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Ich-AG (Abkürzung von Ich-Aktiengesellschaft[1]) bezeichnet ein Einzelunternehmen, das von einem Arbeitslosen gegründet worden ist, der für diese Existenzgründung einen Existenzgründungszuschuss (EXGZ) erhält. Der Begriff wurde von den Autoren des Hartz-Konzeptes geprägt, ist jedoch nicht amtlich. Das Konzept der Ich-AG trat mit dem Gesetzespaket „Hartz II“ am 1. Januar 2003 in Kraft. Der EXGZ war ein Instrument der Arbeitsmarktpolitik. Mit ihm sollte Arbeitslosen der Einstieg in die Selbständigkeit erleichtert werden.
Seit 1. Juli 2006 wird diese Subvention nur noch gezahlt, wenn der Anspruch auf Förderung vor diesem Tag bestanden hat. Neue Bewilligungen sind ausgeschlossen, da die Maßnahme durch den so genannten Gründungszuschuss abgelöst wurde; dieser kann von Arbeitslosengeld-I-Empfängern seit dem 1. August 2006 beantragt werden; Empfänger von Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) haben dagegen keinen Rechtsanspruch mehr auf Existenzgründungszuschuss.
Inhaltsverzeichnis
Sozialversicherungspflicht der „Ich-AG“
Gesetzliche Rentenversicherung
Wer einen EXGZ erhält, unterliegt solange der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, wie er den EXGZ bezieht. Fällt der EXGZ weg, weil z. B. die selbständige Tätigkeit aufgegeben wird, oder wird kein Weiterbewilligungsantrag bei der Agentur für Arbeit gestellt, endet die Rentenversicherungspflicht. Für Existenzgründer gibt es folgende Möglichkeiten der Beitragsbemessung:
- Beitrag auf der Grundlage der Bezugsgröße: Im Jahre 2007 monatlich 487,55 EUR.
- Beitrag auf der Grundlage der halben Bezugsgröße: Im Jahre 2007 monatlich 243,78 EUR.
- Einkommensabhängiger Beitrag: 19,9 % des monatlichen Gewinns, mindestens jedoch 79,60 EUR.
(Bezugsgröße für Westdeutschland im Jahre 2007: 2450 EUR / Bezugsgröße für Ostdeutschland im Jahre 2007: 2100 EUR)
Krankenversicherung
Die Beitragshöhe in der gesetzlichen Krankenversicherung bemisst sich nach der Bezugsgröße gem. § 18 SGB IV, wobei die Beitragsberechnung für die Ich-AG auf ein Sechzigstel (anstatt einem Dreißigstel) vorgenommen wird: für das Jahr 2004 monatlich 2.030 EUR (Ost) und 2.414 EUR (West) - unabhängig vom tatsächlichen Arbeitseinkommen (ab 1. Januar 2005: bundeseinheitlich für die gesetzliche Krankenversicherung: 2.415 EUR, für die gesetzliche Rentenversicherung bleiben die Bezugsgrößen von 2004). Der Beitrag berechnet sich wie folgt:
[(Bezugsgröße / 60) * 30] * Beitragssatz
z. B.
[(2.030 EUR / 60) * 30] * 13,8% = 140,07 EUR
Auf Nachweis kann in der Rentenversicherung eine Reduzierung der für die Berechnung des Beitrages zu Grunde gelegten Bezugsgröße erfolgen. Trotzdem müssen Ich-AG-Gründer je nach Beitragssatz in der Krankenversicherung mit ca. 330,- EUR bis 560,- EUR monatlicher Belastung für Ihre Sozialversicherung rechnen. Der Existenzgründungszuschuss ist also primär als Unterstützung zur sozialen Absicherung bei dem Versuch der Existenzgründung gedacht. - Im Gegensatz dazu können zusätzlich - wie bei anderen Existenzgründungen - Fördermittel für das Unternehmen (z. B. Eigenkapitalhilfe, Investitionszuschüsse oder Darlehen) bei den zuständigen Stellen beantragt werden.
Anmerkung: Mindestbemessungsgrundlage für die KV im Monat: 1207,50 Euro.
Pflege(pflicht-)versicherung
Grundsätzlich gilt keine Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung. Freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung sind aber versicherungspflichtig in der Pflegeversicherung. Sie können sich aber davon befreien lassen, wenn sie privat gegen Pflegebedürftigkeit versichert sind (§ 20 Abs. 3 i.V.m. § 22 Abs. 1 SGB XI[2]. § 240 SGB V[3] findet entsprechend Anwendung; der monatliche Mindestbeitrag zur Pflegeversicherung liegt bei ca. 20 €.
Arbeitslosenversicherung
Für die Arbeitslosenversicherung ist keine Pflichtversicherung erforderlich. Seit dem 1. Februar 2006 ist eine freiwillige Arbeitslosenversicherung möglich. Der möglicherweise noch bestehende Restanspruch auf Arbeitslosengeld erlischt ansonsten vier Jahre nach Entstehung des Leistungsanspruchs (§ 147 Abs.2 SGB III).
Unfallversicherung
Die Versicherungspflicht zur Unfallversicherung hängt von der Satzung der jeweiligen Versicherungsträger ab.
Besteuerung der Bezieher eines Existenzgründungszuschusses (EXGZ)
Der EXGZ selbst ist steuerfrei gemäß § 3 Nr.2 Einkommensteuergesetz; er unterliegt auch nicht dem Progressionsvorbehalt. Der Gewinn aus der Selbständigkeit wird wie bei jedem anderen Einzelunternehmen dem Unternehmer (= Inhaber des Unternehmens ) zugerechnet. Abhängig von der Art der selbständigen Tätigkeit kann der Gewinn den Einkünften aus Gewerbebetrieb oder den Einkünften aus selbständiger Arbeit zuzuordnen sein.
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
Der Gewinn wird entweder durch Betriebsvermögensvergleich/Bilanzierung (bei einem Vollkaufmann) oder durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt.
Einkünfte aus selbständiger Arbeit
Der Gewinn wird in der Regel durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt. Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören auch die Einkünfte als Freiberufler.
Umsatzsteuer
Der Bezieher eines Existenzgründungszuschusses ist Unternehmer im Sinne des § 2 des Umsatzsteuergesetzes.
Gewerbesteuer
Das Unternehmen, dessen Inhaber ein EXGZ erhält, unterliegt der Gewerbesteuer, wenn es einen Gewerbebetrieb unterhält. Allerdings liegt der Freibetrag bei 24.500 EUR Gewerbeertrag.
Sonstige Beiträge
IHK-Beiträge
Nach § 3 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern sind natürliche Personen vom Kammerbeitrag befreit, wenn sie nicht im Handelsregister oder im Genossenschaftsregister eingetragen sind, und in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Haushaltsjahr der Betriebseröffnung und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25 000 Euro nicht übersteigt.
Handwerkskammer-Beiträge
Nach § 113 der Handwerksordnung sind natürliche Personen, die erstmalig ein Gewerbe angemeldet haben, für das Jahr der Anmeldung von der Entrichtung des Grundbeitrages zur Handwerkskammer und des Zusatzbeitrages, für das zweite und dritte Jahr von der Entrichtung der Hälfte des Grundbeitrages und vom Zusatzbeitrag und für das vierte Jahr von der Entrichtung des Zusatzbeitrages befreit, soweit deren Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder, soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, deren nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 25 000 Euro nicht übersteigt.
Historische Entwicklung
Nach den Vorstellungen der Hartz-Kommission drückt der Begriff „Ich-AG“ aus, dass Arbeitslose ihre eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht nur als Arbeitnehmer einbringen, sondern vor allem auch als Selbständige umsetzen können. Der Idee der Ich-AG liegt die These zu Grunde, in Deutschland existiere ein „großer Bedarf an kostengünstigen Dienstleistungen“. Dieser Bedarf könne von Arbeitslosen „mit ihren alltagspraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten“ befriedigt werden - was teilweise auch heute schon geschehe, allerdings zumeist in Form von Schwarzarbeit.
Es scheitert ein kleiner Teil der ungenügend vorbereiteten Existenzgründungen nach kurzer Zeit (dies gilt im übrigen auch für andere derartige Kleingründungen), da für die typischerweise gegründeten Hausmeister- oder Büroservices nicht genügend Bedarf besteht. Ein Großteil der Existenzgründungen hat allerdings bestand oder die Existenzgründer konnten danach in eine sozialversicherungspflichtige Anstellung wechseln[4].
Das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz II), das am 1. Januar 2003 in Kraft getreten ist und einen wichtigen Schritt der Agenda 2010 realisiert, setzte das Konzept der sog. Ich-AG in die Praxis um, indem es in § 421l SGB III[5] eine als Existenzgründungszuschuss bezeichnete Förderung schuf.
Der Begriff „Ich-AG“ wurde von der Gesellschaft für deutsche Sprache e. V. zum Unwort des Jahres 2002 erklärt. Begründung: Diese Wortschöpfung aus dem aktuellen Managementdiskurs verfehle „die Erfordernisse sachlicher Angemessenheit und humanen Miteinanders besonders deutlich ... weil es Individuen auf sprachliches Börsenniveau reduziert.“
Abgesehen davon ist die Bezeichnung auch relativ absurd, weil eine Einzelperson (natürliche Person) niemals eine „Aktiengesellschaft“ sein kann, was durch den Begriff „AG“ suggeriert wird. Zudem beträgt das Grundkapital einer AG mind. 50.000 €, dieser Betrag steht im krassen Gegensatz zum typischerweise mit wenig Eigenmitteln ausgestatteten Ich-AG-Gründer, dem auch nur eine bescheidene staatliche Förderung gewährt wird.
Bis Ende 2004 wurden rund 268.000 Ich-AGs von der Bundesagentur für Arbeit mit dem EXGZ gefördert. 48.000 Ich-AGs sind bereits wieder aus der Förderung ausgeschieden.
Zum 30. Juni 2006 lief die Regelung zur Ich-AG aus. Der Grund dafür ist die im Koalitionsvertrag vereinbarte Zusammenlegung aller Instrumente zur Existenzgründerförderung für Arbeitslose.
Alternative Existenzgründungsförderung
Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, haben zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf Überbrückungsgeld. Diese Form der Förderung eignet sich insbesondere für Bezieher relativ hohen Arbeitslosengeldes Alg1. Außerdem gibt es noch Förderprogramme der EU (ESF) sowie Programme des Bundes (KfW) und der Bundesländer aus dem Bereich der Wirtschaftsförderung, so dass eine umfassende Information vor der Existenzgründung z.B. durch die IHK sehr zu empfehlen ist.
Zusätzliche Existenzgründungsförderung
Erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die arbeitslos sind, kann bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ein Einstiegsgeld gezahlt werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Das Einstiegsgeld wird als Zuschuss zum Arbeitslosengeld II erbracht. Das Einstiegsgeld wird, soweit für diesen Zeitraum eine Erwerbstätigkeit besteht, für höchstens 24 Monate erbracht. Bei Bemessung der Höhe des Einstiegsgeldes soll die vorherige Dauer der Arbeitslosigkeit sowie die Größe der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt werden, in der der erwerbsfähige Hilfebedürftige lebt.
Gesetzliche Grundlagen
- Artikel 1 Nr. 5 des 2. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
- § 147, 196 SGB III (Restdauer auf Entgeltersatzleistungen)[6]
- § 421 l SGB III (Definition der Anspruchsgrundlagen und der Förderhöhe)
- § 8 SGB IV (Abgrenzung geringfügige selbständige Beschäftigung)[7]
- § 14 SGB IV (Definition Arbeitsentgelt)
- § 19 UStG (Kleinunternehmerregelung)
Siehe auch: Existenzgründung, Überbrückungsgeld
Einzelnachweise
- ↑ Newsletter vom 24.01.2008 der Sprachberatung vom Duden-Verlag (unten). Siehe auch Duden, Wörterbuch der New Economy, Mannheim 2001.
- ↑ § 20 SGB XI
- ↑ § 240 SGB V
- ↑ IAB Kurzbericht, Existenzgründungen: Unterm Strich ein Erfolg (pdf, 991KB)
- ↑ § 421l SGB III
- ↑ SGB III
- ↑ SGB IV
Weblinks
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