- Dokumentationstheater
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Das dokumentarische Theater behandelt historische oder aktuelle politische oder soziale Ereignisse. Dabei fungieren juristische oder historische Reportagen, Berichte, Dokumente sowie Interviews als Quellen. Obwohl authentisches Material übernommen und in der Regel unverändert wiedergegeben wird, handelt es sich dennoch um eine fiktionale Kunstform. Die schöpferische Leistung des Autors besteht in der Komposition des Roh-Stoffes und in der Konzentration aufs Wesentliche. Unwichtiges wird weggelassen um Aufklärung, Konfrontation und Agitation zu erreichen. Angestrebt wird Realismus, nicht Naturalismus. Der Zweck bzw. das Ziel eines dokumentarischen Theaterstückes ist die politische Aufklärung und die Agitation (oft aber auch die Verurteilung einer der betroffenen Parteien). Zusätzlich wird auf einschüchternde Authentizität wie z. B. genaue Nachbildung von Gerichtssälen etc., verzichtet um den Zuschauer nicht unnötig von den Fakten abzulenken. Diese Form des Theaters entstand in den 1960ern. Zeitgeschichtliche Beispiele sind:
- Rolf Hochhuth: Der Stellvertreter
- Heinar Kipphardt: Bruder Eichmann
- Heinar Kipphardt: In der Sache J. Robert Oppenheimer
- Peter Weiss: Die Ermittlung.
Inhaltsverzeichnis
Aktuelle Vertreter
Eine Renaissance des dokumentarischen Theaters im deutschsprachigen Raum zeichnet sich seit Ende der 90er Jahre ab. Eher in der klassischen Tradition des dokumentarischen Theaters stehen dabei Hans-Werner Kroesinger (* 1962) und Andres Veiel. Veiels Der Kick, dessen Text auf Interviews mit Beteiligten, Angehörigen und Zeugen eines Mordfalls beruht, war 2006 zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Beim selben Festival war das Regiekollektiv Rimini Protokoll mit ihrer dokumentarischen Inszenierung nach Schillers Wallenstein zum zweiten Mal vertreten. Die drei Mitglieder des Rimini Protokoll gelten als Begründer einer Renaissance und Neudefinition des dokumentarischen Theaters.
In den Projekten des Rimini Protokolls steht seit Ende der 90er Jahre nicht das recherchierte Material im Vordergrund, sondern die Protagonisten der jeweiligen Ereignisse betreten selbst die Bühne. Im Gegensatz zum Dokumentarfilm produzieren die sogenannten Experten des Alltags ihre Auftritte bei jeder Aufführung neu. Und im Unterschied zum Laienspiel und Amateurtheater versuchen sie nicht, Theater zu spielen: Die darstellenden Personen bewahren sich ihre eigene Authentizität sowie die ihrer Geschichten innerhalb des Kunstrahmens eines Theaters.
Die auch als Experten-Theater bezeichnete junge Spielform des dokumentarischen Theaters wird mittlerweile von einer ganzen Reihe von Gruppen und Autoren-Regisseuren praktiziert. Ein jüngeres Beispiel für die Konfliktpotenziale, die durch den neuen Einzug des Dokumentarischen ins Theater entstehen können, war das Verbot von Volker Löschs Inszenierung von Gerhart Hauptmanns Die Weber im Jahr 2004 am Staatsschauspiel Dresden: In der Inszenierung sollte ein Chor von 33 echten Arbeitslosen mit einer auf ihren eigenen Ängsten und Sorgen basierenden Textcollage auftreten. Der Grund für ein Verbot war der rechtliche Schutz des Originaltextes.
Literatur
- Brian Barton: Das Dokumentartheater. Metzler (Sammlung Metzler; 232) Stuttgart 1987, ISBN 3-476-10232-7.
- Sven Hanuschek: Ich nenne das Wahrheitsfindung. Heinar Kipphardts Dramen und ein Konzept des Dokumentartheaters als Historiographie. Aisthesis, Bielefeld 1993.
- Klaus H. Hilzinger: Die Dramaturgie des dokumentarischen Theaters. Niemeyer, Tübingen 1976, ISBN 3-484-10256-X.
Presse
- Peter Laudenbach: Hexenküche Wirklichkeit. Theatertreffen 2006: Das Dokumentarstück ist wieder da. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 117, 22. Mai 2006, S. 11.
- Tobias Becker, Wolfgang Höbel: „Wir kommen mit unserer Wut“ Arbeitslose, Ghettokinder und Asylbewerber sind derzeit auf deutschen Bühnen die Stars. Die Laien, als „Experten des Alltags“ eingesetzt, laden das Programm der Schauspielhäuser wieder politisch auf. In: Der Spiegel. 50/2008 vom 8. Dezember 2008, Seite 176ff.
Siehe auch
Weblinks
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