Die Geschichte vom Ulmer Spatz

Die Geschichte vom Ulmer Spatz
„Ulmer Spatz“: das Original von 1858 vom Münsterdach befindet sich heute im Ulmer Münster nahe dem Eingang in einer Vitrine

Der Ulmer Spatz ist ein Wahrzeichen Ulms.

Der Sage nach sollen die Ulmer beim Bau des Münsters einen besonders großen Balken angekarrt haben. Sie schafften es aber nicht, ihn durch das Stadttor zu bringen. Als sie kurz davor waren, das Tor einzureißen, sahen sie einen Spatzen, der einen Zweig im Schnabel trug, um diesen in sein Nest einzubauen. Und dieser Spatz flog mit dem Zweig längs durch das Tor. Da ging dann wohl auch den Ulmern ein Licht auf, und sie legten den Balken der Länge nach auf ihren Karren und nicht quer, wie bisher.

Diese Sage ist nicht vor dem zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts nachweisbar.

Inhaltsverzeichnis

Die Geschichte vom Ulmer Spatz

Anno dazumal vor vielen Jahren
Ist den Ulmern folgendes widerfahren:
Zu allerlei Bauten in der Stadt
Man Rüst- und Bauholz nötig hat',
Doch wollt es den Leuten nicht gelingen
Die Balken durchs Tor hereinzubringen,
Und doch war reiflich die Sach' überlegt
Das Holz in die Quer' auf den Wagen gelegt;
Das Tor war zu eng, die Balken zu lang,
Dem Stadtbaumeister ward angst und bang.


Viel gab es hin und her zu sprechen:
Und ungeheures Kopfzerbrechen,
Ja, selbst der hohe Magistrat
Wusste für diesen Fall nicht Rat,
Er mochte in alle Bücher sehen,
Der Casus war nirgends vorgesehen,
Der Bürgermeister selbst sogar
Hier ausnahmsweise ratlos war.
Ihm, der doch alles am besten weiß,
Machte die Sache entsetzlich heiß.
Und stündlich wuchs die Verlegenheit,
Da - begab sich eine Begebenheit
Von den klügsten einer ein Spätzlein schauet,
Das oben am Turm sein Nestlein bauet,
Und einen Halm, der sich in die Quer'
Gelegt hat vor sein Nestchen her,
Mit dem Schnäblein - und das war nicht dumm
An der Spitze wendet zum Nest herum,
„Das könnte man“, ruft der Mann mit Lachen,
„Mit dem Balken am Tore ja auch so machen!“.


Man probierts und es ging. - Den guten Gedanken
Hatten die Ulmer dem Spätzlein zu danken:
Sie stünden wohl heute noch an dem Tor
Mit dem balkenbeladenen Wagen davor,
Oder hätten, ohne des Spätzleins Wissen,
Gar den Turm auf den Abbruch verkaufen müssen.
Zum Danke dem Spatzen ist heut noch zu schauen
Hoch am Münster sein Bild in Stein gehauen:
Auch seitdem beim echten Ulmerkind
Die Lieblingsspeise „Spätzle“ sind.
Carl Hertzog, 1842

Entstehung der Sage

Der „Spatz“ auf dem Hauptschiff des Ulmer Münsters trägt tatsächlich einen Strohhalm in seinem Schnabel. Es handelt sich jedoch hier eigentlich um eine von reichen Ulmer Bürgern gespendete Taube (mit einem Ölzweig im Schnabel, vgl. die Biblische Geschichte von der Arche Noah). Die Taube ist etwas klein geraten. Von Ferne kann man nicht sehen, dass es sich überhaupt um eine Taube handeln soll. Auch der Ölzweig ist nur zu erkennen, wenn man den Turm des Münsters besteigt. Daraus ist - so eine gängige und durchaus glaubwürdige Theorie - die Geschichte vom Ulmer Spatz entstanden: Aus der viel zu klein geratenen Taube auf dem großen Münster wurde spöttisch ein Spatz. Im Laufe der Zeit entstand dann die Geschichte dazu, warum wohl die Ulmer einem Spatz auf ihrem Münster ein Denkmal gesetzt haben.

„Ulmer Spatz(en)“ bezeichnet weiterhin: (Auswahl)

  • Ein Gebäck, welches aus einem Teig-Knoten besteht, der mit Lauge überzogen ist, also einer Brezel sehr ähnlich ist.
  • Ein Markenzeichen für Produkte zur Herstellung von Brot- und Brötchenspezialitäten [1].
  • Einen Schienenbus, der am Wochenende von Ulm aus über die Donautalbahn und Schwäbische Albbahn auf die Schwäbische Alb fährt.
  • Ein restauriertes Nostalgie-Fahrgastschiff, welches Schiffsrundfahrten auf der „Oberen Donau“ unternimmt.
  • Ein Kinder- und Jugendchor, der sich nach diesem Spatz als „Ulmer Spatzen“ nennt.
  • „Ulmer Spatz“ ist schließlich ganz allgemein zu einer Art Spitznamen für die Einwohner von Ulm und für die Fußballer des SSV Ulm 1846 geworden.

Trivia

Der „Ulmer Spatz“ wurde unter Münsterbaumeister Ferdinand Thrän aus Sandstein gefertigt und 1858 auf dem Langhaus des Münsters angebracht. Dieser wurde 1888 abgenommen und 1889 durch einen kupfernen und vergoldeten Spatzen ersetzt. Das Original von 1858 befindet sich heute im Ulmer Münster unweit des Eingangs an der Südwand in einer Vitrine.

2001 wurde zur Erhaltung eines Münsterturmes (Südturm) eine Aktion gestartet, die „Spatzeninvasion“ genannt wurde. Die Spatzenrohlinge wurden von Künstlern und anderen gestaltet und überall in der Stadt aufgestellt. Am Ende der Aktion wurden einige Spatzen versteigert. Andere blieben Eigentum der Auftraggeber und Spender. Wenn man aufmerksam durch Ulm läuft, wird man an einigen Plätzen noch Reste der Ulmer Spatzeninvasion finden können (z.B.: an der Musikschule, an der Gaststätte/Hotel „Ulmer Spatz“ nahe dem Münster, an einem Juwelier- und an einem Modegeschäft).

Populär bei Ulmern ist der „Schlachtruf“ - etwa zum Anfeuern einer heimischen Mannschaft -: „Ulmer Spatza, Wasserratza, hoi, hoi, hoi !“ . Dies jedoch vor allem am Ulmer Stadtfeiertag Schwörmontag, ein Fest, das sich zu einem großen Teil auf und im Wasser der Donau abspielt.

Einzelnachweis

  1. Webseite Meistermarken Ulmr Spatz

Weblinks

Henning Petershagen: Der Ulmer Spatz, in:ulm.de


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