Deutschländle

Deutschländle
Deutsche Band in New York

Kleindeutschland (Englisch Little Germany, gelegentlich auch Dutchtown genannt) war ein Stadtviertel in der Lower East Side im Stadtteil Manhattan in New York City, in dem hauptsächlich deutsche Einwanderer lebten. Aufgrund des Verlustes vieler für die Gemeinschaft wichtiger Personen bei der so genannten „General-Slocum“-Katastrophe im Jahre 1904 zerfiel es im Jahr darauf.

Inhaltsverzeichnis

Ursprung

Emigranten betreten ein Schiff

Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts sorgte ein gleichmäßiger Zufluss von Einwanderern, welche über Ellis Island in die USA einreisten, für einen kontinuierlichen Zuwachs der Bevölkerung in Kleindeutschland. Bereits 1840 lebten dort über 50.000 Deutsche. Allein in den 1850er Jahren reisten circa 800.000 Deutsche über New York in die USA ein. Die Besiedlung war stark schwankend, weil viele Familien den Ort in andere Richtungen wieder verließen. Die deutschen Einwanderer unterschieden sich von Einwanderern aus anderen Ländern vor allem dadurch, dass sie gewöhnlich bessere Schulbildung hatten und im Handwerk geschickt waren.

Mehr als die Hälfte der Bäcker und Schreiner in New York waren Deutsche oder deutscher Herkunft, und viele Deutsche arbeiteten auch im Baugewerbe. Höher gebildete Deutsche waren wichtige Mitwirkende bei der Bildung von Gewerkschaften und waren oftmals auch politisch aktiv. 1840 lebten in dem Stadtteil 24.000 Deutsche. In den 1870er Jahren wuchs die Einwohnerzahl auf 170.000. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte Kleindeutschland eine Bevölkerung von 50.000. Die Gemeinschaft war das kulturelle Zentrum der Aktivitäten der deutschstämmigen Bevölkerung New Yorks. Zu den Einrichtungen zählten beispielsweise Biergärten, Sportvereine, Schützenvereine sowie deutschsprachige Bibliotheken, Gesangschöre, Schulen und Kirchen.

Das Viertel lag rund um den Tompkins Square, der von seinen Bewohnern Weißer Platz genannt wurde, im heutigen East Village. Der Name des Viertels stammt von der irischen Bevölkerung, die Deutschen nannten ihr Viertel selber Deutschländle in Anlehnung an die vielen Bewohner schwäbischer Herkunft.

„General-Slocum“-Katastrophe

Die „General Slocum“ brennend im Wasser

Die „General-Slocum“-Katastrophe traf Kleindeutschland am 15. Juni 1904. Die evangelisch-lutherische Kirche veranstaltete ihr 17. jährliches Picknick, um das Schuljahresende zu feiern, und charterte ein Schiff, die General Slocum, für eine Vergnügungsfahrt auf dem New Yorker East River zur Picknick-Stelle auf Long Island. Über 1.300 Passagiere, die meisten davon Frauen und Kinder, nahmen an dem Ereignis Teil. Kurz nach dem Ablegen brach ein Feuer in einem Lagerraum im Bug des Schiffes aus.

Zwar war das Schiff mit Rettungsbooten und -ringen ausgestattet, diese befanden sich jedoch in einem schlechten Zustand. Einige Rettungsringe waren sogar morsch und nicht schwimmfähig. Das Fehlen von hinreichend Rettungsausrüstung in Verbindung mit dem schlechten Führungsverhalten von Captain William Van Schaick, führte zu geschätzten 1.021 Toten. Obwohl nur circa ein Prozent der Bevölkerung von Kleindeutschland bei dem Unglück ums Leben kam, waren gerade diese Opfer Mitglieder der am meisten etablierten Familien, dem sozialen Oberbau der Gemeinschaft. Die übrige, frisch eingewanderte Bevölkerung hatte meist nicht das Geld, um sich solche Vergnügungsfahrten leisten zu können.

Das Ende von Kleindeutschland

Die „General-Slocum“-Katastrophe ist der entscheidende Grund, dass New York City, Heimat der weltbekannten Stadtviertel Chinatown und Little Italy, heute kein Little Germany mehr hat.

Letztendlich konnte die gesamte Gemeinschaft von Kleindeutschland wegen des Unglücks nicht mehr fortbestehen. Schulen hatten keine Schüler mehr, Geschäfte keine Eigentümer, und einige hinterbliebene Eltern, Ehepartner, Kinder und Freunde begingen in der Folgezeit Selbstmord. Der Wunsch, einen Schuldigen für das Unglück zu finden, führte zu gespaltenen Meinungen in der Öffentlichkeit. Familien stritten sich um die Verteilung der Entschädigungsgelder an die Überlebenden, was dazu führte, dass die Gemeinschaft auseinander brach. Viele Familien trennten sich und zogen weg, Geschäfte wurden geschlossen.

Auch der soziale Aufstieg Anfang des 20. Jahrhunderts führte zum Wechsel des Wohnviertels. Viele Deutsche zogen später nach Yorkville auf der Upper East Side. Die 86th Straße wurde zur neuen Hauptstraße, dem deutschen Broadway. Bei der Volkszählung von 1910 lebten in dem Stadtteil noch 542.061 Menschen, bis 1930 sank die Einwohnerzahl auf 249.755.

Mit dem Eintritt der Amerikaner in den Ersten Weltkrieg (1914-1918) verschwand das bis dahin hohe Ansehen der Deutschen. Die dritte Einwanderergeneration fühlte sich mehr den Amerikanern zugehörig als dem deutschen Kriegsgegner. Damit verschwanden deutsche Begriffe wie Sauerkraut, Bier und german gemutlichkeit aus dem Alltagswortschatz der New Yorker. Im Bestreben, alles Deutsche aus der eigenen Sprache und Kultur zu verbannen, wurde aus Sauerkraut „Liberty Cabage“ und aus German Measles (deutsch: Röteln) „Liberty Measles“. Der Begriff Hot Dog galt nun synonym für alle Art von Wurst und ersetzte Frankfurter und Wiener.

Heute gibt es in der Bäckerei Glaser (1670 First Ave) noch deutsche Backwaren und im Heidelberg (1648 Second Ave) deutsche Speisen. Auch einen deutschsprachigen Gottesdienst gibt es in der German Ev. Lutheran Zion St. Mark's Church in der 339 East 84th Straße.

Die jährlich im September stattfindende Steubenparade, benannt nach Friedrich Wilhelm von Steuben, erinnert an die deutsche Herkunft vieler New Yorker. In der Volkszählung im Jahre 2000 bekannten sich 360.000 New Yorker zu ihrer deutschen Abstammung. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass es kein deutsches Viertel mehr in New York City gibt. Die ehemals deutschen Einwanderer in New York City sind vollständig assimiliert.

Literatur

  • Edward T. O'Donnell: Der Ausflug. Das Ende von Little Germany, New York. Marebuchverlag, 2006, ISBN 3936384932. 

Weblinks


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