Ecce Homo

Ecce Homo
Hieronymus Bosch: Ecce homo, 1476 oder später
Martin Schongauer: Ecce homo, 15. Jahrhundert
Antonello da Messina: Ecce homo, um 1473
Antonio Ciseri: Ecce homo (19. Jh.)
Lovis Corinth: Ecce homo, 1925

Mit dem Hinweis Ecce homo (klassische Aussprache [ˈɛkːɛ ˈhɔmoː], deutsche Aussprache auch [ˈʔɛktsə ˈhοːmo]) stellt nach der Darstellung des Johannesevangeliums der römische Statthalter Pontius Pilatus den gefolterten, in purpurnes Gewand gekleideten und mit einer Dornenkrone gekrönten Gefangenen Jesus von Nazaret vor, weil er keinen Grund für seine Verurteilung sieht. Die jüdische Führung fordert daraufhin Jesu Kreuzigung.

Der Ausruf lautet im ursprünglich griechischen Text des Johannesevangeliums Ἰδοὺ ὁ ἄνθρωπος (Joh 19,5 EU) und bedeutet „Siehe, der Mensch“. Die lateinische Version „ecce homo“ stammt aus der Vulgata und ist von dorther in die christliche Tradition und die Kunstgeschichte eingegangen.

Inhaltsverzeichnis

Übersetzung

Die wörtliche Übersetzung aus dem griechischen Urtext lautet: „Siehe, der Mensch“ (so auch wiedergegeben in der Elberfelder Bibel). In anderen deutschen Bibelübersetzungen wird der Text verschieden dargestellt:

Ecce homo als Motiv der Kunst

In der christlichen Kunst gibt es zwei Bildmotive, die mit Ecce homo bezeichnet werden:

  • die eigentliche Illustration der Szene aus Johannes 19 (auch Schaustellung Christi genannt), die zumindest Pilatus und Jesus zeigt sowie zumeist das ihn verspottende Volk von Jerusalem und teilweise auch die Stadt selbst, sowie
  • Andachtsbilder, die Jesus als stehende, einzelne Halbfigur oder Ganzfigur mit Purpurmantel, Lendentuch, Dornenkrone und Folterverwundungen insbesondere am Kopf darstellen. Sind auf solchen Andachtsbildern zusätzlich die Wundmale der Kreuzigung (Nagelwunden an den Gliedmaßen, Lanzenwunde an der Seite) zu sehen, spricht man vom Bildmotiv Schmerzensmann (auch Erbärmdebild oder Miserikordienbild). Ist Christus sitzend (oft als Klagegeste einen Arm auf dem Oberschenkel aufstützend) dargestellt, handelt es sich um das Bildmotiv Christus in der Rast. Beide Darstellungen werden allerdings häufig ebenfalls als Ecce homo bezeichnet.

Die ersten Darstellungen der Ecce-homo-Szene in der bildenden Kunst sind im 9. und 10. Jahrhundert im syrisch-byzantinischen Kulturkreis zu finden. Mittelalterliche abendländische Darstellungen, die das Ecce-homo-Motivs darzustellen scheinen und auch oft so interpretiert wurden, illustrieren jedoch meist die Szene der Dornenkrönung und Verspottung Christi (etwa im Egbert-Codex oder im Evangeliar von Echternach), die der biblischen Ecce-homo-Szene vorausgeht.

Weite Verbreitung fand das Motiv, als im 15. und 16. Jahrhundert die Passion zum zentralen Thema der abendländischen Frömmigkeit wurde. Sowohl im Passionsspiel des mittelalterlichen Theaters als auch in geradezu szenisch wirkenden Illustrationen der Passionsgeschichte war die Ecce-homo-Szene enthalten, etwa in den Passionen von Albrecht Dürer oder Graphiken von Martin Schongauer. Die Szene wurde (insbesondere in Frankreich) auch häufig als Skulptur oder Skulpturengruppe dargestellt; auch Altarbilder und andere Gemälden mit dem Motiv entstanden (etwa von Hieronymus Bosch oder Hans Holbein d. Ä.). Wie die Passionsspiele wurden auch bildliche Darstellungen der Ecce-homo-Szene vielfach für antijüdische Darstellungen des Volkes von Jerusalem genutzt, das durch aufgeregtes Gestikulieren und verzerrte Fratzen charakterisiert wurde.

Das Motiv der Einzelfigur des leidenden Jesus, der den Betrachter oft unmittelbar anzuschauen scheint und somit eine persönliche Identifikation mit dem Passionsgeschehen ermöglicht, kam ebenfalls im späten Mittelalter auf. Parallel dazu wurde in der abendländischen Kunst auch die ähnlichen Motive des Schmerzensmannes und des Christus in der Rast immer bedeutender. Auch in der späteren Druckgraphik (etwa bei Jacques Callot und Rembrandt van Rijn), der Malerei der Renaissance und des Barock (etwa bei Tizian, Caravaggio, Correggio, Peter Paul Rubens) und der barocken Skulptur findet das Motiv noch vielfach Verwendung.

Schon Albrecht Dürer stellte den leidenden Christus in der Ecce-homo-Szene seiner Großen Passion in auffälliger Nähe zu seinem Selbstporträt von 1498 dar und ließ so eine Umdeutung des Motivs in eine Metapher für das Leiden des Künstlers zu. Als Bild für die Ungerechtigkeit der Kritik benutzt James Ensor das Ecce-homo-Motiv in seiner beißend ironischen Graphik Christus und die Kritiker von 1891, in der er sich ebenfalls selbst als Christus porträtiert.

Besonders im 19. und 20. Jahrhundert wird das Ecce-homo-Motiv als Bild für das Leiden und die Entwürdigung des Menschen durch Gewalt und Krieg in seiner Bedeutung erweitert. Bekannte Darstellungen der Moderne sind Lovis Corinths Spätwerk Ecce homo (1925), das Jesus mit einem als Arzt gekleideten Pilatus und einem Soldaten aus der Perspektive der betrachenden Menge zeigt, und Otto Dix' Ecce homo mit Selbstbildnis hinter Stacheldraht von 1948. George Grosz veröffentlichte einen 100-teiligen Bildzyklus unter dem Titel Ecce Homo. Auch Paul Meissner stellte mehrmals das Motiv des leidenden Jesus dar.

Ecce homo als Zitat

Napoleon und Goethe

Bei seiner Begegnung mit Johann Wolfgang von Goethe soll Napoléon Bonaparte das Gespräch mit den Worten „Vous êtes un homme“ (nach anderer Lesart: „Voilà un homme“) begonnen haben. Die häufige Interpretation dieses Ausspruchs als Ecce-homo-Paraphrase im Sinne „Seht, welch ein Mensch“ stellt wohl eine Überbewertung dar; Napoléon könnte damit auch lediglich etwa „Mit Ihnen treffe ich hier endlich einmal einen wirklich interessanten Mann“ ausgedrückt haben.

Nietzsche

In Anspielung auf den biblischen Spruch gab der Philosoph Friedrich Nietzsche seiner Autobiographie den Titel Ecce homo. Auch ein kurzes Gedicht Nietzsches trägt denselben Titel.

Wortspiel in homosexuellem Kontext

Durch die begriffliche Assoziation zwischen dem lateinischen homo = „Mensch“ = „Mann“ und dem griechischen homos = „gleich“ als Kurzform für Homosexueller wird Ecce homo als Schlagwort und Titel auch in homosexuellem Kontext verwendet. Eine europaweit kontrovers diskutierte Wanderausstellung der schwedischen Fotografin Elisabeth Ohlson Wallin unter dem Titel Ecce homo aus dem Jahre 1998 zeigt zwölf Fotografien, die Jesus zusammen mit Homosexuellen darstellen und sich an bekannte Darstellungen der bildenden Kunst anlehnen. Das biblische Ecce-homo-Motiv selbst ist nicht unter den Bildern vertreten.

Sonstige künstlerische Verwendung

Musik

Musikalische Werke folgender Personen tragen Ecce homo in ihrem Namen:

  • Felicitas Kukuck (1914-2001, deutsche Komponistin)
  • Siegfried Reda (1916-1968, deutscher Komponist und Organist)
  • Grant Hart, Album aus dem Jahre 1996
  • Rantanplan, Album "Samba" aus dem Jahre 2000
  • The Hidden Cameras, Album aus dem Jahre 2003
  • Nagorny Karabach, Album "Kleine Exkursion" aus dem Jahre 1991[1]
  • Nagorny Karabach, Compilation "Eine Eigene Gesellschaft Mit Eigener Moral"aus dem Jahre 1992[2]
  • Howard Goodall (*1958, britischer Komponist), "Ecce homo qui est faba", Titelmusik zur Fernsehserie Mr. Bean

Literatur

Folgende Autoren haben Ecce homo im Titel eines ihrer Werke verwendet:

Film

Folgende Filme tragen Ecce homo in ihrem Namen:

  • „Behold A Man (Ecce Homo)“ (1968, Filmmusik:Ennio Morricone, mit: Michel Simon)
  • „Ecce homo Sehet, welch ein Mensch“(1972, von: Rafael Peter Mroß)
  • „Ecce homo“ (2004, Regie: Max Williams, Kamera: Emanuel Altenburger, mit: Joerg Stadler), Kurzfilm der Filmakademie in London

Siehe auch

Weblinks


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