Die zwölf Imame

Die zwölf Imame

Die Imamiten oder Zwölfer-Schiiten (von arabisch Schi'at Ali = "Partei Alis") sind die größte Gruppe der Schiiten, die eine der drei ursprünglichen Glaubensrichtungen des Islam darstellen. (Siehe auch Sunniten und Charidschiten). Ihre Anhänger, die Imamiten, betrachten Ali ibn Abi Talib als rechtmäßigen Nachfolger (Kalifen) des Propheten Mohammed.

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

Die Schiiten haben ihr ursprüngliches Zentrum im Irak. Mehr als die Hälfte der Iraker (ca.60%), vor allem im Süden des Landes, sind Schiiten. Mit Gründung der arabischen Kolonie Qom im 8. Jahrhundert breitete die Schia sich auch in den Iran aus, der heute mit 91% seiner Bevölkerung den höchsten Anteil an Schiiten hat. Imamitische Schiiten gibt es u.a. auch in:

  • Libanon (36% der Bevölkerung; größte einzelne Glaubensgemeinschaft des Landes)
  • Afghanistan (20% der Bevölkerung)
  • Türkei (15-35% der Bevölkerung, wenn die Aleviten als Untergruppe des Schiitentums verstanden werden, was allerdings in der Alevitischen Gemeinschaft und auch unter Religionswissenschaftlern sehr umstritten ist)
  • Saudi-Arabien
  • Bahrain (Bevölkerungsmehrheit)
  • Aserbaidschan (Bevölkerungsmehrheit)
  • Indien
  • Pakistan (20% der Bevölkerung; zweitgrößte schiitische Gemeinde der Welt nach dem Iran)

Weltweit sind es ca. 110 Millionen.

Glaubenslehre

Kerngedanke der schiitischen Religion in ihrer imamitischen Form ist der Glaube an die Vierzehn Unfehlbaren: Der Prophet Mohammed, dessen Tochter Fatima und die zwölf Imame. Die Schiiten beziehen sich dabei auf den Vers 33:33 des Koran, in dem es heißt: "...Siehe, Allah will euch von jedem Übel bewahren, o Leute des Hauses (Ahl-ul Bait), und euch völlig reinhalten." Mit der Ahl-ul Bait seien die Vierzehn Unfehlbaren gemeint. Die zwölf Imame der Imamiten sind:

  1. Ali ibn Abi Talib (Ali) († 661)
  2. Hasan ibn 'Alī (al-Hasan) († 669)
  3. Hussein ibn-Ali (al-Husain) († 680)
  4. Ali Zain al-Abidin († um 713)
  5. Muhammad al-Baqir († um 733)
  6. Dschafar al-Sadiq († 765), Begründer der Dschafaritischen Rechtsschule
  7. Musa al-Kazim († 799)
  8. Ali al-Rida († 818)
  9. Muhammad al-Taqi († 835)
  10. Ali an-Naqi († 865)
  11. al-Hasan al-Askari († 873)
  12. Muhammad al-Mahdi

Der zwölfte, verborgene Imam Muhammad al-Mahdi – dessen Existenz als historische Person in der Wissenschaft umstritten ist – ist nach Ansicht der Zwölfer-Schiiten nicht gestorben, sondern wurde von Gott entrückt und lebt seitdem in Verborgenheit. Die Zwölfer-Schiiten glauben, dass er dereinst wiederkehren wird, um die Mission des Propheten zu vollenden und ein Reich der Gerechtigkeit auf Erden zu errichten. Dieser zwölfte Imam ist im Glauben der imamitischen Schiiten das einzig legitime Oberhaupt der Muslime (in der heutigen Verfassung des Staats Iran ist er deshalb auch eigentliches Staatsoberhaupt). Der Klerus herrscht nach dieser Auffassung nur in Stellvertretung des zwölften Imans (Wilayat-e Faqih) bis zu dessen Wiederkehr aus der Verborgenheit.

Eine Besonderheit bei den Imamen ist ebenfalls ihre persische Abstammung. Islamischen Überlieferungen zufolge heiratete Hussein ibn Ali eine Tochter Yazdegards III., des letzten sassanidischen Königs. Aus dieser Ehe entstammte Ali Zain al-Abidin. Damit sind die Imame der Schiiten nicht nur Nachkommen des Propheten Mohammed, sondern auch der persischen Könige, die von sich behaupteten "Gottes Stellvertreter auf Erden ..." zu sein – etwas, was die heutigen Schiiten ihren Imamen zuschreiben. Dies mag ein Grund dafür sein, warum der schiitische Islam im persischen Sprach- und Kulturkreis so stark vertreten ist.

Charakteristisch für die Schia ist der Gedanke des Büßertums, der sich vor allem in den Aschura-Riten zum Gedenken an die Ermordung des dritten Imams Hussein ibn-Ali in der Schlacht von Kerbela ausdrückt. In den 10-tägigen Muharram-Passionsfeiern geißeln sich viele Gläubige und klagen über die unterlassene Hilfe, die Hussein ibn-Ali das Leben kostete. Die Passionsfeiern bilden den wichtigsten Teil des schiitischen Festtagskalenders und einen alle Schiiten im Gedenken an Hussein ibn-Ali.

Klerus

Die Hierarchie des Shia-Klerus:

  1. Mohammed und die Imame
  2. Marja-e taqlid-e motlaq (Absolute Instanz der Nachahmung)
  3. Groß-Ayatollah
  4. Ayatollah
  5. Hodschatoleslam (Autorität des Islam)
  6. Einfache Geistliche, Studenten

Der Aufstieg zu einem Groß-Ayatollah ist für einen schiitischen Geistlichen ein langer und beschwerlicher Weg. Als Student durchläuft man drei Stufen. Die muqaddima-Stufe (4-5 Jahre; Arabisch lernen, islamisches Recht), die sath-Stufe (5 Jahre; islam. Rechtswissenschaft (Fiqh), Philosophie) und die kharij-Stufe (ca. 8 Jahre). Erst wenn ein Lehrmeister den Reifestatus erteilt, wird man zur Autorität des Islam. Weitere Jahrzehnte vergehen mit dem Studium der Rechtswissenschaften auf dem Weg zum Groß-Ayatollah. Die Geistlichen sind die Rechtsprecher der Schiiten, wobei der Spruch eines Groß-Ayatollah nur von einem Marja nichtig gemacht werden kann. Jeder Gläubige sucht sich einen Groß-Ayatollah als "Quelle der Nachahmung" und lebt dessen Rechtsauslegung. Diese Wahl ist allerdings nicht bindend. Missfällt der Spruch eines Ayatollah, so ist es legitim sich einen anderen zu suchen. Stirbt eine "Quelle der Nachahmung", so werden all ihre Rechtssprüche unwirksam. Die Gläubigen entrichten einen Teil ihres Geldes an ihren Ayatollah, womit u.a. die Lehre bezahlt wird. Die Macht eines Geistlichen misst sich an der Anzahl der Gläubigen, die ihm folgen. Die Besetzung der höchsten Würde unterhalb des Propheten und der Imame, des Postens eines Marja-e taqlid kommt nur vor, wenn alle Groß-Ayatollah einen aus ihrer Mitte einstimmig als höher in Frömmigkeit und Weisheit ansehen. Zuletzt besetzte Groß-Ayatollah Borujerdi († 1962) dieses Amt.

Geschichte

Nach dem Tode des Propheten Mohammed wurde Ali, den nach Ansicht seiner Anhänger Mohammed persönlich als Nachfolger designiert hatte, übergangen und Abu Bakr wurde zum Kalifen gewählt, während Ali und seine Familie noch mit der Bestattung des Propheten beschäftigt waren. Kurz vor dem Tod Abu Bakrs wurde Omar nicht gewählt, sondern direkt zum Kalifen ernannt. Und schließlich, nach Omars Tod, wurde Uthman von einem Gremium von loyalen Anhängern Omars, die Omar selbst ernannt hatte, zum Kalifen gewählt. Nach der Ermordung des dritten Kalifen eskalierte schließlich der Konflikt. Alis Anhänger erhoben ihn 656 zum Kalifen, er wurde jedoch nicht allgemein anerkannt.

Ein Schiedsgericht im Ort Adhruh sollte zwischen Ali und seinem Gegenspieler Mu'awiya aus dem Klan der Umayyaden entscheiden. Was das Gericht entschied, ist heute nicht mehr festzustellen, jedenfalls ließ sich Mu'awiya 660 ebenfalls zum Kalifen proklamieren. Mu'awiya verbündete sich mit Mohammeds Witwe Aischa und erklärte Ali den Krieg. Ali konnte zwar die Schlacht gewinnen, sich aber nicht gegen die Macht der reichen Umayyaden durchsetzen.

Ein halbes Jahr später fiel Ali der Blutrache zum Opfer. Mu'awiya überlebte durch Zufall. Damit war die Herrschaftsfrage zugunsten der Umayyaden entschieden.

Hassan, einer von Alis Söhnen aus der Ehe mit Fatima, der Prophetentochter, der von den Schiiten als der zweite Imam angesehen wird, verzichtete auf eine Konfrontation mit Mu'awiya. 680 wollte hingegen sein Bruder Hussein sich die von ihm als Tyrannei verstandene Herrschaft des Mu'awiya nicht mehr gefallen lassen und kämpfte gegen Mu'awiyas Sohn Yazid, um den - seiner Ansicht nach - wahren Glauben des Islam wieder einzuführen. In Kerbela, einem kleinen Flecken in der Nähe des Euphrat, kam es am 10. Muharram 680 zu der von den Schiiten und Sunniten als Massaker angesehenen Schlacht von Kerbela, in der die Truppen Yazids, 24000 an der Zahl, gegen insgesamt 72 Mann einschließlich Hussein und dessen Familie vorgingen und ihn mit fast allen seinen Begleitern töteten. Husseins Kopf wurde aufgespießt und als Warnung an andere Rebellen nach Damaskus gebracht. Dieses Ereignisses gedenken die Zwölfer-Schiiten an Aschura.

Siehe auch

Andere schiitische Gruppierungen

Mit den Schiiten verwandte Gruppen

Literatur

  • Heinz Halm: Die Schia. Darmstadt 1988, ISBN 3-534-03136-9
  • Wilfried Buchta: Schiiten. Kreuzlingen/München 2004, ISBN 3-7205-2491-4

Weblinks


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