Ditching

Ditching
Ein Airbus A320 nach einer Notwasserung im Januar 2009 (US-Airways Flug 1549)

Eine Notwasserung ist eine Notlandung auf dem Wasser durch ein Fluggerät, das nicht für Wasserlandungen ausgelegt ist. Notwasserungen kommen in der modernen Luftfahrt äußerst selten vor.

Inhaltsverzeichnis

Flugzeuge

Notwasserung von Verkehrsflugzeugen

Bei Flugzeugen stellen Notwasserungen ein sehr riskantes Manöver dar, da sich die Wasseroberfläche bei typischen Landegeschwindigkeiten von ca. 250 km/h sehr hart verhält und die Tragwerks- und Rumpfstruktur nicht für direktes Aufsetzen auf einer Oberfläche ausgelegt sind. Trotzdem gab es Notwasserungen, bei denen alle oder wenigstens einige der Passagiere überlebten (unvollständige chronologische Liste):

  • Am 19. Juni 1954 musste eine Convair CV-240-2 der Swissair (HB-IRW) wegen Teibstoffmangels im Ärmelkanal notwassern. Von den 9 Personen an Bord (5 Passagiere, 4 Crew) ertranken 3 Passagiere, da sie nicht schwimmen konnten und keine Schwimmwesten an Bord waren (war damals noch nicht vorgeschrieben), die Übrigen überlebten. Das Flugzeug hatte sich auf einem Linienflug von Genf nach London befunden. Die Schuld wurde den Piloten angelastet, die es versäumt hatten, vor dem Flug genügend Treibstoff zu tanken. [1]
  • 1956 machte eine Boeing B-377 der Pan Am eine Notwasserung im Pazifik, nachdem zwei ihrer vier Motoren ausgefallen waren. Um die Chancen einer Rettung der Passagiere zu erhöhen, kreiste die Maschine bis zum Morgengrauen um ein Schiff der US-Küstenwache, bevor sie wasserte. Alle 31 Menschen an Bord überlebten. [2]
Tu-124 in der Newa in Leningrad (1963)
  • 1963 konnte eine Tu-124 der Aeroflot nach dem Start in Tallinn ihr Fahrwerk nicht vollständig einfahren. Der Flughafen war jedoch bereits wegen Nebel geschlossen, so dass die Maschine in Leningrad auf einer Schotterpiste landen wollte. Wegen der defekten Treibstoffanzeige flog die Maschine acht Runden, bis die Besatzung bemerkte, dass auf den Anzeigen der Treibstoff nicht weniger wurde. Gleichzeitig setzte eines der Triebwerke aus. Um es noch rechtzeitig zum Flughafen zu schaffen, bekam die Crew die Erlaubnis, direkt über der Stadt zu fliegen. Dann setzte auch das zweite Triebwerk aus und die Maschine musste sofort auf dem Fluss landen. Die 52 Passagiere kamen alle mit dem Schrecken davon. Die Crew wurde für unschuldig erklärt, und die Schuld wurde der Flughafenleitung zugesprochen, weil diese einem Flugzeug ohne Treibstoff eine Flugerlaubnis über der Stadt erteilt hatte. [3]
  • 1970 machte eine DC-9-33CF der Air ALM (Antillen) mit leerem Tank eine Notwasserung im Karibischen Meer. Davor wurden bei schlechter Sicht mehrere Landungen auf Sint Maarten versucht. Das Flugzeug blieb nach der Notwasserung im Wesentlichen intakt, sank jedoch nach zehn Minuten in 1500 Meter Meerestiefe. 40 der 63 Insassen überlebten und konnten eine Stunde später von Hubschraubern geborgen werden.[5]
  • 1996 wurde eine Boeing 767-200ER auf dem Ethiopian-Airlines-Flug 961 entführt. Nachdem der Treibstoff ausging, machte sie eine Landung auf seichtem Wasser, 500 m vor der Küste. 52 der 175 Insassen überlebten. Einige starben, da sie die Schwimmwesten bereits in der Kabine aufgeblasen hatten und damit an Bord gefangen waren.[6]
  • 2002 fielen beim Flug Garuda Indonesia 425 mit einer Boeing 737 beide Triebwerke aufgrund starken Hagels aus. Mehrere Versuche, die Triebwerke wieder zu starten, scheiterten, so dass sich die Piloten gezwungen sahen, auf dem Fluss Bengawan Solo nahe Yogyakarta zu landen. Von den insgesamt 60 Personen an Bord verstarb ein Flugbegleiter. [7]
  • Am 6. August 2005 machte eine ATR 72 der Tuninter vor Sizilien eine Notwasserung, nachdem der Treibstoff ausgegangen war. Später stellte sich heraus, dass die ausgetauschte Tankuhr für einen kleineren Tank gedacht war. Von den 39 Menschen an Bord überlebten 20, teils mit schweren Verbrennungen. Das Wrack wurde in drei Teilen aufgefunden. [8]
  • Am 15. Januar 2009 führte der Pilot des US-Airways-Flugs 1549 mit einem Airbus 320 wenige Minuten nach dem Start auf dem New Yorker Flughafen La Guardia eine Notwasserung auf dem Hudson River durch. Ein doppelter Vogelschlag soll zum Ausfall der Triebwerke geführt haben. Alle 155 Menschen an Bord von US-Airways-Flug 1549 überlebten. Das Flugzeug blieb dabei bis auf ein abgerissenes Triebwerk intakt und für die Rettung der Insassen lange genug schwimmfähig.[9] Der Airbus A320 verfügt zwar über einen Schalter, durch den alle Ventile im unteren Teil des Flugzeugrumpfs zur Verbesserung der Schwimmfähigkeit geschlossen werden können, dieser ditch mode war jedoch vor der Notwasserung aus Zeitmangel nicht aktiviert worden.[10]

Anflugverfahren von Verkehrsflugzeugen

Es gibt kein Training der Piloten für die Notwasserungen, jedoch hier einige Faustregeln:

  • Die Notwasserung von Verkehrsflugzeugen ist nur unter Rückfahren der Triebwerksleistung (soweit Triebwerke noch vorhanden) gen Null und eingefahrenen Landeklappen, jedoch mit gesetzten Störklappen bevorzugt auf freiem Gewässer ohne Wellengang oder Stromschnellen möglich. Es kann durchaus von Vorteil sein, einen See mit ausreichender Länge der Wasserfläche oder einen Fluss zur Notwasserung auszuwählen. Bei einem Fluss soll darauf geachtet werden, dass keine störenden Hindernisse (z. B. Brücken, Buhnen und Schleusen) vorhanden sind und kein Wasserverkehr die Landung gefährden könnte. Der Pilot muss der bei diesem Landungstyp darauf achten, dass beide Tragflächen zeitgleich aufsetzen und die Maschine in einer waagerechten Fluglage verbleibt. Bei Landungen von Verkehrsflugzeugen halten Triebwerke, die unter den Tragflächen angebracht sind, beim Moment des Eintauchens dem sich durch die Landegeschwindigkeit schlagartig aufbauenden Wasserwiderstand entstehenden Druck in der Regel nicht stand und reißen ab. Dabei sollte nach Möglichkeit die Außenhaut des Flugzeugrumpfes intakt bleiben.
  • Kurz vor dem Aufsetzen sollte der ditch mode aktiviert werden, soweit vorhanden. Er sorgt dafür, dass die Maschine länger an der Wasseroberfläche verbleibt, so dass die Chance erhöht wird, dass Passagiere die Maschine über Notrutschen verlassen können, bevor das Flugzeug im Gewässer versinkt. Eine Notlandung auf dem Festland gilt grundsätzlich als weniger gefährlich als eine Notwasserung.
  • Bei ruhiger See wird gegen den Wind gelandet. Bei größerem Wellengang wird parallel zu den Wellen gelandet, möglichst auf einem Wellenkamm. Bei Einziehfahrwerk wird mit eingezogenem Fahrwerk gelandet. Gelandet werden sollte mit geringer Sinkrate und geringstmöglicher Geschwindigkeit. Die Landung wird als - heckbetonte - Dreipunktlandung mit parallelem Wasserkontakt der Tragflächen durchgeführt, da sonst die Gefahr eines Überschlages besteht.

Notwasserung von Kleinflugzeugen

Die Notwasserung von Kleinflugzeugen ist wegen der geringeren Landegeschwindigkeit nicht ganz so gefährlich wie mit Verkehrsflugzeugen. Eine Notlandung auf dem Festland ist aber weniger gefährlich als eine Notwasserung.

Bei ruhiger See wird gegen den Wind gelandet. Bei größerem Wellengang wird parallel zu den Wellen gelandet, möglichst auf einem Wellenkamm. Bei Einziehfahrwerk wird mit eingezogenem Fahrwerk gelandet. Gelandet wird mit geringer Sinkrate und geringstmöglicher Geschwindigkeit. Die Landung wird als Dreipunktlandung durchgeführt, da sonst die Gefahr eines Überschlages besteht.

Notwasserung von Segelflugzeugen

Segelflugzeuge werden mit ausgefahrenem Fahrwerk, verriegelter Haube und Gurtzeug sowie geschlossener Belüftung gewassert. Die Wasseroberfläche wird wie eine feste Landebahn angeflogen. Nach der Landung kann das Segelflugzeug kurz unter die Wasseroberfläche tauchen, bevor es die Oberfläche wieder erreicht. Unmittelbar nach dem Auftauchen ist die Haube abzuwerfen und das Gurtzeug incl. Fallschirm abzulegen und auszusteigen. Ein Segelflugzeug hat eine begrenzte Schwimmfähigkeit.

Hubschrauber

Bestimmte Hubschrauber-Typen verfügen über Notschwimmeigenschaften und über zusätzlich aufblasbare Schwimmer, die das Kentern des Hubschraubers nach einer Wasserung vermeiden sollen.

Wie kommt eine Maschine nach einer Notwasserung zum Stillstand?

Eine Maschine, gleich welchen Typs, kommt allein durch die auf das Flugzeug einwirkende Reibung an der Wasseroberfläche zum Stillstand. Bei Strahlflugzeugen steht keine Schubumkehr zur Verfügung, da die Triebwerke bei der Wasserung im Regelfall abreissen. Allerdings kann man mit nach der erfolgreichen Landung zu setzender Auftriebshilfe den Reibungskoeffizienten erhöhen und somit das Flugzeug schneller zum Stillstand bringen.

Einzelnachweise

  1. Kurzbericht bei http://aviation-safety.net, Abgerufen am 18. März 2009
  2. Kurzbericht bei http://aviation-safety.net, Abgerufen am 18. März 2009
  3. Kurzbericht bei http://aviation-safety.net, Abgerufen am 18. März 2009
  4. Kurzbericht bei http://aviation-safety.net, Abgerufen am 18. März 2009
  5. Aircraft Accident Report: Overseas National Airways, Inc. Douglas DC-9 N935F, Operating as Antillaanse Luchtvaart Flight 980, Near St. Croix, Virgin Islands, 2 May 1970 National Transportation Safety Board Report No. AAR-71-08 (PDF) – abgerufen am 16.01.2009
  6. Kurzbericht bei http://aviation-safety.net, Abgerufen am 18. März 2009
  7. Kurzbericht bei http://aviation-safety.net, Abgerufen am 18. März 2009
  8. Kurzbericht bei http://aviation-safety.net, Abgerufen am 18. März 2009
  9. Marc Pitzke: in Spiegel Online New York feiert das Hudson-Wunder – abgerufen am 16.01.2009
  10. „Völlige Stille nach dem Ausfall der Triebwerke“ (AP-Meldung vom 18. Januar 2009)

Literatur

  • Jürgen Mies: Gefahrenhandbuch für Piloten (Privatpilotenbibliothek Band 1), Motorbuch Verlag, Stuttgart, ISBN 3-613-01577-3

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