Dipl.-Dolm.

Dipl.-Dolm.

Ein Dolmetscher (früher auch Tolmetsch, im österreichischen Hochdeutsch auch heute Dolmetsch) ist ein Sprachmittler, der – im Gegensatz zum Übersetzer – gesprochenen Text mündlich oder mittels Gebärdensprache von einer Ausgangssprache in eine Zielsprache überträgt.

Das Dolmetschen ist zum einen durch die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes, zum anderen durch nonverbale (nicht-mündliche) Faktoren wie Gestik, Mimik, Intonation und allgemeine Körpersprache, aber vor allem auch durch Redegeschwindigkeit und -verständlichkeit geprägt.

Die Berufsbezeichnungen „Dolmetscher“ und „Konferenzdolmetscher“ sind – im Gegensatz zu Berufsbezeichnungen wie „Arzt“ oder „Notar“ – in Deutschland und in Österreich gesetzlich nicht geschützt, wodurch die Berufsausübung auch ohne eine entsprechende Prüfung möglich ist. Vor missbräuchlicher Verwendung geschützt sind aber mit bestimmten Abschlüssen oder Zulassungen verbundene Bezeichnungen wie „öffentlich bestellter und beeidigter Dolmetscher“, „staatlich geprüfter Dolmetscher“, „allgemein beeidigte Dolmetscherin“, „allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Dolmetscher“ usw., die je nach (Bundes-)Land variieren, sowie durch einen Hochschulabschluss erworbene Titel (etwa „Diplom-Dolmetscher“).

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Dolmetscher ist eines der wenigen ungarischen Lehnwörter im Deutschen (tolmács). Das Ungarische selbst hat das Wort aus dem Türkischen entlehnt (dilmaç, heute jedoch tercüman). Vergleichbare Wortformen zeigen Serbische/Kroatische/Bosnische (тумач/tumač), das Polnische (tłumacz) und das Tschechische (tlumočník).

Ausbildung und Geschichte

Zur Ausbildung (an Hochschulen oder – in Bayern – an Fachakademien) gehören unter anderem die Perfektionierung von Muttersprache und Arbeitssprachen, die Vermittlung von Dolmetschstrategien (beispielsweise der Notizentechnik für das Konsekutivdolmetschen) und von speziellen Fertigkeiten (Simultandolmetschen), die Einführung in Fachgebiete wie Recht, Wirtschaft, Technik oder Medizin und dolmetschwissenschaftliche Aspekte.

Während des Mittelalters tauschten sich Staaten, Wissenschaftler und Geistliche im Abendland in Latein aus. Soweit man z.B. durch die Kreuzzüge oder die Türkenkriege mit Menschen aus dem Morgenland in Verbindung trat, wurde auf eingeborene Sprachkundige (Dragomanen) zurückgegriffen, die oft religiösen Minderheiten, wie Juden oder andalusischen Christen, angehörten. Weil die Dragomanen persönlich oftmals unzuverlässig waren und sich auch als Spione verdingten, begannen die europäischen Staaten im 18.Jh. eigene Beamte als Stabsdolmetscher an Sprachknabeninstituten auszubilden. 1721 gründete Frankreich die École des jeunes de langue (die spätere École des langues orientales vivantes). Neben allgemeinbildenden Inhalten wurde Türkisch und Arabisch unterrichtet. Mit Vollendung der Studien wurden die Sprachknaben nach Konstantinopel befohlen und an der Iternuntiatur praktisch geschult. Österreich folgte 1754 mit der Orientalischen Akademie. Daneben traten wirtschaftliche Beweggründe, die in Europa zur Gründung von wirtschafts- und handelsorientierten Dolmetscherschulen führten („Dolmetscher“ war bis ca. 1945 der Oberbegriff für Übersetzer und Dolmetscher). Die erste deutsche Ausbildungseinrichtung für Sprachmittler war das 1887 vor dem Hintergrund des deutschen Kolonialismus an der Berliner Universität eingerichtete „Seminar für Orientalische Sprachen“ (SOS). Schulungsteilnehmer am SOS waren vor allem Beamte des Auswärtigen Amtes oder des Reichskolonialamts, aber auch Beschäftigte in der Außenwirtschaft und interessierte Journalisten. Das Seminar war zunächst nur für die Ausbildung in Türkisch, Persisch und Arabisch geschaffen worden. Danach wurde es stark erweitert. Seit dem Jahre 1897 wurden Sprachmittler für Arabisch, für die chinesischen Sprachen, Griechisch, Japanisch, Farsi, Russisch, Spanisch, Kiswahili und Türkisch ausgebildet. Bis zum Jahre 1926 kamen noch Englisch, Französisch, Rumänisch, Portugiesisch, Polnisch, Böhmisch/Tschechisch, Italienisch und Serbokroatisch hinzu.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ging die Geheimdiplomatie, die als wesentliche Mitursache für den Krieg angesehen wurde, zurück. Neben die zuvor übliche Verständigung der Regierungen über Botschafter und Gesandte, welche Französisch als Diplomatensprache verwendeten, traten Konferenzen der Staats- und Regierungschefs oder der Außenminister. Die Regierungsmitglieder beherrschten aber Fremdsprachen meistens nur unvollkommen. Um eine einwandfreie Verständigung der Konferenzteilnehmer zu ermöglichen, entstand das Berufsbild des Konferenzdolmetschers.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde das Dolmetscherwesen in der Reichsfachschaft für das Dolmetscherwesen unter der Führung von Otto Monien verkammert. Monien war auch Leiter einer neu eingerichteten Reichsfachschule, durch welche die Ausbildung von Sprachmittlern nicht zuletzt mit Blick auf den künftigen Krieg professionalisiert wurde. Die Reichsfachschule bot eine zweijährige Vollzeitausbildung, eine Ausbildung in Abendkursen und sonstige Weiterbildungsmaßnahmen an. Die Reichsfachschaft unterhielt auch einen Dolmetscherbereitschaftsdienst.

Die deutsche Wehrmacht richtete in den dreißiger Jahren Dolmetscherschulen ein, um für den Krieg ausreichend Sprachmittler zur Verfügung zu haben. Mit Kriegsbeginn wurden die dort geschulten Personen, aber auch andere Dolmetscher in Dolmetscherkompanien eingezogen.

Die anderen Institutsgründungen in Deutschland und Europa (z.B. in Genf, Paris und Wien) fallen vor allem in die Mitte des 20. Jahrhunderts, eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs und einer dadurch ansteigenden Nachfrage nach Sprachmittlern und verwandten Berufen.

Dolmetscher bei Justiz und Behörden

Dolmetscher spielen eine wichtige Rolle im persönlichen Umgang von Gerichten, Notaren oder Behörden (Polizei, Standesämter usw.) mit Personen, die der Landessprache nicht mächtig sind, sowie mit Gehör- und Sprachlosen (Gebärdendolmetscher).

Deutschland

siehe auch: Gerichtsdolmetscher

Deutsche Gerichte und Behörden verfügen, mit Ausnahme des Auswärtigen Amts und des Bundesverteidigungsministeriums (→Bundessprachenamt), meist nicht über einen eigenen Sprachendienst. Vielmehr wird in der Regel auf selbständige oder bei einem externen Büro beschäftigte Dolmetscher zurückgegriffen (→ Gerichtsdolmetscher). Der Dolmetscher oder die Dolmetscherin muss für derartige Aufgaben in der Regel beeidigt sein.

Die Arbeit von Dolmetschern vor Gericht und Behörden wird nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz vergütet.

Österreich

In Österreich wird diese Aufgabe von besonders qualifizierten Gerichtsdolmetschern (volle Bezeichnung: allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Dolmetscher) wahrgenommen, die sich im Rahmen eines Justizverwaltungsverfahrens nach dem Bundesgesetz über die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher (SDG) einer Prüfung unterziehen müssen. Die Bezeichnung ist gesetzlich geschützt; wer sie widerrechtlich verwendet, kann mit einer Unterlassungsklage belangt werden. Mit der Änderung des Gesetzes wurde 1999 zusätzlich zur allgemeinen Beeidigung die "gerichtliche Zertifizierung" eingeführt, um dem Gedanken der Qualitätssicherung Rechnung zu tragen. Dabei wurden die persönlichen Voraussetzungen für die Eintragung in die Dolmetscherlisten erweitert und eine periodische Überprüfung der Eintragungsvoraussetzungen eingeführt. Der Gerichtsdolmetscher ist in Österreich auch für die Beglaubigung von Übersetzungen zuständig und entspricht insofern dem "beeidigten" bzw. "ermächtigten" Übersetzer in Deutschland.

Europäische Union

Eine besonders wichtige Rolle spielt die Arbeit der Dolmetscher bei den Institutionen der Europäischen Union. Das Europäische Parlament und der Europäische Gerichtshof verfügen jeweils über einen eigenen Dolmetschdienst, der Dienst der Europäische Kommission übernimmt die Verdolmetschung in der Kommission, im Ministerrat sowie im Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der Regionen. Die Dolmetschdienste beschäftigen verbeamtete und festangestellte Dolmetscher und verfügen - im Falle von Parlament und Kommission - über eine gemeinsame Liste von freiberuflich tätigen Dolmetschern. Um in diese Datenbank aufgenommen zu werden, müssen Bewerber zunächst einen interinstitutionellen Auswahltest absolvieren. Die Auswahl fest anzustellender Dolmetscher erfolgt zentral für alle europäischen Behörden in einem Verfahren (Concours), das vom Europäischen Amt für Personalauswahl veranstaltet wird.

Beratender Dolmetscher

Bei der Organisation größerer Veranstaltungen mit Dolmetschbedarf wird oft ein beratender Dolmetscher verpflichtet. Er ist dann verantwortlich für die Zusammenstellung des Dolmetscherteams für eine oder mehrere Sprachen und ist als alleiniger Ansprechpartner des Auftraggebers für die Verdolmetschung der Veranstaltung zuständig.

Siehe auch

Weblinks


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