E 620

E 620
Strukturformel
  
L-Glutaminsäure (links) bzw. D-Glutaminsäure (rechts)
Allgemeines
Name Glutaminsäure
Andere Namen
  • (S)-Glutaminsäure
  • L-(+)-Glutaminsäure
  • D-(−)-Glutaminsäure
  • (R)-Glutaminsäure
  • 2-Aminopentandisäure
  • α-Aminoglutarsäure
  • Abkürzung: Glu, E
Summenformel C5H9NO4
CAS-Nummer
  • 56-86-0 (L-Enantiomer)
  • 6893-26-1 (D-Enantiomer)
PubChem 33032
ATC-Code
DrugBank NUTR00027
Kurzbeschreibung weißer Feststoff
Eigenschaften
Molare Masse 147,13 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,538 g·cm−3 (20 °C)[1]

Schmelzpunkt

160 °C[1]

Siedepunkt

Zersetzung bei 205 °C[1]

pKs-Wert
  • pKCOOH:2,16[2]
  • pKγ-COOH: 4,32[2]
  • pKNH2: 9,96[2]
Löslichkeit

wenig löslich in Wasser: 11,1 g·l −1(bei 25 °C),[1] schlecht löslich in Alkohol, unlöslich in Diethylether

Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung [1]
keine Gefahrensymbole
R- und S-Sätze R: keine R-Sätze
S: keine S-Sätze
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
LD50

12961 mg·kg−1 (Maus, oral)[3]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Schlüsselrolle von Glutamat (Glu) bei der Desaminierung und in Transaminierungsreaktionen. Die Wechselbeziehungen zu Glutamin (Gln) werden peripher in Kurzform dargestellt.

Glutaminsäure (auch α-Aminoglutarsäure, 2-Aminoglutarsäure) zählt zu den nicht essentiellen α-Aminosäuren und kann in Form von zwei Spiegelbildisomeren (Enantiomere) vorliegen. Im Dreibuchstabencode wird sie als Glu und im Einbuchstabencode als E bezeichnet. Sie ist ein wichtiger Baustein der Proteine. Ihre Salze und Ester werden Glutamate genannt. In Biologie und Medizin wird die Glutaminsäure meist Glutamat genannt, da die Verbindung im Körper dissoziiert vorliegt. Als Lebensmittelzusatzstoff werden L-Glutaminsäure sowie deren verschiedene Salze als Geschmacksverstärker (E 620 bis E 625) eingesetzt, besonders in der asiatischen Küche und bei Convenience-Produkten.

Inhaltsverzeichnis

Stereochemie

In der Natur liegt im wesentlichen nur die L-(+)-Glutaminsäure [Synonym: (S)-Glutaminsäure] vor. Auf die D-(−)-Glutaminsäure [Synonym: (R)-Glutaminsäure] und das Racemat aus beiden Enantiomeren wird in diesem Artikel nicht näher eingegangen.

Vorkommen

L-Glutaminsäure kommt in den meisten Proteinen in unterschiedlichen Anteilen vor. Im Protein des Quarks und der Getreidekörner hat sie einen besonders hohen Anteil. Viele Lebensmittel, unter anderem reife Tomaten und Käse, Sojasauce und Fischsauce enthalten von Natur aus relativ hohe Anteile von L-Glutamat. L-Glutaminsäure ist in jedem eiweißhaltigen Lebensmittel enthalten, auch in Muttermilch.

Eigenschaften

Der isoelektrische Punkt des Glutamats beträgt 3,24.[4] Die Dicarbonsäure löst sich nur wenig in Wasser (~ 11 g/l bei 25 °C) und Ethanol;[1] die Lösung reagiert stark sauer (pKCOOH 2,16, pKγ-COOH 4,32[2]).

Herstellung

L-Glutaminsäure wird kommerziell ausschließlich nach der Fermentationsmethode hergestellt. Es begann damit, dass systematisch nach Wildtyp-Organismen geforscht wurde, bei denen sich L-Glutaminsäure unter Verwendung günstiger Nährmedien (Edukte) und Kulturbedingungen (Temperatur, Konzentration von Spurenelementen etc.) anreichern ließen. Durch Verwendung von Mutanten wurde die Fermentationsmethode optimiert.[5]

Physiologische Bedeutung

Im menschlichen Körper kommt, wie bei allen Aminosäuren, nur das L-Isomer des Glutamates vor. Als proteinogene α-Aminosäure ist L-Glutaminsäure Baustein von Proteinen. Auch abgesehen davon spielt sie eine wesentliche Rolle im Zellstoffwechsel, da sie über den Citratzyklus in Verbindung zum Kohlenhydratstoffwechsel steht. Sie ist zudem an der Bildung von anderen Aminosäuren beteiligt.

L-Glutaminsäure bindet das beim Protein- und Aminosäureabbau freiwerdende Zellgift Ammoniak unter Bildung von Glutamin durch folgende Reaktion:

α-Ketoglutarat → Glutaminsäure → Glutamin

L-Glutamat ist der wichtigste erregende Neurotransmitter im zentralen Nervensystem der Wirbeltiere. Es wird synaptisch freigesetzt und bindet an spezifische Glutamat-Rezeptoren. Im Zentralnervensystem wird L-Glutaminsäure durch das Enzym L-Glutaminsäuredecarboxylase zu γ-Aminobuttersäure (GABA), einem weiteren Neurotransmitter, decarboxyliert. L-Glutaminsäure ist die einzige Aminosäure, die im Gehirn oxidiert, transaminiert, aminiert und decarboxyliert wird.

L-Glutamat wird nachgesagt, dass es dem Muskelaufbau diene und positiv auf das Immunsystem einwirke. Aus diesem Grund wird es von Bodybuildern geschätzt und ergänzend zur Nahrung eingenommen.

Glutamat und der Citratzyklus

L-Glutamat entsteht im Citratzyklus aus α-Ketoglutarat (αKG) und einem Ammoniumion durch die Reaktion des Enzyms Glutamatdehydrogenase (GDH). Ein weiteres Ammoniumion kann über die Reaktion der Glutamin-Synthetase (GlnS) abgefangen werden, wobei Glutamin entsteht. Beide Reaktionen dienen der spontanen Entgiftung aller Gewebe und sind im Hirn von besonderer Bedeutung.

Für die endgültige Entgiftung müssen Ammoniumionen dem Harnstoffzyklus zugeführt werden. Dies erfolgt sowohl durch Übertragung (Transaminierung) auf Oxalacetat (OA), als auch über die Glutamat-Dehydrogenase-Reaktion. Glutamin kann mit α-Ketoglutarat in Pflanzen zu zwei Molekülen L-Glutaminsäure umgesetzt und damit der GDH-Reaktion zugeführt werden. Diese Reaktion wird durch Glutamat-Synthase (GluS) katalysiert.

Bei der Aminosäuresynthese ist L-Glutaminsäure der NH2-Donor in einer Transaminierungsreaktion. Diese überführt α-Ketosäuren in die homologen α-Aminosäuren. Beispiele sind Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT) und Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT). Coenzym ist Pyridoxalphosphat. Für nahezu alle anderen Aminogruppen, die im Stoffwechsel benötigt werden, ist Glutamin der Donor.

Verwendung

Glutamat als Geschmacksverstärker

Als Substanz wurde L-Glutamat als Natriumglutamat zuerst 1866 vom Deutschen Heinrich Ritthausen identifiziert, 1908 entdeckte der japanische Forscher Kikunae Ikeda dessen Bedeutung für die Geschmacksqualität; er untersuchte, was die Ursache für den besonderen Wohlgeschmack von Käse, Fleisch und Tomaten ist, der aber nicht durch die vier bekannten Geschmacksrichtungen süß, sauer, salzig, bitter abgedeckt wird. Dabei konnte er aus einem in Japan in der Küche verwendeten Algenextrakt Glutamat extrahieren und nachweisen, dass Glutamat für den speziellen Umami-Geschmack verantwortlich ist. Zusammen mit dem Industriellen Saburôsuke Suzuki gründete er zur Vermarktung seiner Entdeckung später das Unternehmen Ajinomoto. Heute wird Natriumglutamat vor allem in Südost-Asien biotechnologisch (Fermentation) mit Hilfe des Bakteriums Corynebacterium glutamicum hergestellt (1,7 Mio. Tonnen pro Jahr).

L-Glutamat findet sich natürlicherweise in fast allen proteinhaltigen Lebensmitteln. Bei normaler Mischkost liegt die tägliche Glutamataufnahme daher bei 8-12 g. Besonders reich an freiem L-Glutamat sind Käse und Fleischprodukte. Als Lebensmittelzusatzstoffe kommen verschiedene Salze der Glutaminsäure mit der Bezeichnung Geschmacksverstärker E 620 bis E 625 zum Einsatz.[6] Für gesunde Menschen ist die Verwendung von L-Glutamat unbedenklich und steht in keinem Widerspruch zu einer gesundheitsbewussten Ernährung. Eine glutamatreiche Ernährung hat keinen Einfluss auf die cerebrale L-Glutamatkonzentration, auch die Wirkung auf den Blutglutamatspiegel entspricht den normalen physiologischen Schwankungsbreiten.

In den 1940er Jahren wurde aufgrund einer Modeströmung hunderten Kindern über Monate zur angeblichen geistigen Leistungssteigerung bis zu 40 g L-Glutamat pro Tag verabreicht. Trotz dieser hohen Dosierung wurden weder leistungssteigernde noch toxische Effekte beschrieben.

Die Studienergebnisse zu Glutamat sind uneinheitlich. Bei Überempfindlichkeit wird vermutet, dass Glutamat der Auslöser des Chinarestaurant-Syndroms ist. Zwar kann man noch nicht ausschließen, dass es Personen gibt, die auf Glutamat empfindlich reagieren, doch konnte es 1987 in einer Doppelblindstudie des Joint Expert Committee on Food Additives der WHO an Personen, die angaben, am sogenannten Chinarestaurantsyndrom zu leiden, nicht als dessen Ursache festgestellt werden.[7][8]

John W. Olney kam auf Grund von Tierversuchen in den 1960er-Jahren zu dem Ergebnis, dass Glutamat, das als Neurotransmitter einen direkten Einfluss auf die Stoffwechselvorgänge von Nervenzellen hat, bei überhöhten zellulären Konzentrationen schädlich auf Nervenzellen wirkt und im Extremfall zu deren Absterben führt. Konzentrationsabhängig wirke es also neurotoxisch. Es steht seitdem im Verdacht, bei der Entstehung von Parkinson und Alzheimer eine Rolle zu spielen.[9]

Eine Studie von Mary Stoddard ergab, dass durch die Aufnahme von Glutamat der Plasmaspiegel erhöht wird. Die Mindestkonzentration, die zu Gesundheitsbeeinträchtigung führen soll, wurde mit 150 mg pro Kilogramm Körpergewicht ermittelt. Weiterhin sei durch Tierversuche ein großer Einfluss auf den Hypothalamus und weitere nicht durch die Blut-Hirn-Schranke geschützte Teile des Gehirns belegt.[10]

Wissenschaftliche Studien mit Menschen haben bislang keine Schädlichkeit des Glutamats belegt. Nach wie vor halten viele Wissenschaftler es für unwahrscheinlich, dass Glutamat die Blut-Hirn-Schranke passieren kann. Es ist bislang nicht belegt, dass die Ergebnisse aus Tierversuchen direkt auf Menschen übertragbar sind.[11]

Weiterhin wird von einzelnen Wissenschaftlern die Theorie vertreten, dass Glutamat in Verbindung mit dem Süßstoff Aspartam zu degenerativen Erkrankungen führt.[12] In Tierversuchen mit Ratten führte die Gabe von Glutamat zu stark verfetteten und teilweise deformierten Tieren.[9]

Zudem wird ein Zusammenhang zwischen Enddarmkrebs und dem Verzehr von Glutamat vermutet.

Derivate

Beim Erhitzen einer Mischung aus gleichen Gewichtsteilen Glutaminsäure und Wasser in einem Autoklaven erhält man unter Wasserabspaltung bei Reaktionstemperaturen von 135–140 °C Pyroglutaminsäure, ein cyclisches Amid (Lactam).

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Eintrag zu Glutaminsäure in der GESTIS-Stoffdatenbank des BGIA, abgerufen am 9. Januar 2008 (JavaScript erforderlich)
  2. a b c d Hans-Dieter Jakubke und Hans Jeschkeit: Aminosäuren, Peptide, Proteine, Verlag Chemie, Weinheim, 1982, ISBN 3-527-25892-2, S. 40.
  3. 638. Glutamic acid and its salts (WHO Food Additives Series 22)]
  4. P. M. Hardy: The Protein Amino Acids in G. C. Barrett (Herausgeber): Chemistry and Biochemistry of the Amino Acids, Chapman and Hall, 1985, ISBN 0-412-23410-6, S. 9.
  5. Izumi, Y. et al. (1979): Herstellung und Verwendung von Aminosäuren. In: Angewandte Chemie 90(3); 187–194; doi:10.1002/ange.19780900307
  6. ZZulV: Anlage 4 (zu § 5 Abs. 1 und § 7) Begrenzt zugelassene Zusatzstoffe
  7. Walker, R. und Lupien, JR. (2000): The safety evaluation of monosodium glutamate. In: J Nutr. 130(4S Suppl); 1049S–52S; PMID 10736380; PDF (freier Volltextzugriff, engl.)
  8. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu Glutamat (pdf).
  9. a b Konrad Beyreuther: Gesund genießen. 2005, ISBN 3-7742-7668-4. S. 10; John Olney, Gesund genießen.
  10. Smith, JD. et al. (2001): Relief of fibromyalgia symptoms following discontinuation of dietary excitotoxins. In: Ann Pharmacother. 35(6); 702–6; PMID 11408989
  11. Stellungnahme zur potentiellen Beteiligung einer oralen Glutamat-Aufnahme an chronischen neurodegenerativen Erkrankungen (Universität Kaiserslautern).
  12. Russel L. Blaylock (1994): Excitotoxins: The Taste That Kills. Health Pr; ISBN 0929173147
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