Diceros bicornis

Diceros bicornis
Spitzmaulnashorn
Spitzmaulnashorn (Diceros bicornis)

Spitzmaulnashorn (Diceros bicornis)

Systematik
Unterklasse: Höhere Säugetiere (Eutheria)
Überordnung: Laurasiatheria
Ordnung: Unpaarhufer (Perissodactyla)
Familie: Nashörner (Rhinocerotidae)
Gattung: Diceros
Art: Spitzmaulnashorn
Wissenschaftlicher Name
Diceros bicornis
(Linnaeus, 1758)

Das Spitzmaulnashorn (Diceros bicornis) oder Schwarze Nashorn ist ein in Afrika verbreitetes Nashorn. Es ist die einzige Art der Gattung Diceros.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Das Spitzmaulnashorn hat eine Kopfrumpflänge von bis zu 350 cm, eine Schulterhöhe von 160 cm und ein Gewicht von 800 bis 1.500 kg. Damit ist es die kleinere der beiden afrikanischen Nashornarten. Es hat zwei Hörner, das vordere ist etwas länger (50 cm, in seltenen Fällen über 1 m). Als Unterscheidungsmerkmale zum Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum), der nächstverwandten Art, dienen der verhältnismäßig gedrungene Schädel, zwei tief angesetzte Hörner und die fingerförmige Oberlippe des Spitzmaulnashorns.

Spitzmaulnashörner haben einen exzellenten Geruchssinn und ein gutes Gehör. Die Augen sind dagegen von untergeordneter Bedeutung; auf eine Entfernung von 20 m kann ein Nashorn kaum noch etwas erkennen.

Name

Der Name „Schwarzes Nashorn“ ist eine Entlehnung aus dem Englischen; dort wurde das „black rhinoceros“ als Gegenstück zum „white rhinoceros“ benannt, doch beide Nashornarten sind in Wahrheit dunkelgrau und farblich nicht zu unterscheiden. Zustande kamen diese irreführenden Namen durch eine Fehlübersetzung aus dem Afrikaans, wo wijde „breit“ bedeutet, aber mit „white“ bzw. „weiß“ übersetzt wurde. Die deutschen Benennungen Breit- und Spitzmaulnashorn sind dagegen korrekte Übersetzungen aus dem Afrikaans und sollten daher bevorzugt werden. Diese Namen beziehen sich auf die Oberlippe: Das Spitzmaulnashorn hat eine zum Greifen befähigte Oberlippe, mit der Laub abgerupft werden kann, während das Breitmaulnashorn eine flache Lippe hat, die an das Äsen von Gras angepasst ist.

Verbreitung

Ostafrikanisches Spitzmaulnashorn (Diceros bicornis michaeli) im Zürcher Zoo

Einst war das Spitzmaulnashorn in allen afrikanischen Savannen verbreitet; es war damit immer viel weiter verbreitet als das Breitmaulnashorn. Heute gibt es wilde Bestände nur noch in Kenia, Tansania, Simbabwe, Namibia und Kamerun; wieder eingeführt wurde das Spitzmaulnashorn in Südafrika, Malawi, Swasiland und Ruanda, nachdem es dort bereits ausgerottet worden war. Die Unterart westliches Spitzmaulnashorn (D. b. longipes) ist nach neuesten Berichten ausgestorben. Das letzte Exemplar dieser westafrikanischen Unterart wurde 1996 beobachtet. [1] [2]

Während das Breitmaulnashorn die offene Grassavanne bewohnt, bevorzugt das Spitzmaulnashorn die Dornbuschsavanne oder Waldränder. Wasserstellen müssen in der Nähe verfügbar sein.

Lebensweise

Spitzmaulnashörner

Wie alle Nashörner ist das Spitzmaulnashorn ein Einzelgänger. Es ist hauptsächlich in der Dämmerung und nachts aktiv, tagsüber schläft es im Schatten oder nimmt Schlammbäder. Die Nahrung sind Zweige, vor allem von Akazien, die mit der fingerförmigen Oberlippe gegriffen, zwischen die Kiefer geführt und mit den Backenzähnen abgetrennt werden. Wenn man Spitzmaulnashörner beim Grasen sieht, ziehen sie in Wirklichkeit holzige Pflanzen aus der Erde und lassen das Gras unangerührt. Selbst sehr dornige Zweige werden verzehrt.

Bullen und Kühe finden nur wenige Tage während der Paarungszeit zueinander. Sieht man mehrere Nashörner beisammen, handelt es sich meistens um ein Muttertier mit ihren Jungen. Weibliche Jungtiere werden auch noch in der Nähe akzeptiert, wenn das nächste Kalb bereits geboren ist. Spitzmaulnashörner unterhalten durch Urin und Kot markierte Reviere, die sich aber überlappen können. Gegenüber Artgenossen, die benachbarte Reviere bewohnen, sind Spitzmaulnashörner für gewöhnlich nicht aggressiv. Gelegentlich sieht man sogar zwei Bullen nebeneinander grasen. Allerdings ändert sich das Verhalten, wenn zwei Bullen um eine Kuh werben. Dann kann es zu Kämpfen mit manchmal sogar tödlichem Ausgang kommen.

Das einzige Kalb wird nach einer Tragzeit von 450 Tagen geboren und hat ein Geburtsgewicht von etwa 25 bis 40 Kilogramm. Die Neugeborenen besitzen an der Stelle, an der das vordere Horn wachsen wird, bereits nach der Geburt eine etwa einen Zentimeter hohe Verdickung; die Wachstumsstelle für das zweite Horn ist nur als etwas hellerer runder Fleck markiert. Das Kalb wird etwa zwei Jahre gesäugt und von der Mutter während dieser Zeit gegen jede potenzielle Gefahr verteidigt. Beinahe ebenso lang ist die Mutter nicht in der Lage, ein weiteres Kalb zu bekommen. Mit fünf (Weibchen) bzw. acht (Männchen) Jahren sind die Jungtiere geschlechtsreif und verlassen die Mutter. Ihre Lebensdauer kann 45 Jahre betragen.

Natürliche Feinde hat das Spitzmaulnashorn nicht. Lediglich Löwen schaffen es gelegentlich, ein Kalb zu erbeuten, wenn das Muttertier unachtsam ist. Es wurden auch Fälle beobachtet, in denen trinkende Nashörner von Flusspferden oder Krokodilen attackiert wurden – dies ist aber nicht die Regel.

Häufig werden Spitzmaulnashörner von Parasiten befallen; Zecken, Magendasseln und Filarien gehören zu den häufigsten Schmarotzern. Besonders die Wunden, die bei den Brunftkämpfen entstehen, sind ein beliebter Eiablageplatz für Fliegen; eine „Desinfizierung“ ist nur durch Suhlen im Schlamm oder Staubbäder möglich. Um einige dieser Quälgeister los zu werden, dulden Nashörner die Gesellschaft von Madenhackern und Kuhreihern, die auf ihrem Rücken sitzen und die Kleintiere aufpicken.

Menschen und Spitzmaulnashörner

Spitzmaulnashorn im Frankfurter Zoo

Die Gefährlichkeit von Nashörnern ist meistens sehr übertrieben worden. Ein nahender Mensch wird über den Geruchssinn wahrgenommen. In so einem Fall ergreift das Nashorn meistens die Flucht. Nur wenn der Wind ungünstig steht und das Nashorn überrascht wird, greift es an. Sein Verhalten gilt allgemein als unvorhersagbar, so dass es auch bei scheinbar friedlichen Tieren zu plötzlichen Angriffen kommen kann. Flieht der Mensch, dreht das Nashorn gelegentlich noch ab. Wenn es allerdings den Angriff zu Ende führt, kann es einen Menschen mit dem Horn hochschleudern und dabei schwere Verletzungen hervorrufen.

Durch die Jagd wurde das Spitzmaulnashorn schon sehr früh immer seltener. In Südafrika wurde bereits 1853 das letzte Spitzmaulnashorn geschossen, was gleichbedeutend mit dem Aussterben der Unterart D. b. bicornis war. In den Steppen südlich der Sahelzone wurde es ebenfalls am Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend ausgerottet; diese westafrikanischen Nashörner (D. b. longipes) sind ausgestorben. In den 1960ern verschwanden auch die ostafrikanische (D. b. michaeli) und die südzentralafrikanische Unterart (D. b. minor) durch zunehmende Wilderei aus weiten Teilen ihres Verbreitungsgebiets. Vor allem wegen der angeblichen Heilkraft des Horns in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) und dem in manchen Ländern verbreiteten Glauben an die potenzsteigernde Wirkung des Horns wurde es an den Rand der Ausrottung gebracht. Außerdem gilt ein Dolch aus dem Horn des Spitzmaulnashorns im Jemen als ein Männlichkeitssymbol; Mitglieder der jemenitischen Oberschicht zeigen sich bereit, selbst höchste Preise für illegal importierte Nashorndolche zu zahlen.

Die IUCN stufte das Spitzmaulnashorn hiernach als gefährdet ein, später als bedroht und schließlich als stark bedroht. Trotzdem wurde es selbst noch zu einer Zeit, als Schutzmaßnahmen für andere Wildtiere längst griffen, immer seltener. 1970 gab es noch geschätzte 65.000 Spitzmaulnashörner, 1980 waren es bereits nur noch 15.000 Individuen, 1990 etwa 3.000, und 1995 war der Bestand schließlich auf nur noch 2.500 Tiere gefallen. In der Zentralafrikanischen Republik gab es noch 1980 einen gesunden Bestand von 3.000 Nashörnern, der binnen weniger Jahre restlos ausgerottet wurde.

Wilderei ist zwar in Ostafrika wegen schwerer Strafen ein großes Risiko, aber die immensen Preise, die Käufer in Ostasien und Jemen für die Hörner zu zahlen bereit sind, machen sie dennoch zu einem lohnenden Geschäft. Um die Nashornjagd für Wilderer unattraktiv zu machen, sind Wildhüter in manchen Gegenden sogar dazu übergegangen, die Nashörner zu betäuben und ihnen die Hörner abzuschneiden, eine Prozedur, die für die Tiere keine schmerzhaften Folgen hat, da Hörner wie Fingernägel nicht aus lebenden Zellen bestehen. Aber auch diese Methode brachte nicht den gewünschten Erfolg: Wilderer, die ein Nashorn ohne Horn aufspürten, erschossen es trotzdem, um nicht später wieder seiner Spur zu folgen. Zeitweise ging man sogar dazu über, einige Spitzmaulnashörner rund um die Uhr von bewaffneten Wildhütern bewachen zu lassen.

Im Jahr 2001 gab es in Afrika wieder einen Bestand von 3.100 Spitzmaulnashörnern (unter anderem im Addo Elephant Park, Kruger-Nationalpark, Etoscha-Nationalpark, Hwange National Park, Mana Pools, Südluangwa, Tsavo-National Park, Serengeti). Vor allem die Wiedereinführung in südafrikanischen Nationalparks tat dem Gesamtbestand gut, denn neben Namibia ist Südafrika das einzige Land, in dem Schutzmaßnahmen wirklich greifen und der Bestand des Spitzmaulnashorns wieder wächst.

Neben den freilebenden Tieren gehört das Spitzmaulnashorn zum Bestand der meisten größeren Zoos der Welt. Die meisten dieser Tiere sind Wildfänge, die bereits als Jungtiere in Afrika gemacht wurden. Dabei war es bis weit in die 1970er Jahre üblich, die Mutter der Tiere zu erschießen, damit man die Jungtiere einfangen konnte. Eine erfolgreiche Zucht von Spitzmaulnashörnern gelang erstmalig 1941 im Tiergarten von Chicago; 1956 wurde das erste „europäische“ Jungtier in Frankfurt am Main geboren. Der Zoologische Garten Berlin erlangte durch die regelmäßige Aufzucht Weltruhm.

Literatur

  • C. Cunningham, J. Berger: Horn of Darkness, Rhinos on the Edge. Oxford University Press, Oxford 1997. ISBN 0-19-511113-3
  • R. Lammers, U. Anders: Nashörner. Tecklenborg, Steinfurt 1998. ISBN 3-924044-41-4
  • R. Schenkel, L. Schenkel-Hulliger: Ecology and Behaviour of the Black Rhinoceros. (Diceros bicornis L.). A Field Study. Parey, Hamburg 1969. ISBN 3-490-06918-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. iucn news
  2. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 12. September 2006.

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