schumacher und Johannes Volmert: BA-Studium Germanistik. Ein Lehrbuch (Rowohlts Enzyklopädie 55682), Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 2008 ISBN 978-3-499-55682-1
  • Gabriele Graefen / Martina Liedke: Germanistische Sprachwissenschaft. Deutsch als Erst-, Zweit- oder Fremdsprache, (UTB 8381), Francke, Tübingen 2008, ISBN 978-3-8252-8381-0
  • Thomas Rathmann (Hg.): Texte, Wissen, Qualifikationen - Ein Wegweiser für Germanisten, Berlin 2000.
  • Jürgen H. Petersen/Martina Wagner-Egelhaaf (Hrsg.): Einführung in die neuere deutsche Literaturwissenschaft, Berlin 2006. ISBN 978-3-503-07959-9
  • Jürgen Wertheimer: Wozu Germanistik? In: Florian Keisinger u. a. (Hrsg.): Wozu Geisteswissenschaften? Kontroverse Argumente für eine überfällige Debatte, Frankfurt a. M./New York 2003 ISBN 3-593-37336-X
  • Harald Wiese: Eine Zeitreise zu den Ursprüngen unserer Sprache. Wie die Indogermanistik unsere Wörter erklärt, Logos Verlag Berlin, 2007, ISBN 978-3-8325-1601-7.
  • Thomas Anz (Hg.): Handbuch Literaturwissenschaft. 3 Bde. Stuttgart 2007.

Einzelnachweise

  1. Helmut Glück (Hrsg.), unter Mitarbeit von Friederike Schmöe: Metzler Lexikon Sprache. Dritte, neubearbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart/ Weimar 2005. ISBN 978-3-476-02056-7
  2. Vgl. die überblicksartige Gegenstandsbeschreibung sowie das Skriptum Grundkurs Sprachwissenschaft von Karl Heinz Wagner
  3. Alois Wierlacher, Deutsch als Fremdsprache. Zum Paradigmenwechsel internationaler Germanistik, in: ders. (Hrsg.) Fremdsprache Deutsch, Grundlagen und Verfahren der Germanistik als Fremdsprachenphilologie, München 1980, S. 15.
  4. Institut für Auslandsgermanistik der Friedrich-Schiller-Universität Jena)

Weblinks

  • Germanistik - E-Learning-Angebote (Webangebot der Germanistik der Universität Duisburg-Essen mit zahlreichen E-Learning-Kursen. Hier ist u.a. auch das Webangebot von Linse (Linguistik Server Essen) angesiedelt.)
  • germanistik.net (aktuell und eher streng darauf zielgerichtet, den Benutzer direkt zur jeweilig besten Hilfsquelle für Germanisten zu schleusen)
  • Germanistik im Netz - Erlanger Liste (Die 'Erlanger Liste' ist die derzeit umfangreichste Linksammlung zu allen Einzeldisziplinen des Faches sowie allen Bereichen des literarischen Lebens wie Archive, literarische Gesellschaften, Feuilletonredaktionen, Verlage etc.)
  • Literaturwissenschaft online (Literaturwissenschaft online ist ein Angebot des Instituts für Neuere Deutsche Literatur und Medien der Universität Kiel mit Möglichkeiten zum E-Learning. Ein besonderes Angebot sind die Live-Übertragungen von literaturwissenschaftlichen Vorlesungen online beziehungsweise deren Archivierung zur späteren freien Nutzung.)
  • Bibliographie der Deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft (BDSL Online, in der gedruckten Ausgabe bekannt als Eppelsheimer-Köttelwesch, ist die wichtigste germanistische Bibliographie. Frei zugänglich sind die Berichtsjahrgänge 1985-1995. Die meisten deutschen Hochschulbibliotheken besitzen eine Lizenz zum Vollzugriff aus dem jeweiligen Hochschulnetz.)
  • H-Germanistik (Moderierte E-Mailliste zur Fachkommunikation graduierter Germanisten und Literaturwissenschaftler mit den Rubriken Calls for Papers, Tagungen, Stellenmarkt, Stipendien, Inhaltsverzeichnisse aktueller Fachzeitschriften, Tagungsberichte und Rezensionen; Bestandteil des renommierten H-Net)
  • http://www.germanistik-im-netz.de (Zentrales Fachportal, ermöglicht die Recherche in ausgewählten Bibliothekskatalogen, Datenbanken und Internetquellen)

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