- Dichterschule
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Literarische Gruppen haben sich immer wieder gebildet, denn manchem Dichter erschien in seinen „literarischen Fehden eine persönliche Leibwache dringend wünschenswert, ja nötig“, wie Fontane es über Saphir, den Gründer des Tunnels über der Spree, anmerkt.
Inhaltsverzeichnis
Typen von literarischen Gruppen und ihre Geschichte
Dichterschule
Der Gedanke der Lehrbarkeit von Poesie steht bei der Gruppe der La Pléiade im Vordergrund, wenn auf antike Vorbilder zurückgegriffen wird.
Im Barock ist die gesellschaftliche Anerkennung zentral, wenn die Schriftsteller in der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ mit einer Vielzahl von Fürsten vereinigt waren. Daneben steht aber auch die Absicht, Schule zu machen, d.h. einerseits gleichgesinnte Jünger heranzuziehen und auch im Sinne der Pléiade den Jungen Poesie zu lehren, wie es etwa in "Von der deutschen Poeterei" von Martin Opitz zum Ausdruck kommt. Dabei können auch aus einer Schule unterschiedliche Richtungen hervorgehen so wie aus der Accademia dell'Arcadia die Accademia dei Quinti des Giovanni Vincenzo Gravina.
Dichterbund
In der Klassik gibt es einerseits weiterhin das Motiv der gesellschaftlichen Anerkennung, wie sie etwa der Musenhof der Herzogin Amalia sicherte. Doch spielt auch die Selbstvergewisserung eine entscheidende Rolle wie etwa im kleinsten Dichterbund, dem „Bund des Ernstes und der Liebe“ zwischen Goethe und Schiller, der durch Schillers Analyse der Goetheschen künstlerischen Absichten entstand. Bei der Verfassung der Xenien hatten sie dann freilich mehr den literarischen Streit im Auge, wenn sie laut einem zeitgenössischen Bericht dabei in „homerisches Gelächter“ ausbrachen.
Wichtige Zweierbünde waren dann in der Romantik auch Achim von Arnim und Clemens Brentano und die Brüder Grimm.
Literarischer Salon und Dichterverein
Die Absicherung im literarischen Streit war in der Frühromantik und bei den frühen Naturalisten sicher das Hauptmotiv. Dagegen spielten bei vielen anderen Gruppenbildungen Selbstvergewisserung und gesellschaftlicher Kontakt in bildungsbürgerlicher Sublimierung höfischen adligen Lebens das entscheidende Motiv, so etwa in den literarischen Salons des frühen 19. Jahrhunderts.
Kreis, Gruppe, Kollektiv
Im 20. Jahrhundert bildet sich im George-Kreis das Meister-Jünger-Verhältnis noch einmal besonders eindrucksvoll heraus, während in der Gruppe 47 neben der Selbstvergewisserung in der von restaurativen Tendenzen bedrohten Adenauerzeit auch das Motiv der Öffentlichkeitsarbeit und Vermarktung eine beachtenswerte Rolle spielt. In den sozialistischen Ländern dagegen spielte die Zusammenarbeit im Kollektiv eine größere Rolle, so kam es zu Schriftstellerkollektiven.
In den meisten Fällen werden freilich alle Motive miteinander verbunden sein, auch wenn je nach Zeitumständen manche Motive stärker im Vordergrund standen.
Berufsverbände
Schließlich gibt es den Zusammenschluss von Dichtern und Schriftstellern in einem Berufsverband wie schon im späten Mittelalter die deutschen Meistersinger und die niederländischen Rederijkers oder die heutigen Schriftstellerverbände, die eher als gewerkschaftlich einzustufen sind, oder Schriftstellervereinigungen wie den P.E.N., die sich humanitär-politische Ziele setzen.
Literarische Begriffsbildung
Die häufigste „Gruppenbildung“ ist freilich die der Literaturhistoriker, die in der Literaturgeschichte Autoren unabhängig davon, ob sie sich persönlich gekannt haben, nach Literaturepochen und Stilrichtungen zusammenfassen.
Beispiele
Mittelalter
- Sizilianische Dichterschule 13. Jahrhundert (Italien)
Spätmittelalter
- La Pléiade (Frankreich)
Frühe Neuzeit
- Lyoneser Dichterschule 16. Jahrhundert (Frankreich: Louise Labé, Maurice Scève)
Barock
- Fruchtbringende Gesellschaft
- Pegnesischer Blumenorden
- Schlesische Dichterschule
- Zweite Schlesische Schule
- Elbschwanenorden
- Accademia dell'Arcadia
18. Jahrhundert
- Göttinger Hainbund
- Emkendorfer Kreis (Friederike Juliane Gräfin von Reventlow)
- Connecticut Wits (USA)
- Halberstädter Dichterkreis um Johann Wilhelm Ludwig Gleim
- Oberrheinischer Dichterkreis
- Münsterscher Kreis
19. Jahrhundert
Deutsch
- Ellora (Vereinigung) (Berlin), 1852, um Friedrich Eggers, Theodor Fontane
- Friedrichshagener Dichterkreis (Berlin) 1888-1898)
- Herwegh-Klub (Leipzig), um Georg Herwegh, Theodor Fontane, Friedrich Max Müller, Wilhelm Wolfsohn
- Junges Deutschland, 1830-1835, um Heinrich Laube, Karl Gutzkow u.a.
- Die Krokodile (München), 1856-1870, um Julius Grosse, Paul Heyse
- Lenau-Verein (Berlin), um Theodor Fontane, Julius Faucher, Hermann Maron
- Maikäferbund (Bonn), 1840-1848, um Johanna Kinkel und Gottfried Kinkel
- Platen-Verein (Berlin), um Theodor Fontane, Egbert Hanisch, Werner Hahn
- Rütli (Berlin), 1852-1897, um Franz Kugler, Bernhard von Lepel, Adolph Menzel, Friedrich Eggers, Theodor Fontane, Theodor Storm, Paul Heyse
- Scharfenberger Kreis, 1812-1824, um Dietrich von Miltitz, Karl Borromäus von Miltitz, Novalis, Friedrich de la Motte Fouqué, August Apel, E.T.A. Hoffmann, Theodor Körner
- Schwäbische Dichterschule (Tübingen), 1805-1808, um Justinus Kerner, Ludwig Uhland
- Serapionsbrüder (Berlin), um 1814-1818, um E. T. A. Hoffmann
- Seracher Dichterkreis (Esslingen am Neckar), 1831, um Alexander von Württemberg
- Tunnel über der Spree (Berlin), 1827-1898, um Moritz Gottlieb Saphir, Theodor Fontane, Friedrich Wilhelm Klemm, Ludwig Schneider
Französisch
- Félibrige (Frankreich), ab 1854 um Frédéric Mistral
- Mardis (Frankreich), ab 1877, um Stéphane Mallarmé
- Parnassiens (Frankreich), 1860-1870, um Leconte de Lisle, Théophile Gautier
Russisch
- Arsamas (Petersburg), 1815-1818, um Alexander Sergejewitsch Puschkin
20. Jahrhundert
- Wiener Salons, z.B. Salon der Berta Zuckerkandl und Salon von Eugenie Schwarzwald
- Der neue Club, (Berlin) 1909-1912 Kurt Hiller
- Dichterzunft (Russland) 1911 Nikolai Gumiljow, Anna Achmatowa, Ossip Mandelstam
- Zentrifuge (Russland) Anf. 20. Jh. u.a. Boris Pasternak
- Imagismus (angloamerikanisch)
- Imaginismus (russisch)
- George-Kreis dt. Anfang 20. Jh. Mitglieder: Stefan George, Friedrich Gundolf, Karl Wolfskehl, Claus Schenk Graf von Stauffenberg
- Skamander (Polen) ab 1920 u.a. Jarosław Iwaszkiewicz
- Serapionsbrüder (Petrograd) ab 1921 (Russland)
- Lost Generation (USA)
- Garip (Türkei)
- Gruppe 42 (Tschechien) 1942
- Gruppe 47 dt. 1947
- Wiener Gruppe (Österreich) 50er Jahre, H. C. Artmann u.a.
- Zweite Neue (Türkei)
- Neuer Friedrichshagener Dichterkreis
- Sächsische Dichterschule DDR 60er Jahre
- Stuttgarter Gruppe/Schule
- Oulipo (Frankreich, Italien, USA, Siebenbürgen)
- Gruppe 61 (Mitglied u.a. Max von der Grün)
- Literarisches Colloquium Berlin
- Werkkreis Literatur der Arbeitswelt
- Neue Wiener Gruppe (Österreich)
- Gruppe Olten (Schweiz)
- Neue Frankfurter Schule (F.W. Bernstein, Bernd Eilert, Eckhard Henscheid, Robert Gernhardt, Chlodwig Poth, Hans Traxler F.K. Waechter)
- Wuming (Italien)
- Lübecker Literaturtreffen
- Neue Gemeinschaft (Berlin), 1902-1904, um Julius Hart, Heinrich Hart und Gustav Landauer
- Klub Poesija (ru: Клуб Поэзия, auch 'Poezia' (Poesie), eine "Underground"- Literaturgruppe in Moskau (1980er-1990er). Mitglieder: Jury Arabov, Valeri Brainin, Jewgenij Bunimovitch, Sergej Gandlevski, Nina Iskrenko, Timur Kibirov, Dmitri Prigow, Lew Rubinstein u.a.
21. Jahrhundert
- Autorenkreis Historischer Roman Quo Vadis (deutsch, 2002 gegründet)
Siehe auch
- Musenhof
- Dichterkreis
- Literarische Gesellschaft
- Literarischer Salon
- Verband deutscher Schriftsteller
- Schriftstellerverband
- Meistersinger
- Rederijkers
Weblinks
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