- Dogmatismus
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Dieser Artikel behandelt den Begriff Dogma im weltanschaulich-religiösen Sinne. Für weitere Bedeutungen siehe Dogma (Begriffsklärung). - In den orthodoxen Kirchen sind damit vor allem die Lehraussagen der ersten sieben Ökumenischen Konzilien sowie einiger späterer panorthodoxer Synoden gemeint.
- Die katholische Kirche hat im I. Vatikanischen Konzil definiert, dass ein Dogma ein Satz göttlichen und katholischen Glaubens ist, der durch das allgemeine und ordentliche Lehramt (affirmativ) oder durch konziliare oder päpstliche Definition definitiv als von Gott offenbarte und zu glaubende Wahrheit verkündet wird.
- Für Martin Luther und andere Reformatoren haben nur Dogmen Gültigkeit, die durch die Heilige Schrift belegt sind und damit unter den Begriff der Doktrin fallen. Dogmen im engeren Sinne formulieren sie nicht.
- Karl Barth sieht Dogmen als systematische Ausdrucksformen des Inhalts der Heiligen Schrift („kirchliche Dogmatik“).
- Die evangelische Tradition sieht spätestens seit der Aufarbeitung von Anfragen und Kritik seitens der Aufklärung von Formulierungen von Dogmen ab, da in der evangelischen Kirche kein Lehramt existiert, welches für die Gemeinde verbindliche Glaubenssätze formulieren könnte. Zwar sei die klare Bezeugung durch die Kirche die notwendige Bedingung für den Glauben – dementsprechend habe die Kirche die Aufgabe, die Möglichkeit der Begegnung mit dem biblischen Zeugnis zu eröffnen. Eine innere Gewissheit im Einzelnen sei jedoch durch die Kirche und ihr Wirken nicht herstellbar, da Gewissheit etwas Unverfügbares sei. Die Einsicht, dass das kirchliche Zeugnis die Wahrheit über Gott, Welt und Mensch mitteile, kommt nach evangelischer Überzeugung durch die Inanspruchnahme dieser öffentlichen Bezeugung durch den Heiligen Geist zustande.
- erste Jahrhunderte: Apostolisches Glaubensbekenntnis
- 4. Jahrhundert: Dreieinigkeit
- 381: Nicäno-Konstantinopolitanum
- 431: Maria ist „Gottesgebärerin“ (theotokos)
- um 431 und 451: Christologie: Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch
- 1215 Transsubstantiation (Eucharistie-Verständnis);
- 4. Dezember 1563: Schluss-Sitzung des Konzils von Trient, das 1564 päpstlich bestätigt wurde
- Papst Pius IX.: 8. Dezember 1854 Unbefleckte Empfängnis Mariens
- I. Vatikanum 1870: Unfehlbarkeit des Papstes
- Papst Pius XII.: 1. November 1950 Leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel, das erste und zugleich bislang letzte Mal seit 1870, dass ein Papst vom Unfehlbarkeitsdogma Gebrauch machte.
- Sola gratia: Nur durch Gnade wird der Mensch gerettet.
- Sola fide: Nur der Glaube ist Voraussetzung für die Rettung.
- Sola scriptura: Nur die Bibel lehrt den rechten Glauben.
- Solus Christus: Nur Christus darf religiös verehrt werden.
- „Was diese Geschichtlichkeit angeht, muss zunächst bedacht werden, dass der Sinn, den die Glaubensaussagen haben, teilweise von der Aussagekraft der zu einer bestimmten Zeit und unter bestimmten Umständen angewandten Sprache abhängt. Außerdem kommt es bisweilen vor, dass eine dogmatische Wahrheit zunächst in unvollständiger, aber deshalb nicht falscher Weise ausgedrückt wird und später im größeren Zusammenhängen des Glaubens und der menschlichen Erkenntnisse betrachtet und dadurch vollständiger und vollkommener dargestellt wird. Ferner will die Kirche in ihren neuen Aussagen das, was in der Heiligen Schrift und in den Aussagen der früheren Überlieferungen schon einigermaßen enthalten ist, bestätigen oder erhellen, sie pflegt dabei aber zugleich an die Lösung bestimmter Fragen und die Beseitigung von Irrtümern zu denken. All dem muss man Rechnung tragen, um jene Aussagen richtig zu deuten. Schließlich unterscheiden sich zwar die Wahrheiten, die die Kirche in ihren dogmatischen Formeln wirklich lehren will, von dem wandelbaren Denken einer Zeit und können auch ohne es zum Ausdruck gebracht werden; trotzdem kann es aber bisweilen geschehen, dass jene Wahrheiten auch vom Lehramt in Worten vorgetragen werden, die Spuren solchen Denkens an sich tragen.“
- Doktrin
- Paradigma – Ein „philosophisches Dogma“
- Axiom – Ein „mathematisches Dogma“
- Grundsatz
- Kernaussage
- ↑ „Der Dogmatism der Metaphysik, d. i. das Vorurteil, in ihr ohne Kritik der reinen Vernunft fortzukommen, ist die wahre Quelle alles der Moralität widerstreitenden Unglaubens, der jederzeit gar sehr dogmatisch ist.“ I. Kant: Kritik der reinen Vernunft, Vorr. z. 2. Ausg., S. 26
- ↑ Wolfgang J. Koschnik: Standardwörterbuch für die Sozialwissenschaften. Teil 1. London, New York, Paris 1992. ISBN 3-598-10527-4
- Walter Kasper: Dogma/Dogmenentwicklung. In: Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe (Neuausgabe) 1 (1991), S. 292–309
- Peter Neuner: Was ist ein Dogma?. Vorträge Seniorenstudium, November 2006. Ludwig-Maximilians-Universität, München, 2006 (Volltext)
- Ulrich Wickert, Carl Heinz Ratschow: Dogma – I. Historisch, II. Systematisch-theologisch. In: Theologische Realenzyklopädie 9 (1982), S. 26–41
Unter einem Dogma (griech. δόγμα, dógma, „Meinung, Denkart, Lehrsatz“; Plural Dogmen oder seltener nach dem Griechischen Dogmata) versteht man eine fest stehende Definition oder eine grundlegende Lehrmeinung, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich gilt.
In der Philosophie heißt Dogmatismus seit Immanuel Kant das Philosophieren ohne eine vorhergehende Kritik der Bedingungen der Erkenntnis.[1] Im Unterschied dazu besteht für Kant das (von ihm für legitim gehaltene) „dogmatische Verfahren“ darin, aus sicheren Prinzipien a priori streng zu beweisen. In ähnlicher Weise stellt der Kritische Rationalismus den Dogmatismus der kritischen Prüfung und dem Fallibilismus gegenüber.
In der Sozialpsychologie ist die Dogmatismus-Skala ein von Milton Rokeach entwickeltes Konstrukt für ein relativ geschlossen organisiertes System von Aussagen über die Wirklichkeit, die geglaubt oder angezweifelt werden. In ihrem Mittelpunkt stehen Annahmen von absoluter Autorität, die ihrerseits die Grundlage abgeben für Muster von Intoleranz gegen andere. Kennzeichnend sind damit geistige Geschlossenheit, ein rigider und autoritätsgeneigter Denkstil sowie Intoleranz. Dogmatismus wird mittels einer „Multi-Item“-kumulativen Likert-Skala gemessen (ursprünglich 66 Items mit je sechs Punkten; später wurden kürzere Versionen erarbeitet).[2]
Dogmen findet man in Religionen sowie in autoritären, absolutistischen und totalitären Gesellschaftsformen, in denen eine Religion, eine Weltanschauung oder eine Wertvorstellung als allein wahr, allgemeingültig, verbindlich und oft sogar als für alle Zeit gültig erklärt wird. Die Dogmen oder Paradigmen, auf denen diese Anschauungen beruhen, werden unter Berufung auf göttliche Offenbarung oder besondere Erkenntnisse als für wahr gehaltene Theorien oder naturrechtliche Legitimation formuliert, so dass eine Kritik daran automatisch auch eine Missachtung der Autorität darstellt und so eine Selbstimmunisierung gegen jede Kritik entsteht. Die systematische Lehre der Dogmen wird Dogmatik genannt.
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Geschichtliche Entwicklung
In Antike und Mittelalter war Dogma ein positiv besetzter Begriff, der für Klarheit und Eindeutigkeit stand. Seit dem Zeitalter der Aufklärung werden Dogmen kritisch als eine auf Autoritäten beruhende Denkweise oder Glaubensüberzeugung abgelehnt. Einer der zentralen Leitgedanken der Aufklärung, der von Immanuel Kant zitierte und so wieder bekannt gewordene Spruch des lateinischen Dichters Horaz, Sapere aude (lateinisch Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!), bildet nach moderner Auffassung einen unvereinbaren inhaltlichen Gegensatz zum Dogma bzw. zur entsprechenden Lehre, der Dogmatik.
Dogmen in der heutigen Zeit
Dogmen sind für wahr befundene formulierte Auffassungen von der Wirklichkeit eines abgegrenzten Bereichs der menschlichen Erkenntnis. Die Übereinstimmung mit der Wirklichkeit wird vorausgesetzt, ohne dass notwendig eine experimentelle Verifikation zugrunde liegt. Bei der Formulierung eines Dogmas wird eine solche nicht für notwendig oder in vielen Fällen auch nicht für möglich erachtet. Dogmen werden dennoch in einer, jedoch nicht notwendigerweise schlüssigen, Logik begründet und sind damit begrenzt für kritische Reflexionen offen. Die Vertrauenswürdigkeit eines Dogmas und in Folge seine Bedeutung sind davon abhängig, wie unverfälscht und passend es die beabsichtigten Aspekte der Wirklichkeit zum Ausdruck bringt.
Dogmen können besonders im Falle unkritischer und unreflektierter Formulierung mit einem geschlossenen Weltbild einher gehen. Da das Dogma keines weiteren Beweises bedarf, können abgespaltene Denkwelten entstehen. Der Begriff Dogma wird daher heute auch in den modernen Naturwissenschaften als kritische Bezeichnung zur Charakterisierung eines überkommenen Standpunkts oder einer veralteten Theorie verwendet, die neuere Erkenntnisse ignoriert.
Extreme Formen dogmatischer Lehren
Extreme Formen dogmatischer Lehren sprechen jeder Kritik die Legitimität ab und rechtfertigen dadurch unter Umständen sogar die Tötung der Kritiker wegen Ketzerei oder Gotteslästerung. Im späten Mittelalter und noch mehr in der Frühen Neuzeit dienten Dogmen der römisch-katholischen Kirche als Legitimation für ihre Inquisitionsgerichte, die von ihren Opfern mittels Folter Geständnisse erpressten und sie oft auf grausame Weise töteten.
In kommunistischen Regimen wurden analoge Dogmen als so genannte Doktrin ebenso gewaltvoll durchgesetzt. Widerspruch gegen eine staatliche Doktrin oder eine Parteilinie führte zu massiven Repressionen, bis zu Gefängnis und Hinrichtung. Auch die Verfolgung „unamerkanischer Umtriebe“ in der McCarthy-Ära wurde gelegentlich mit Hexenprozessen verglichen.
Bis in die Gegenwart ist in streng islamischen Ländern ein Verstoß gegen einige Dogmen der religiösen Dogmenlehre des Islam, die Schari'a, noch heute mit der Todesstrafe (Köpfungen, Steinigungen und andere Formen der Tötung) bedroht. Diese wird oft von informellen Gruppen in Form einer De-facto-Gerichtsbarkeit oder Lynchjustiz ausgeführt.
Dogmen in den christlichen Kirchen
Unter Dogmen versteht man im Laufe der Kirchengeschichte durch die lehramtliche Autorität formulierte Sätze (sowie seit dem II. Vatikanischen Konzil auch Aussagen darstellender Texte), die wichtig sind für die inhaltliche Profilierung ihres Glaubens. Sie „sind Lichter auf dem Glaubensweg. Sie erleuchten und sichern ihn.“ (Katechismus der Katholischen Kirche KKK 89). Der Entstehungskontext von Dogmen ist in der Regel eine strittige Situation in Glaubensfragen.
Konzilien und Synoden werden einberufen, um die Sachfragen zu klären und ggf. entsprechende Dogmatisierungen vorzunehmen.
Zum unterschiedlichen Dogmenverständnis
Der Begriff Dogma wird je nach konfessioneller Tradition und theologischer Lehrmeinung unterschiedlich verstanden und verwendet:
Beispiele für christliche Dogmen
Alte Kirche
Diese von Konzilien verkündeten dogmatischen Definitionen wurden stets von den Päpsten bestätigt. Ob diese Bestätigung für die Geltung der Dogmen allerdings nötig ist, ist in der Theologie umstritten.
Lateinische Kirche des Mittelalters
Dogmen in der römisch-katholischen Kirche
Bis 1950 wurden mehrere frühere päpstliche Entscheidungen als ex cathedra (unfehlbar) ergangene Definitionen angesehen. Unter dem Einfluss der Kriterien des I. Vatikanums wird diese Liste auf die Entscheidungen von 1854 und 1950 eingeengt, während alle früheren Definitionen - je nach Zählung etwa zehn bis zwanzig - dem allgemeinen, affirmativen Lehramt zugeordnet werden. Zu diesen gleichwohl Geltung beanspruchenden Bekräftigungen zählt nach amtlicher Auffassung auch die Entscheidung des Papstes Johannes Paul II., dass eine Priesterweihe für Frauen definitiv unmöglich ist. Eine bekannte Regel, die nach katholischer Ansicht definitiv kein unveränderliches Dogma darstellt, ist dagegen die verpflichtende priesterliche Ehelosigkeit (Zölibat).
Das II. Vatikanum von 1962 bis 1965 lehrt die notwendige Unveränderlichkeit der Glaubenswahrheit als ganzer, öffnet diese jedoch dem Dialog mit den Andersdenkenden. Die Kompetenz zur Unterscheidung des Wesentlichen vom Veränderlichen liegt beim kirchlichen Lehramt des Papstes – allein oder mit dem Bischofskollegium der Weltkirche.
In den evangelischen Kirchen vertretene „Glaubenswahrheiten“
Ökumenische Annäherungen
Die katholischen „gerechten Werke“ sind nach der Konvergenz von Augsburg im Jahr 1999 Werke der Gnade Christi. Die Heilige Schrift lebt in der Kirche, die als ganze die Einheit Christi mit den Menschen bewirkt.
Keine Einheit besteht in der Auffassung von der Regula fidei, der „Richtschnur des Glaubens“, die der Katholizismus konkret der kirchlichen Autorität anvertraut sieht, während der Protestantismus ein Spektrum christlicher Theologien zulässt, wodurch die Glaubenspraxis zum legitimen Ausdruck privater Autonomie vor Gott bis hin zum Verschwinden jeglicher kirchlich fassbarer Praxis wird.
Das Dogma: eine zuverlässige Überzeugung?
Dogmen einer Kirche gelten im allgemeinen als unwiderruflich. Sie sind jedoch offen für Präzisierungen sowie „Neuinterpretationen“ in veränderten Kontexten und in neuem Sprachgebrauch. Es gibt deshalb – aus römisch-katholischer Sicht – durchaus eine Geschichtlichkeit des Dogmas:
(Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärung Mysterium ecclesiae zur katholischen Lehre über die Kirche und ihre Verteidigung gegen einige Irrtümer von heute vom 24. Juni 1973, Trier 1975 (Nachkonziliare Dokumentation 43) Nr. V, S. 147 f.)
Begriffe mit ähnlicher Bedeutung
Einzelbelege
Siehe auch
Literatur
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