Dutch Disease

Dutch Disease

Als Holländische Krankheit (Dutch disease) bezeichnet man ein makroökonomisches Paradoxon, gemäß dem es in erfolgreich exportierenden (und somit eigentlich prosperierenden) Volkswirtschaften über Wechselkursentwicklungen zu einem ökonomischen Niedergang kommen kann.

Die Holländische Krankheit tritt auf, wenn ein Land Güter (zumeist Rohstoffe) in großem Umfang exportiert. Dadurch entstehen Außenhandelsüberschüsse, durch die es zu einer Aufwertung der Währung des Landes kommt. Dies bringt Absatzprobleme von Gütern der übrigen exportierenden Industrien mit sich. Der sinkende Export dieser Güter führt dann zum Rückgang oder Verschwinden der betroffenen Industrien und somit zu grundsätzlichen ökonomischen Problemen wie z. B. Arbeitslosigkeit.

Beobachtet wurde dieses Phänomen in den Niederlanden in den 1960er Jahren nach der Entdeckung von Erdgasvorkommen.

  1. Das reichliche Vorhandensein von Rohstoffen kann zur Folge haben, dass der Rohstoffsektor – weil er einen wichtigen Beitrag zur Erwirtschaftung von Devisen leistet – besonders stark gefördert wird und expandiert, während beispielsweise der industrielle Sektor vernachlässigt wird, was wiederum zum Niedergang bzw. zur Schwächung dieses nicht-geförderten Exportsektors und damit zu einer Verminderung internationaler Wettbewerbsfähigkeit bei der Produktion industrieller Güter führen kann.
  2. fließen zudem aufgrund der durch den Ressourcenhandel kurzfristig steigenden Exporteinnahmen vermehrt ausländische Devisen ins Land, deren Umtausch zu einer realen Aufwertung der inländischen Währung führen kann. Diese Aufwertung hat zur Folge, dass sich
  • eine Nachfragesteigerung im Inland ergibt, da Importe billiger werden,
  • der Import von Gütern infolgedessen (möglicherweise stark) anwächst, was zu einer Erodierung der Produktion und damit zu einer Schwächung anderer Exportsektoren (z.B. des Industriesektors) führt (vgl. dazu den Fall Nigeria),
  • ein Defizit in der Handelsleistungsbilanz zustande kommt, weil die Exporte teurer werden, was zu einem Rückgang der Exporte und damit der Gewinne führt und sich
  • eine Faktorpreiserhöhung ergibt, weil die inländische Produktion von Faktoren (d.h. von Produktionsgütern bzw. die Bezahlung von Arbeitskräften) ebenfalls teurer wird – was, zusammen mit der im ersten Punkt erwähnten Nachfragesteigerung, zu einem möglicherweise beträchtlichen cost-push führt. Dieser cost-push betrifft auch den (schwach oder nicht-geförderten) industriellen und andere, nicht expandierende Sektoren. Der industrielle Sektor kann sich infolgedessen (aber auch aufgrund der im dritten Punkt beschriebenen Handelsdefizite) die benötigten Faktoren nicht mehr leisten, ohne Verluste zu machen bzw. Gewinne einzubüßen, was zur Folge hat, dass er sich gewisse Faktoren nicht mehr aneignet. Dadurch wird seine Wettbewerbsfähigkeit verringert, und es ergeben sich dementsprechend Absatzprobleme.

Durch diesen Umstand wird eine verstärkte Wanderung von Faktoren aus der Produktion industrieller Güter in den Bereich der Erstellung nicht-handelbarer Güter begünstigt, weil diese nicht so stark von dem Wettbewerbsdruck betroffen sind. Der Grad der Industrialisierung kann infolgedessen — gemessen am Anteil der Industrieproduktion an der gesamten volkswirtschaftlichen Güter- und Leistungsproduktion — stark zurückgehen oder verschwinden und somit eine „extreme Verzerrung und Vertiefung der strukturellen Heterogenität“ bewirken.[1]

Aktuelles lateinamerikanisches Beispiel für die Dutch disease ist der Ölexporteur Venezuela.[2] Das Land hat die Probleme nicht zum ersten Mal. Seit der Entdeckung und dem Beginn der industriellen Förderung in den 1910er Jahren, stehen und fallen Wohlstand und politische Stabilität mit den Ölpreisen, was die venezolanische Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur bestimmt.[3]

Literatur

  • „Dutch Disease“. In: Dichtl, Erwin/Issing, Ottmar (Hrsg.): Vahlens Großes Wirtschaftslexikon. Band 1. 2. Auflage 1993, S. 480.
  • Piazolo, Marc: Südliches Afrika – Wohlstand durch Rohstoffreichtum? In: Bähr, Jürgen/Jürgens, Ulrich (Hrsg.): Transformationsprozesse im Südlichen Afrika – Konsequenzen für Gesellschaft und Natur. Symposium in Kiel vom 29.10.-30.10. 1999. Kiel 2000, S. 155-172.
  • Kappel, Robert: Wirtschaftsperspektiven Afrikas zu Beginn des 21. Jahrhunderts: Strukturfaktoren und Informalität. 1999, S. 14. In: Kappel, Robert (Hrsg.): Afrikas Wirtschaftsperspektiven. Strukturen, Reformen und Tendenzen. Hamburg 1999, S. 11.
  • Burchardt, Hans-Jürgen (2005): „Die Wirtschaftspolitik des Bolivarianismo – Von der holländischen zur venezolanischen Krankheit?“ in: Sevilla, Rafael / Boeckh, Andreas: „Venezuela: Die bolivarische Republik“, Horlemann Verlag, Bad Honeff, S. 173-189
  • Boeckh, Andreas (1997): „Venezuela: Die schmerzvolle Transformation eines Erdöllandes“ in: Boeckh, Andreas/ Pawelka, Peter (Hrsg.): „Staat, Markt und Rente in der internationalen Politik“, Opladen, S. 285-315

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Kappel 1999, S. 11
  2. Burchard 2005
  3. Boeckh 1997

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