- Digitalis purpurea
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Roter Fingerhut Systematik Klasse: Dreifurchenpollen-
Zweikeimblättrige (Rosopsida)Unterklasse: Asternähnliche (Asteridae) Ordnung: Lippenblütlerartige (Lamiales) Familie: Wegerichgewächse (Plantaginaceae) Gattung: Fingerhüte (Digitalis) Art: Roter Fingerhut Wissenschaftlicher Name Digitalis purpurea L. Der Rote Fingerhut (Digitalis purpurea) ist eine Staude aus der Pflanzengattung der Fingerhüte (Digitalis) in der Familie der Wegerichgewächse (Plantaginaceae). Die Bezeichnung Digitalis (v. lat. digitus „Finger“) bezieht sich auf die charakteristische Blütenform.
Fingerhut ist in allen Bestandteilen hochgiftig. Bereits der Verzehr von zwei Blättern kann zu einer tödlichen Vergiftung führen. Der Rote Fingerhut wurde 2007 zur Giftpflanze des Jahres gewählt.
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Der Rote Fingerhut ist eine zweijährige, krautige Halbrosettenpflanze, seltener ausdauernd und aus den basalen Achselknospen wieder austreibend. Im ersten Jahr bildet sie eine Grundblattrosette, aus der im Folgejahr ein bis zu 150 cm hoher Spross treibt, der oberwärts mit purpurrot-violetten oder selten weißen, bis 6 cm langen, fingerhutähnlich geformten Blüten besetzt ist. Die unteren Blätter sind lang gestielt und besitzen einen keilig verschmälerten Grund, die oberen sind ungestielt. Sie sind am Rand kerbig gesägt und unterseits grauweiß behaart. Die Blattstellung ist spiralig, das sechste Blatt steht genau über dem ersten, was bei zwei Umläufen einem Divergenzwinkel von 144 Grad entspricht.
Blütezeit: Juni-August.
Blütenbiologie
Die Blütentrauben sind durch Orientierung zum Licht hin einseitswendig (positiv phototrop). Steht der Fingerhut in der vollen Sonne, weisen seine Blüten nach Süden. Die Einzelblüten sind schräg abwärts gerichtet. Es handelt sich um „Rachenblumen“ mit der Innenwand dicht anliegenden Staubbeuteln und Narben. Der Eingang in die Blüten wird kleineren Insekten durch senkrecht hochstehende Sperrhaare verwehrt; gewöhnlich können nur Hummeln eindringen („Einkriechblume"). Ihnen dient der vorstehende untere Teil der Blütenglocke als Landeplattform. Wenn das Insekt zum Nektar vordringt, streift es die Staubgefäße mit dem Rücken, der dabei mit Pollen beladen werden kann. Die Blüten sind vormännlich; sie erblühen an der Traube von unten nach oben. Wenn die unteren sich im weiblichen Stadium befinden, sind die oberen erst im männlichen Stadium. Da der Anflug von Blütenständen durch Hummeln immer von unten nach oben erfolgt, wird Fremdbestäubung sichergestellt. Die dunklen und hell umrandeten Flecken der Blüteninnenseite wurden früher als Saftmale gedeutet. Inzwischen konnte gezeigt werden, dass die Blüten bei Abdeckung der Flecken nur 1/5-mal so oft angeflogen werden; man deutet die Flecken daher heute als Staubbeutel-Attrappen. Die Lebensdauer der Blüten beträgt ca. 6 Tage. Zuweilen tritt eine monströse Riesenblüte auf (Pseudo-Pelorie). In den Blüten ist das Anthocyan Cyanin enthalten. Die Früchte sind Kapseln mit vielen kleinen Samen (Ballonflieger). Die Pflanze ist ein Wind- und Tierstreuer. Die Kapseln öffnen sich vor allem entlang der Scheidewände (septizid). Fruchtreife: VIII. Die Samen sind Lichtkeimer. Der Rote Fingerhut ist eine Langtagpflanze
Standorte und Verbreitung
Man findet den Roten Fingerhut zerstreut aber gesellig auf Kahlschlägen, vor allem des Gebirges, an Waldwegen und in Waldverlichtungen. Er bevorzugt frischen, kalkarmen, sauren, lockeren, humusreichen Boden an sonnigen bis halbschattigen Standorten. Nach Ellenberg ist er eine Halblichtpflanze, ein Mäßigwärmezeiger mit ozeanischer Verbreitung, ein Frischezeiger, ein Säurezeiger und eine Verbandscharakterart der Weidenröschen-Waldlichtungsfluren (Epilobion angustifolii).
Der Rote Fingerhut ist in Westeuropa sowie dem westlichen Süd-, Mittel- und Nordeuropa beheimatet. In Nord- und Südamerika ist er gebietsweise eingeschleppt. In Deutschland hat er sein natürliches Verbreitungsgebiet bis zum Harz und dem Thüringer Wald.
Seit dem 16. Jahrhundert ist er als Zierpflanze auch in den Gärten zu finden.
Verwendung in der Pflanzenheilkunde
Der Rote Fingerhut ist in der Volksmedizin schon lange als Mittel gegen Herzinsuffizienz (Herzschwäche) bekannt und wird seit dem späten 18. Jahrhundert medizinisch verwendet.
Der auffallenden Pflanze wurde weder im Mittelalter noch im Altertum große Bedeutung beigemessen. Eine Rezeptsammlung in walisischer Sprache aus dem 12. oder 13. Jahrhundert erwähnt erstmals eine äußerliche Anwendung der Blätter. Ein deutschsprachiges Kräuterbuch aus dem 16. Jahrhundert nennt eine enzianähnliche Wirkung. Tabernaemontanus wusste 1588 noch keine Anwendung für diese Pflanze:
- „Wozu diese Kreuter zu gebrauchen seyn/ finde ich nicht bey den Authorn.“
Verwendet hat man ihn jedoch zu dieser Zeit bereits in Irland, verbunden mit magischen Bräuchen sollte es gegen den „Bösen Blick“ helfen. Die Engländer verwendeten die Pflanze als Brechmittel, zur Förderung des Auswurfs bei Bronchitis und um 1700 sogar gegen die Schwindsucht. 1748 zeigten Versuche der Académie Française, dass nach Verfütterung von Fingerhut an Truthähne deren Herz, Leber, Gallenblase und Lunge geschrumpft waren. Das führte dazu, dass auch die Engländer den Fingerhut seltener anwendeten.
Erst der englische Arzt William Withering griff 1775 auf ein altes Familienrezept (zur Behandlung der Wassersucht) zurück und behandelte mit Blättern des Roten Fingerhuts erfolgreich Wasseransammlungen (Ödeme), die auf eine Herzschwäche zurückzuführen waren. Angeblich gestand ihm die Ehefrau eines seiner Patienten, dass sie eine Kräuterfrau um Hilfe gebeten hatte. Allerdings – so behauptet es die Legende – wollte die Kräuterfrau ihm nicht Namen und Wuchsort der Pflanze verraten; er ließ sie beobachten und fand, dass das Elixier der Kräuterfrau Digitalis erhielt. Von 1776 bis 1779 führte Withering eine Reihe von Experimenten an Dutzenden seiner Herzpatienten durch. Aufgrund seiner Beobachtungen schloss er auch, dass sich das Pflanzengift des Fingerhuts im Körper anreichert, da die Wirkung des Medikamentes bei längerer Verabreichung zunahm [1]. 1785 veröffentlichte er dann seine berühmte Abhandlung „An account of the Foxglove and its medical uses“. Diese Form der Therapie setzte sich jedoch anfänglich nicht durch und erst nach 1850 wurde Digitalis häufiger verschrieben. Dazu beigetragen hatten die Untersuchungen des französischen Arztes Drebeyne (1786–1867), der herausfand, dass Digitalis nicht nur harntreibend wirkt, sondern auch die Herztätigkeit stärkt. Der Chemiker Nativelle konnte 1868 dann den Wirkstoff isolieren. Weitere pharmakologische Untersuchungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führten dann zu einer Bestimmung einer Reihe weiterer Wirkstoffe in mit dem Roten Fingerhut verwandten Fingerhut-Arten. Man entdeckte außerdem, dass auch Pflanzenarten anderer Familien herzwirksame Substanzen – so genannte Digitaloide enthielten. Zu den Pflanzenarten, bei denen man vergleichbare Wirkstoffe feststellten, zählten das Maiglöckchen, der Oleander und die Christrose. Lediglich die Meerzwiebel zählte unter den in der Folge von Witherings Untersuchungen entdeckten Heilpflanzen zu den Arten, die bereits der Heilkunde der Antike bekannt waren.
Die Wirkstoffe des Fingerhuts sind Herzglykoside, die heute überwiegend aus dem Wolligen Fingerhut gewonnen werden. Herzglykoside regen den geschwächten Herzmuskel an, sich wieder stärker zusammenzuziehen. Im therapeutischen Einsatz von Digitalis steht der die Herzfrequenz senkende Effekt von Digitalis immer mehr im Vordergrund gegenüber der Stärkung der Herzleistung.
Wie norwegische Forscher festgestellt haben, wirken Fingerhutpräparate auch gegen Krebszellen.
Die Pflanze ist hochgradig giftig, bereits der Verzehr von zwei bis drei Fingerhutblättern kann tödlich enden. Aufgrund des bitteren Geschmacks kommt es allerdings selten dazu. Iatrogene (= durch ärztliche Maßnahmen hervorgerufene) Vergiftungen können im Rahmen einer Therapie vorkommen, da die Wirkungsbreite der Digitalisglykoside gering ist. Die ersten Anzeichen einer Vergiftung sind Übelkeit, Erbrechen, Ohrensausen, Schwindelanfälle und ein Sinken der Pulsfrequenz unter 50 Schläge pro Minute.
Fingerhut im Aberglauben
Den Sagen, besonders den englischen und irischen nach dient der Fingerhut dem Elfenvolk als Kopfbedeckung. Böse Feen sollen die Blüten einst als Handschuhe den Füchsen geschenkt haben, damit diese lautlos ihr Wesen in den Hühnerställen treiben konnten. Die Zeichnung der Blüten soll daher von den Fingerabdrücken der Unglück bringenden Feen herrühren.
Fingerhut in der Literatur
In Theodor Fontanes Roman Der Stechlin taucht der Fingerhut als Symbol des bevorstehenden Lebensendes auf:
Dubslav hielt die kleine Flasche gegen das Licht und tröpfelte die vorgeschriebene Zahl in einen Löffel voller Wasser. Als er sie genommen hatte, bewegte er die Lippen hin und her, etwa wie wenn ein Kenner eine neue Weinsorte probt. Dann nickte er und sagte: „Ja, Engelke, nu geht es los, Fingerhut.“
Fußnoten
- ↑ Jean Marie Pelt: Die Geheimnisse der Heilpflanzen, Verlag Knesebeck, München 2005, ISBN 3-89660-291-8, S. 106 ff
Quellen
- Philippi, G.: Scrophulariaceae, Braunwurzgewächse. In: Sebald, O., Seybold, S., Philippi, G. & Wörz, A. (Hrsg.): Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs, Band 5. – Ulmer, Stuttgart 1996. ISBN 3-8001-3342-3
Siehe auch
Weblinks
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