Dichtmittel

Dichtmittel
Typischer Silikondichtstoff. Bei geringerem Kieselsäuregehalt lässt sich dieser Stoff auch flüssig gestalten.
Baustahl im Durchbruch bei einer Wand mit 90 minütiger Brandrate. Als Abschottung oder Dichtstoff dienen hier ein Brandschützmörtel sowie ein Silikon, welches unterhalb des Trapezbleches zum rauchdichten Raumabschluss angebracht ist.

Ein Dichtstoff ist ein Werkstoff zum Abdichten von Fugen, Spalten und Durchbrüchen. Im Gegensatz zu einer Dichtung muss der Dichtstoff an den Fugenflanken haften, um seine Funktion erfüllen zu können. Synonym zum Begriff „Dichtstoff“ wird auch Fugendichtmasse, Dichtmasse, Fugendichtstoff, Weichdichtung oder Flüssigdichtung gebraucht.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Abdichten von Fugen und Spalten ist eine Tätigkeit, die Mensch und Tier schon seit langer Zeit beherrschen. War es in der Urzeit notwendig, beispielsweise Ritzen in Pfahlbauten gegen Wind und Wetter abzudichten, etwa mit Gras und Lehm, so wurden in der Antike Gefäße und Boote mit natürlich vorkommenden Produkten wie Bienenwachs, Asphalt (Erdpech) oder Baumharz abgedichtet. Eine dieser ursprünglichen Abdichtungsarten hat bis heute beim Bau von Holzbooten in modifizierter Weise überlebt: Hier werden die Spalte im Schiffsrumpf durch Kalfatern mit Werg und Teer abgedichtet. – Auch in der Tierwelt wurde und wird gedichtet, zum Beispiel von Bibern beim Bau von Dämmen oder auch von Bienen.

Die Geschichte der modernen Dichtstoffe beginnt mit der Entwicklung des Fensterkitts um 1700. Nach dem Aufkommen der Polymerchemie in den 1930er Jahren begann in den 1950er und 1960er Jahren eine stürmische Entwicklung synthetischer Dichtstoffe (Butylkautschuk-, Polysulfid-, Silikon-, Polyurethan-, MS-Polymer-Dichtstoffe). Die Weiterentwicklung der Dichtstoffe wird auch in Zukunft nicht stehen bleiben: Neue Polymere mit neuen Eigenschaften sind bereits in Erprobung, um zum Beispiel die Umweltfreundlichkeit beim Herstellen, Anwenden und Entsorgen zu verbessern oder um das Preis-/Leistungsverhältnis zu optimieren: Anforderungen, denen sich zukünftige Dichtstoffentwicklungen stellen müssen.

Wirkungsweise und Einteilung von Dichtstoffen

Ein Dichtstoff muss zwei Grundvoraussetzungen erfüllen: Er muss Adhäsion zu den abzudichtenden Bauteilen aufweisen, damit das Medium, gegen welches abgedichtet werden soll, nicht zwischen Bauteil und Dichtstoff eindringen kann und dadurch die Fuge durchlässig machen kann. Die Adhäsion kann entweder über chemische Bindungen erfolgen, wie es bei den chemisch reaktiven Dichtstoffen der Fall ist, oder über physikalische Wechselwirkungen, zum Beispiel elektrostatische Kräfte. Es wird davon ausgegangen, dass eine chemische Bindung zum Substrat dauerhafter ist als eine physikalische Bindung; allerdings reichen in vielen Fällen auch die physikalischen Kräfte zu einer wirkungsvollen Abdichtung vollkommen aus. Damit sich die Adhäsionskräfte – gleich welcher Art – gut ausbilden können, müssen die Fugenflanken entsprechend vorbereitet sein: Sämtliche losen Bestandteile wie Rost, Staub etc. sind mechanisch zu entfernen, Öle, Fette und andere Trennmittel müssen mit geeigneten Lösungsmitteln entfernt werden. Wie bei den Klebstoffen ist die Vorbereitung des Untergrundes ein Hauptfaktor für Erfolg oder Misserfolg bei der Abdichtoperation. Wenn eine Fuge undicht wird, liegt es meist nicht an adhäsivem Versagen, sondern in der Regel an mangelnder Fugenvorbereitung.

Die Kohäsion des Dichtstoffs ist seine innere Festigkeit und beschreibt den Widerstand gegen ein Zerreißen des Dichtstoffs. Die Kohäsion muss jeweils so hoch sein, dass sich ein anstehendes Medium, auch unter Druck, keinen Weg durch den Dichtstoff selbst bahnen kann.

Die Dichtstoffe lassen sich nach vielen Kriterien einteilen:

  • Nach der Reaktivität
    • chemisch reaktiv
    • physikalisch reaktiv
    • nicht reaktiv
  • Nach dem mechanischen Verhalten
    • elastisch
    • plastoelastisch/elastoplastisch
    • plastisch
  • Nach der zugrundeliegenden Basischemie
  • Nach der Anwendung

Bei einem chemisch reaktiven System laufen nach dem Ausspritzen aus der Kartusche unter Zutritt von Luftfeuchtigkeit chemische Reaktionen ab, die zu einer Vernetzung/Verfestigung der ausgespritzten Dichtstoffmasse führen. Bei den hier besprochenen 1-komponentigen Systemen handelt es sich jeweils um Kondensationsreaktionen, bei denen – je nach zugrundeliegender Basischemie – unterschiedliche kleine Moleküle (Kohlendioxid (CO2), Wasser, Alkohole, Essigsäure etc.) abgespalten werden. Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt ab von der Temperatur der Umgebung und der Menge an Wasserdampf in der Luft. Je höher die Umgebungstemperatur, desto schneller läuft eine chemische Reaktion ab. Meist ist bei höherer Temperatur auch eine höhere Luftfeuchtigkeit gegeben, was zu einer weiteren Beschleunigung der Aushärtereaktion, die mit der Hautbildung beginnt, führt. Bei kühlem trockenem Wetter dauert Aushärtung und Hautbildung deutlich länger als zum Beispiel im mitteleuropäischen Sommer. Dies muss bei Abdichtoperationen jeweils berücksichtigt werden, das heißt im Sommer muss der Dichtstoff relativ rasch abgeglättet werden, vor dem Einsetzen der Hautbildung, sonst wird die Oberfläche nicht glatt. Im Winter kann man sich mit dem Abglätten mehr Zeit lassen; allerdings ist die Haut dann auch länger klebrig.

Physikalisch reaktive Dichtstoffe verändern sich nur physikalisch, zum Beispiel durch Abkühlen nach dem Aufschmelzen, durch Verlust von Lösungsmittel oder Verlust von Wasser. Es finden keinerlei chemische Reaktionen innerhalb des Dichtstoffes oder zwischen Dichtstoff und Substrat statt.

Nicht reaktive Dichtstoffe sind im Auslieferungs- und Anwendungszustand identisch. Es findet keine Reaktion statt.

Chemisch reaktive Dichtstoffe

Reaktiver Dichtstoff mit Intumeszenz in der Grand-Coulee-Talsperre. Unsachgemäße Abschottung in einer Betonwand mit einer 2-stündigen Brandrate durch einen flüssigen Dichtstoff (CP25). Im Brandfall schäumt der Natriumsilikat enthaltende Dichtstoff auf.

Silikone

Die bekanntesten Silikondichtstoffe, allesamt luftfeuchtigkeitshärtend, lassen sich einteilen in die Acetatsysteme, Amin/Aminoxysysteme, Oximsysteme, Benzamidsysteme und Alkoxysysteme.

Am bekanntesten ist das Acetatsystem, welches beim Aushärten Essigsäure abspaltet („essigvernetzend“). Es zeichnet sich durch eine sehr hohe Stabilität (Hitze, UV-Strahlung, Bewitterung) aus, sowie durch gute Haftung zu mineralischen Untergründen wie Glas, Email, Porzellan und auch eloxiertem Aluminium. Die Acetatsysteme werden in großem Umfang bei Innenausbau von Häusern im Sanitärbereich verwendet und stellen für den Laien wahrscheinlich den Inbegriff eines „Silikons“ dar.

Die Amin/Aminoxysysteme weisen beim Aushärten einen charakteristischen, fischartigen Geruch auf. Solange dieser eher unangenehme Geruch auftritt, ist er ein Zeichen dafür dass der Dichtstoff noch nicht vollständig ausgehärtet ist und also nicht belastet werden darf. Obwohl Amin- bzw. Aminoxysysteme zu äußerst stabilen Produkten führen, die auch bei kalter Witterung noch nennenswert durchhärten, sind sie am Markt nicht mehr häufig zu finden.

Ein ähnliches Schicksal teilen die Benzamidsysteme, die ebenfalls charakteristisch riechende Kondensationsprodukte abspalten. Sie werden noch im Fensterbau und für Spezialanwendungen eingesetzt.

Oximsysteme sind mittlerweile der Begriff für neutral aushärtende („neutralvernetzende“) Silikondichtstoffe geworden. Sie spalten chemisch relativ inerte Ketoxime ab, die auch empfindliche Substrate wie zum Beispiel in der Elektronikindustrie nicht angreifen. Überall dort, wo die chemisch aggressiveren Abspaltungsmoleküle wie Essigsäure und Amin nicht erwünscht sind, hat man mit Oximsystemen eine gute Chance, eine funktionierende Abdichtung zu gewährleisten. Die Diskussion um die mögliche Toxizität der Abspaltungsprodukte (MEKO) ist noch nicht abgeschlossen.

Die Alkoxysysteme sind eine der jüngeren Entwicklungen auf dem Gebiet der feuchtigkeitshärtenden Silikone. Sie spalten niedere Alkohole ab und riechen daher beim Aushärten kaum wahrnehmbar. Diesen Vorteil muss man sich mit dem Wegfall des „Geruchsindikators“ für vollständige Aushärtung erkaufen, den die älteren Systeme chemiebedingt noch in sich tragen. Alkoxyhärtende Silikone zeigen eine vielseitige Haftfähigkeit, auch auf diversen Kunststoffen, Lacken und Beschichtungen.

Polyurethane

Dichtstoffe auf Basis Polyurethan härten an feuchter Luft unter Abspaltung von wenig Kohlendioxid. Sie werden bei Abdichtoperationen in der Transportindustrie (Autoreparatur, Wohnwagenreparatur und im Metallbau) in großem Umfang eingesetzt. Neben ihrer Dichtwirkung sind sie auch als elastische Klebstoffe zu gebrauchen, zum Beispiel um Solarmodule auf Wohnwagendächer zu kleben. Weiche Polyurethandichtstoffe werden in großen Mengen zur Abdichtung von Hochbaufugen (nach DIN 18540) verwendet. Im Gegensatz zu den Silikonen können allerdings bei Sonneneinstrahlung auf helle Formulierungen Vergilbungen auftreten.

Dichtstoffe auf Basis silanmodifizierter Polymere (SMP)

Silanmodifizierte Polymere als Grundstoff dieser Dichtstoffsysteme sind neutral aushärtende Polymere, welche bei Feuchtigkeitszutritt Alkohol abspalten. Damit lassen sich UV-stabile, auf den meisten Substraten primerlos haftende Dichtstoffe und elastische Klebstoffe formulieren. Interessant an dieser Technologie ist die Tatsache, dass der Primer (Primer = Haftvermittler für schwierige Untergründe), der normalerweise separat aufgetragen werden muss, in den Dichtstoff eingebaut ist. Der Dichtstoffauftrag beinhaltet also eigentlich zwei Arbeitsgänge, nämlich Primerauftrag und Dichtstoffauftrag selbst. Die universelle Einsetzbarkeit und die geschilderten Vorteile sind der Grund für die wachsende Bedeutung dieser Dichtstoffklasse in der Transportindustrie, in der Reparatur und mittlerweile auch in ersten Do-it-yourself-Anwendungen. Dichtstoffe auf Basis von SMP sind je nach genauer Rohstoffbasis unter verschiedenen Bezeichnungen im Markt (z.B. MS-Polymer, Hybrid-Polymer, PUSI, SPUR und andere).

Polysulfide

Die Polysulfidtechnologie ist die älteste reaktive Dichtstofftechnologie. 2-komponentige Polysulfiddichtstoffe (Polysulfide), die sehr medienresistent sind, wurden und werden bei der Verglasung von Holzfenstern verwendet. Da sie doch ziemlich intensiv nach Schwefelverbindungen riechen, konnten sie sich in Innenraumanwendungen kaum durchsetzen. Bei Polysulfiddichtstoffen gibt es dagegen nennenswerte Anwendungen insbesondere im 2-komponentigen Bereich, wo Polysulfide zum Abdichten von Fugen im Tankstellenbereich und zur Herstellung von Isolierglas in großem Umfang als sog. Sekundärdichtung verwendet werden. Aufgrund ihrer hervorragenden Treibstoffbeständigkeit und sehr guten Kälteflexibilität finden die Polysulfiddichtstoffe breite Anwendung im Flugzeugbau. So werden die Verbindungselemente der Treibstofftanks in den Tragflächen eines Flugzeugs sowie die Rumpfstruktur mit Zwischenlagen- und Raupendichtmassen abgedichtet.

Chemisch nicht reaktive Dichtstoffe

Butyldichtstoffe

Sie beruhen auf der Basis von Butylkautschuk, sind mehr oder minder dauerklebrig und kommen vorwiegend in Form von Bändern, Schnüren oder Stanzlingen in den Handel. Diese Produkte werden vielfach im Metallbau (Blechbau, Lüftungsbau oder Heizungsbau) eingesetzt. Da die Butyldichtstoffe keine Kräfte übertragen können, weil sie dauerplastisch sind, müssen die einzelnen Substrate mechanisch miteinander verbunden sein. In der Automobilindustrie werden Butyldichtstoffe aus Fassschmelzanlagen verarbeitet und zum Abdichten zwischen zwei Blechen verwendet, die zum Beispiel durch Punktschweißen miteinander verbunden werden. Butyldichtstoffe sind sehr unpolar und haften auf den meisten polaren und unpolaren Untergründen ohne Vorbehandlung.

Lösemittelhaltige Dichtstoffe

Setzt man Butyldichtstoffen (und auch solchen, die auf anderen Polymeren beruhen) einen gewissen Anteil Lösemittel zu, kommt man zu sehr gut verarbeitbaren Produkten. Sie fließen beim Ausspritzen ohne großen Druck an den Untergrund an, benetzen ihn und bauen in der Regel eine gute Haftung auf, auch zu unpolaren Substraten. Durch den Verlust an Lösemittel beim Trocknen können sich leicht konkave Oberflächen ergeben.

Dispersionsdichtstoffe

Auf der Basis von Acrylatdispersionen lassen sich wasserhaltige, exzellent verarbeitbare Dichtstoffe formulieren. Sie haften auf vielen mineralischen oder metallischen Untergründen, auf manchen Kunststoffen und Lacken und werden vielfach in der Bauindustrie eingesetzt. Durch den Verlust an Wasser beim Trocknen (das ist witterungsabhängig) schrumpft ein Acrylatdichtstoff um bis zu 25%. Da Acrylatdichtstoffe plastoelastisch sind, das heißt sowohl elastische als auch plastische Verformung zeigen, kann man sie zum Abdichten von Setzfugen gut verwenden, denn sie geben nach, wenn sich die Fuge noch leicht bewegt.

Literatur

  • E. Baust: Praxishandbuch Dichtstoffe, IVD, 5. Auflage, keine Jahresangabe, HS Publications, Düsseldorf
  • M. Pröbster: Moderne Industrie-Dichtstoffe, Vulkan Verlag, Essen, 2006
  • M. Pröbster: Baudichtstoffe, Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden, 2008, ISBN 3-8348-0290-5

Siehe auch

Weblinks


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