- Drei Kränkungen
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Kränkungen der Menschheit ist ein von Sigmund Freud geprägter Begriff für einige geschichtliche Ereignisse, die nach psychoanalytischer Meinung den Stolz und das Selbstbewusstsein der Menschheit tief verletzt haben.
- Die 1. Kränkung war die Tatsache, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist (Galileo, Kopernikus usw.).
- Die 2. Kränkung ist die Tatsache, dass der Mensch dem Tierreich entstammt und nicht von Gott geschaffen wurde (Charles Darwin usw.).
- Die 3. Kränkung ist die Beobachtung von Sigmund Freud, dass das bewusste Denken nur einen kleinen Teil der Informationsverarbeitung im Gehirn darstellt. Das menschliche Denken wird von Trieben und anderen unbewussten Einflüssen bestimmt. Der freie Wille ist umstritten oder wird nur in wenigen Situationen wirklich wirksam.
Inhaltsverzeichnis
Herkunft
Die Bezeichnung „Kränkungen“ geht auf Sigmund Freud zurück. In seiner Arbeit „Eine Schwierigkeit der Psychoanalyse“ aus dem Jahre 1917 meint Sigmund Freud, die von ihm entwickelte Psychoanalyse habe erhebliche Widerstände zu überwinden, bevor sie allgemein anerkannt wird. Wie jede wissenschaftliche Neuerung muss sie sich gegen das etablierte Denken durchsetzen. Aber der „größere Anteil rührt davon her, daß durch den Inhalt der Lehre starke Gefühle der Menschheit verletzt worden sind.“ Hierzu wird eingewendet, dass der größte Teil der Menschheit von der Psychoanalyse wenig bis gar keine Kenntnis nimmt und deshalb von einer Kränkung, die ja eine bewusste Auseinandersetzung oder wenigstens Kenntnisnahme voraussetzt, keine Rede sein kann.
Freud stellt seine Entdeckung der Machtfülle des Unbewussten damit in einen Kontext mit den wissenschaftsgeschichtlich umwälzenden Theorien Kopernikus' und Darwins. Er versteht sich selber als großer Kränker der Menschheit. Da Kränkungen etwas sind, das krank macht, lässt sich - wenn man die psychoanalytische Deutung, die Metaphern ernst nimmt, berücksichtigt - sagen, dass auch die Psychoanalyse krank macht. Kritische zeitgenössische Stimmen wie Karl Kraus oder Robert Musil hatten dies bereits ironisch angemerkt.
Zu bedenken ist auch, dass die Kränkungen nicht unbedingt für alle Menschen wirklich kränkend sind. In anderem kulturellen Kontext ist z. B. die Abstammung des Menschen vom Tier kein Problem; in durch den Monotheismus geprägte Gesellschaften dagegen schon. Der Buddhismus sieht sogar eine Wiedergeburt in Gestalt von Tieren als möglich.
Mittlerweile werden heute mit dem von Freud geprägten Begriff aber auch andere, nicht wissenschaftliche Dinge bezeichnet, die je nach Zählweise kränkend wirken. Das Schlagwort der „Kränkungen“ wird als Modebezeichnung auf eine Reihe weiterer Dinge projiziert, die eine so starke Eigendynamik entwickeln, dass sie mit bisherigen Instrumentarien nicht mehr beherrschbar sind.
Kritik
Freuds Behauptung, dass die Zeitgenossen Kopernikus' und Darwins deren Erkenntnisse als Kränkung empfunden hätten, wird von anderen Autoren bestritten.
So weist etwa Michael Pauen unter Berufung auf zeitgenössische Quellen und Autoren wie Clarence Irving Lewis, Arthur O. Lovejoy, Hans Blumenberg und Rémi Brague darauf hin, dass der Erde im mittelalterlichen Weltbild der niederste Platz im kosmischen Gefüge zukam und zeitgenössische Kritiker Kopernikus' davon sprachen, dass die Erde durch dessen Lehre vermeintlich ungerechtfertigt erhöht werde.
Siehe auch
Literatur
- Christoph Kraiker: The story of the three blows. In: Hypnos. XXI, Nr. 3, 1994, S. 176-180 (deutsche Version: Die Geschichte von den drei Kränkungen)
- Michael Pauen: Was ist der Mensch? Die Entdeckung der Natur des Geistes. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007, ISBN 978-3-421-04224-8.
- Christopher Schrader: Die Kränkungen der Menschheit. In: Süddeutsche Zeitung. 6./7.Mai 2006, S. 22
- Gerhard Vollmer: Die vierte bis siebte Kränkung des Menschen. In: Aufklärung und Kritik. 1/1994, S. S. 81 ff.
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