- Die Israel-Lobby und die amerikanische Außenpolitik
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The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy (dt. Die Israel-Lobby und die amerikanische Außenpolitik) war eine Publikation der prominenten Politikwissenschaftler John Mearsheimer und Stephen Walt aus dem Jahre 2006. In ihr stellten die Autoren die These auf, dass eine seit Ende der 60er Jahre konstatierte, weitgehend vorbehaltlose Unterstützung Israels durch die USA den Interessen der Vereinigten Staaten zuwiderlaufe und letztendlich beiden Staaten schade. Die Veröffentlichung des Artikels löste in vielen Ländern eine Kontroverse aus, da die Autoren das Wirken einer proisraelischen Lobby in den USA von der Abkehr von rein amerikanischen Interessen verantwortlich machten.
Der Artikel wurde ursprünglich im Jahre 2002 von der Zeitschrift The Atlantic Monthly in Auftrag gegeben, die aber schließlich den Abdruck verweigerte. Im März 2006 wurde der Text im London Review of Books abgedruckt. Eine erweiterte Fassung erschien am 4. September 2007 in Buchform, zeitgleich in Englisch und in deutscher Übersetzung. Der folgende Text befasst sich mit dem 2006 erschienen Zeitschriftenartikel.
Inhaltsverzeichnis
Theoretischer Hintergrund
Mearsheimer, Begründer einer Untertheorie in seiner Disziplin, und Walt, der an der Harvard University lehrt, näherten sich dem Thema vom Standpunkt des Realismus in den Internationalen Beziehungen, einem Teilgebiet der Politikwissenschaft, an. Diese Denkschule sieht den Erhalt und eventuelle Zugewinne von Macht als Triebfeder des internationalen Staatenwesens an. Dabei sieht der Realismus von moralischen Erwägungen weitestgehend ab, „[d]as nationale Interesse sollte an erster Stelle der US-Außenpolitik stehen.“[1]
Thesen
Vor diesem theoretischen Hintergrund bemühen die Autoren den zentralen Argumentationsansatz, dass die derzeitige Nahostpolitik der Vereinigten Staaten nicht die tatsächlichen Interessen ihres Landes verfolge. So könnte man annehmen, „daß das Band zwischen den beiden Ländern auf gemeinsamen strategischen Interessen gründet oder auf der Erzwingung moralischer Imperative“. Mearsheimer und Walt versuchen jedoch aufzuzeigen,, dass „keine dieser Begründungen die bemerkenswerten Höhe materieller und diplomatischer Unterstützung der USA für Israel hinreichend erklären“ könne.[1] Für die Verzerrung des amerikanischen Eigeninteresses machen die Autoren einen „losen Zusammenschluß [sic!] von Einzelpersonen und Organisationen“ verantwortlich, „die aktiv daran arbeiten, der US-Außenpolitik eine pro-israelische Richtung zu geben“.[1]
Diese These stützen sie mit drei wesentlichen Argumenten. Erstens habe der strategische Wert Israels für die Vereinigten Staaten seit dem Ende des Kalten Krieges abgenommen, zweitens schwinde die Rechtfertigung für die vorbehaltlose moralische Unterstützung Israels zusehends und drittens habe der Einfluss proisraelischer Gruppen unabhängig von der außenpolitischen Entwicklung stetig zugenommen.
Den strategischen Nutzen Israels zweifelt das Autorenpaar in zweierlei Hinsicht an. Bereits „Israels strategischer Wert während [des Kalten Krieges] sollte [...] nicht übertrieben werden“[1], wie dies implizit proisraelischen Meinungsäußerungen angelastet wird. Danach wurde Israel „zu einer strategischen Belastung“. Anders als die als bedrohlich empfundene Sowjetunion taugt der Terrorismus ihnen zufolge als „Taktik“ nicht dazu, die Gegenspieler im Nahen Osten zu einen. Die häufig angeführte unverückbare Loyalität Israels zweifeln sie ebenfalls an.
Auch die normativen Gründe, die sie häufig für die Unterstützung Israels angeführt sehen, bestreiten Mearsheimer und Walt. Die Existenz Israels sei berechtigt und unterstützenswert, aber nicht in akuter Gefahr. Darüber hinausgehende Begründungen wie das demokratische Staatswesen, Sicherheitsinteressen und der Holocaust verlören angesichts der israelischen Geschichte und Innen- sowie Besatzungspolitik an Glaubwürdigkeit und würden die Beziehungen zu arabischen Staaten belasten. So würden das israelische und das amerikanische Demokratieverständnis in einigen Punkten stark divergieren und der anhaltende Siedlungsbau im Westjordanland gegen wiederholte amerikanische Verlautbarungen verstoßen. Darüber hinaus sei das Argument allein deswegen hinfällig, weil die Vereinigten Staaten aus Staatsräson wiederholt auch nichtdemokratische Regierungen unterstützt hätten.
Einer eingehenden Untersuchung unterziehen die Autoren im Großteil des Papiers den Einfluss der „Israel-Lobby“. Dabei wiesen Mearsheimer und Walt im Artikel und in öffentlichen Auftritten die Anschuldigung zurück, sie würden einer antisemitischen Verschwörungstheorie über den Einfluss einer jüdischen Lobby in den USA das Wort reden. Mehrfach betonten sie die Vielfalt proisraelischer - jüdischer wie nichtjüdischer - Lobbyarbeit von gemäßigten bis zu konservativen Individuen und Organisationen. Dabei verglichen sie die prominenteste Gruppe, das American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) mit anderen Großlobbyisten wie der Pensionärsvertretung AARP, die National Rifle Association oder die Farmervertretung AFBF und bei außenpolitischen Gruppierungen mit der Lobby der Exilkubaner. In einer Podiumsdiskussion am MIT bedauerten die Autoren, ihr Schlagwort „Israel-Lobby“ anstelle von „Pro-Israel-Lobby“ oder gar „Pro-Likud-Lobby“ beibehalten zu haben.
Rezeption in Deutschland
In Deutschland führte das Buch zu einer Kontroverse zwischen Alan Posener und Lorenz Jäger. Posener kritisierte das Buch scharf. Die beiden Wissenschaftler stellten „nicht nur die Fakten auf den Kopf, sondern bedienen lauter antisemitische Vorurteile“. Dass es in Amerika eine pro-israelische Lobby gibt, hält Posener für unbestritten. Dieser aber maßgeblichen Einfluss auf die Außenpolitik der USA beizumessen, gehöre in den Bereich der Verschwörungstheorie.[2] Lorenz Jäger kritisierte wiederum Poseners negative Rezension. Verschwörungstheorie sei „ein Kampfbegriff, mit dem man Erstsemester erschrecken kann“. Es könne nicht sein, „dass die Soziologie bestimmter Akteure von der Erforschung ausgenommen sein soll“[3].
Verweise
Literatur
- John Mearsheimer, Stephen Walt: The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy, The London Review of Books, 23. März 2006 (englisch)
- John Mearsheimer, Stephen Walt: Die Israel-Lobby: Wie die amerikanische Außenpolitik beeinflusst wird, übersetzt von Lutz Forster, 27. April 2006
- John Mearsheimer, Stephen Walt: Die Israel-Lobby: Wie die amerikanische Außenpolitik beeinflusst wird. Campus Verlag, 2007 ISBN 3-5933-8377-2
- Johannes Thimm: Der Streit um die „Israel-Lobby“ in den USA. Mearsheimer und Walt in der Kritik, 1. Halbjahr 2006, in: SWP-Zeitschriftenschau, Ausgabe 4, Juni 2006. ISSN 1611-6380
Weblinks
- Conversations With History. Interview Harry Kreislers von der UC Berkeley mit Walt und Mearsheimer (englisch)
- Podiumsdiskussion inklusive der Autoren am MIT (englisch)
- Christian Hacke: Antisemitismus oder Tabubruch? „Die Israel-Lobby“ - Wie die amerikanische Außenpolitik beeinflusst wird. Rezension in: Die ZEIT, Nr. 37, 6. September 2007
- Michael Bröning: Rezension in Internationale Politik und Gesellschaft, Ausgabe 1/2008, S. 131 - 134
- Briefe der Autoren an London Review of Books: Vol. 28 No. 7, Vol. 28 No. 8, Vol. 28 No. 9, Vol. 28 No. 10, Vol. 28 No. 11, Vol. 28 No. 12
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Mearsheimer, Walt 2006
- ↑ Alan Posener: Antisemitische Verschwörungstheorie, Deutschlandradio Kultur, 7. September 2007
- ↑ Verschwörungstheoretiker! Antisemiten! Debatte von Alan Posener und Lorenz Jäger
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